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Ausstellung in Potsdams "Güldenen Arm": Die Durchreisende

Künstlerin Annette Messig über ihre Sehnsucht nach Farbe, Licht und Sternen und ihre Schau Im Güldenen Arm

Potsdam - Sternenstaub scheint sich im „Güldenen Arm“ auszubreiten. Flirrendes Gold, wohin man schaut. Annette Messig brachte es im Koffer mit, aus Italien: in Glas gegossene Goldplättchen, die sie wie flüssiges Licht über ihre Skulpuren zieht. In monatelanger Handarbeit, Mosaikstein für Mosaikstein, bis eine Sehnenscheidentzündung droht. Davon merkt man ihren Arbeiten nichts an. Sie scheinen eher zu tänzeln, zu sprudeln. Wie ein mediterraner Brunnen. Und so wirken die Plastiken und farbheiteren Bilder auch etwas fremd im Potsdamer Wintergrau. Wie die Künstlerin selbst, die in Potsdam nie richtig angekommen ist, wie sie sagt. Viele Jahre lebte Annette Messig in Italien, und es zieht sie wieder dorthin. Irgendwann. Vielleicht auch nach Portugal oder Spanien. Freunde gibt es überall und das südländische Lebensgefühl gratis dazu.

Es ist die erste Ausstellung, die die gebürtige Berlinern, die seit zehn Jahren in Potsdam lebt, hier in der Stadt hat. Der Kulturbund lud sie in den „Güldenen Arm“ ein, den sie nun mit symbolischen und ornamentalen Skulpturen in sanftes Licht taucht, fast wie in einem Wohnzimmer. Landschaften hängen neben Himmelskörpern, Wasser neben Feuer. „Jedes Bild ist wie ein Tagebuchblatt aus meinem Leben.“ Wie bei dem Bild „Am Teich“, das sie in Norditalien malte und Licht und Dunkel aufeinanderprallen lässt. „Dort habe ich Tage, ja Wochen verbracht, und den Urschlamm gesehen, aus dem die Schönheit, der Lotos wächst.“

Planetengarten im Treffpunkt Freizeit

Obwohl Annette Messig das erste Mal in einer Galerie ausstellt, kennt man ein stückweit ihre Arbeit: ihren „Planetengarten“, den sie mit Kindern vor dem Treffpunkt Freizeit geschaffen hat. Damals, 2013, hatte sie eine Stelle bei dem „Kunstgenossen“-Verein, der dort ansässig war. Täglich sah sie auf das Grau des denkmalgeschützten Hauses, dessen Fassade nicht verändert werden durfte. Intuitiv brachte sie die Idee eines Skulpturengartens ein. Der hatte Farbe! Und schon legte sie mit den Ferienkindern los und belegte mit ihnen Venus, Mars und Jupiter. Die Mosaiksteinchen aus Glas und Marmor kamen aus Venezia, Vicenza, Verona, Carrara. Dann lief ihre Stelle aus – und die Sonne fehlte. Sie sammelte Geld im Internet, beantragte Lottomittel und stellte schließlich auch die Sonne fertig. Doch noch leuchten sie nicht, ihre wie Lollis aufgestelzten Himmelskörper. Dazu braucht es wiederum Geld: für Solarmodule, für die Wege drumherum und für die Beschilderung. Jeder soll schließlich wissen, auf welchen Bahnen die neun Planeten kreisen. Ihre Wege werden am Ende wie in einem Labyrith verbunden sein, in dem man das Universum erforschen kann.

Die Stadt Potsdam hat für das Erleuchten 6000 Euro zugesichert, das restliche Geld hat sie wiederum bei der Lotto GmbH beantragt. Seit sieben Jahren ist Annette Messig inzwischen mit dem Planetengarten beschäftigt und möchte über die vielen Stunden unbezahlter Arbeit gar nicht nachdenken. „Aber ich bin ein Mensch, der versucht, die Dinge zu Ende zu bringen.“

Von Italien nach Potsdam

Neben Stetigkeit bestimmt aber auch Unrast ihr Leben. Im Jahr 2000 ist sie raus aus Berlin, „da war ich schon 40“. Erst ging es in den ländlichen Süden Berlins, wo die Rehe vor dem Fenster grasten, dann viel tiefer in den Süden: bis nach Italien. Als die Wirtschaftskrise das Land heimsuchte, wurde es auch für die Künstlerin zu schwierig, sich über Wasser zu halten, obwohl sie zusätzlich in allen möglichen Jobs arbeitete: in einer Brillenfabrik, als Kellnerin, Briefträgerin.

Annette Messig zog nach Potsdam. Was ja auch ein bisschen italienisch anmutet. „Aber auch mit seinen Nachbauten an Disneyland erinnert.“ Sie findet hier ebenfalls Farben und Stimmungen, die sie zum Malen einladen, wie die Buchen am Heiligen See. Aber was ihr fehlt, ist das südländische Flair, die Mentalität. „Ich bin auf der Durchreise, mein ganzes Leben lang. Mich zieht es immer weiter. Reisen bedeutet für mich Skizzieren.“

Sie probiert verschiedene Techniken aus

Ihr Skizzenbuch hat sie immer dabei, sie braucht die Farbe in den Händen. „Wenn man malt, sieht man überall Motive. Ich brauche das konzentrierte, dem Gegenstand ergebene Sehen.“ Ob dieses Gesehene zu Bildern gerinnt oder sich zu Plastiken und Lichtobjekten aufschwingt, sei dabei zweitrangig. Alles suche sich seine Form. Schon an der Hochschule in Weißensee arbeitete sie übergreifend, ging vom Malsaal gern auch in die Bildhauerwerkstatt hinüber. „Immer wieder probiere ich neue Techniken aus. So eben auch das Mosaik, das es in Italien in den schönsten Variationen gibt.“ Unter den weich fließenden Mosaiken befinden sich graue Betonkörper, auf denen Annette Messig mit Kohlestift die Konturen vorzeichnet, bevor sie zu kleben beginnt: Jedes Plättchen wird vorher einzeln zurecht geschnitten. „Mein schwarzer Meteor mit dem fließenden Licht war im Kopf fix und fertig, ich musste ihn nur noch umsetzen.“

Am Ende ihres Weges wird es wieder die Farbigkeit des Südens sein. Da ist sie sich sicher. „Sie ist meine große Erfahrung und es zieht mich immer wieder dorthin. Wenn man einmal im Ausland gelebt hat, wird man nirgends mehr heimisch.“ Annette Messig wird zurückkehren zum „Morgengesang“ in Monte Grappa, zu dem Bergmassiv, das auf ihrem Bild im pinkigen Rot funkelt und eine große Gelassenheit ausstrahlt. Auch dieser „Gesang“ ist eine Aufzeichnung aus ihrem Leben: ein Fenster, durch das man in andere Welten schauen kann.

- Zu sehen bis zum 18. März, mittwochs bis sonntags von 12 bis 18 Uhr, im Museumshaus „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Straße 3

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