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Ben Patterson hat in seinen Variationen festgelegt, dass der Kontrabass zu guter Letzt schweben muss.

© Sebastian Gabsch

Ausstellung im Museum Fluxus+: Bei den Fröschen am Teich

Ben Patterson ging der Musik auf den Grund. 2019 wäre er 85 Jahre alt geworden und das Potsdamer Museum Fluxus+ widmet ihm eine Schau.

Von Helena Davenport

Der Weg als Ziel – für die Fluxusbewegung stand nicht das Werk im Vordergrund, sondern vielmehr die Idee dahinter, und der schöpferische Vorgang. Auch Ben Patterson ging es um die Erfahrung durch das Kunstwerk und den somit geschaffenen direkten Übergang von der Kunst zum Leben. Eine seiner Arbeiten besteht aus einer einfachen Kreidezeichnung, ein Raster am Boden, und aufziehbaren Blechfröschen. Patterson fordert die Kunstbetrachter auf, zu Akteuren zu werden. Zu zweit müssen sie sich an jede Seite des Rasters stellen, und je nachdem, in welchem Kästchen ein Frosch Halt macht, eine Frage, eine Antwort oder eine Aussage formulieren. Ein lustiges Geplapper entsteht, ein Froschkonzert, mitten im Museum.

Patterson war dem Potsdamer Museum sehr verbunden

Denn das Museum Fluxus+ widmet dem US-amerikanischen Künstler und Mitbegründer der Fluxus-Bewegung in Deutschland die Sonderschau „do not be afraid of long silences!“ (Habe keine Angst vor langen Momenten der Stille!) innerhalb der ständigen Ausstellung. Das Kreideraster ist eine der 30 ausgestellten Arbeiten des 2016 in Wiesbaden verstorbenen Künstlers. In diesem Jahr wäre Patterson, der die Eröffnung des Potsdamer Museums 2008 begleitet hat, 85 Jahre alt geworden.

Der Inspirationsquelle für sein Froschkonzert begegnete er schon in seiner Geburtsstadt Pittsburgh: Neben seinem Haus befand sich ein Tümpel. Patterson packt die Kunstgattung Musik bei ihren Wurzeln, lenkt zu den Grundansprüchen zurück, die an sie herangetragen werden. Und deutet – ganz Fluxus – auf Fragen hin, deren Antworten zunächst so selbstverständlich erscheinen, dass sie schnell für überflüssig erklärt werden. Und dann merkt man: Ihr Gegenstand ist nur zur Gewohnheit geworden, es gibt eigentlich gar keine Antwort, höchstens mehrere.

Schlechte Chancen wegen seiner Hautfarbe

Um der Musik als akustisches Phänomen auf die Schliche zu kommen, hatte sich Patterson zum Ziel gesetzt, Kontrabassist in einem philharmonischen Orchester zu werden – kein Leichtes in den Fünfzigern in den USA. Seine dunkle Hautfarbe war ein Problem, außerdem war er ein „Pinkie“. So wurden diejenigen genannt, die liberale Ideen öffentlich äußerten. Der Kurator Philipp John hat deswegen Pink als Farbe für die Sonderschau gewählt.

Er organisierte das erste Fluxus-Festival

In Kanada hatte Patterson mehr Glück, dort begann seine Karriere. Danach spielte er im Orchester der US-Armee in Stuttgart, bevor er in Köln John Cage traf, dessen Kompositionen als Schlüsselwerke für die Neue Musik gelten. 1962 organisierte Patterson mit George Maciunas zusammen die Internationalen Festspiele Neuester Musik in Wiesbaden, das erste Fluxus-Festival.

Bis ins hohe Alter habe Patterson pro Jahr rund 20 Performances durchgeführt, weiß John. Wobei er zwischenzeitlich wieder nach Amerika übergesiedelt war, um dort ein „ordinary life“ zu führen. Das gelang ihm nicht ganz. Er strebte in eine politische Richtung, war in den Bürgerrechtsbewegungen der 60er dabei.

Viele seiner Werke gehen mit Ironie auf Missstände ein. Das Thema Rassismus etwa spiegelt sich bei einer Arbeit auf Leinwand wider: Mickey Mouse, Sinnbild für die Konsumwelt, verpasst einer archaisch anmutenden Maske einen Seitenhieb. „Godzilla“ nennt Patterson die Maske – sie ist also hier das Monster. Am Ende der Schau wartet das Herzstück, der Kontrabass des Künstlers, an den er Wäscheklammern klemmte und in dessen Bauch er Postkarten steckte. Eine Kontaktaufnahme mit der Sphäre Musik? Der Modifikation des Klangs dienten die Karten allemal. (Ausstellung bis zum 10. Oktober, mi bis so, 13 bis 18 Uhr)

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