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Edite Grinberga: „Stilleben mit Büchern“ (2023)

© Galerie Friedmann Hahn / VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Auf Lichtjagd: Gemälde von Edite Grinberga bei Friedmann-Hahn

In ihren Ateliers in Berlin und auf Rügen schafft die Künstlerin Bilder ohne Menschen – deren Spuren jedoch ständig gegenwärtig sind.

Von Angelika Leitzke

Helle, leere Räume, in denen ein geheimnisvolles Spiel zwischen Licht und Schatten entsteht. Mal sind es Sonnenstrahlen, mal ist es der diffuse Schein der Dämmerung. Die Stege und Rundungen der Fenster werden durch ein feines Schattengeflecht an kahlen Wänden reflektiert, Vorhänge von einem Windstoß aufgebauscht.

Wenn Edite Grinberga ihre Interieurs auf der Leinwand konzipiert, geht sie auf Lichtjagd und wartet ab, bis sich die für sie passende natürliche Beleuchtung einstellt. Als Bühne nutzt sie ihr Atelier in Berlin und auf Rügen sowie Wohnungen von Freunden. Als Requisiten braucht die Malerin nur wenige Dinge. Nachdem vor 15 Jahren der Mensch aus ihren Bildern verschwunden ist, glänzt er in ihrer Soloausstellung in der Galerie Friedmann-Hahn durch Abwesenheit. Gleichzeitig hinterlässt er in Zimmern anhand von Briefen, Büchern, Musikinstrumenten, halbvollen Weingläsern, einem Schlüsselbund oder einem unbesetzten Stuhl seine Spuren.

In den funkelnden Gläsern spiegelt sich die Umgebung

Über allen Werken schwebt der Geist des Dänen Vilhelm Hammershøi. Der Ruhm seiner realistischen Malerei verblasste nach dem Tod des Künstlers 1916 und erlebte erst in den neunziger Jahren ein Revival. Auch er schuf Interieurs von exakter Klarheit, in denen Zimmerfluchten mit angelehnten oder geöffneten Türen, die dank einer komplizierten Lichtregie ein mystisches Eigenleben entwickelten. Auch die niederländische Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts stand bei Grinberga Pate, die lasierende Malweise der alten Meister übernahm sie ohnehin. Funkelnde Gläser oder edles Porzellan, in denen sich präzise die Umgebung spiegelt, tauchen in ihren kleinformatigen Ölgemälden auf. Es liegen Schriftstücke auf einem Tisch, die gerade mit kleiner Flamme verbrannt werden.

Das Weiß in kunstvollen Nuancen dominiert in all ihren Ölgemälden, denn es entblößt am ehesten die Spektralfarben des Lichtes. Und so entsteht auch der raffinierte Zauber ihrer rund 40 Gemälde, die eigens für diese Soloausstellung entstanden sind. Etwas manieriert wirken in ihren perfekt inszenierten Kompositionen nur die farbigen Tücher, die Grinberga durch ihre Räume wie aus dem Nichts wirbeln lässt. Weniger hätte hier mehr sein können.

Edite Grinberga wurde 1965 in Riga geboren, wo sie an der lettischen Kunstakademie Malerei und Textildesign studierte. Seit ihrem Umzug nach Berlin 1990 widmete sie sich der figurativen Malerei. Ihre Werke befinden sich in internationalen Museen wie in privaten Sammlungen (Preise: 5400-29.800 Euro).

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