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Jugendstil mit Strenge. Die Meistersingerstraße 18.

© Verein Brandenburger Vorstadt

Architektur-Broschüre des Brandenburger Vorstadt-Vereins: Zu Fuß zum Jugendstil

Der Verein Brandenburger Vorstadt bringt eine Architektur-Broschüre heraus.

Potsdam - Das architektonische Gesicht der Brandenburger Vorstadt ist vielgestaltig. Die hier vorhandenen Bauten des Historismus und des Jugendstils weisen ein bewunderungswürdiges Repertoire baukünstlerischer Finessen auf. Interessant ist besonders der Jugendstil, ging er doch von Malern, Zeichnern und Kunsthandwerkern aus, die sich Aufbruchsstimmung verbunden fühlten.

Der Verein Brandenburger Vorstadt bemüht sich unter seinem Vorsitzenden Kai Weber, auch die Belange des Denkmalschutzes in seinem Stadtteil hochzuhalten. Nun hat er eine Broschüre publiziert, in der es um den Jugendstil in der Brandenburger Vorstadt geht. Autoren des sehr informativen und gut illustrierten Heftes sind Sabine Albrecht, Ingo Baumstark, Marianne Heinrich und Helmut Krüger.

Die Bebauung der Brandenburger Vorstadt wurde seit der zweiten Hälfte des 19. bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts intensiviert, vor allem vor dem Ersten Weltkrieg. Zu dieser Zeit war der Wohnungsbedarf in Potsdam sehr groß. Die Garnison-, Verwaltungs- und Residenzstadt konnte über ein stetes Anwachsen der Bevölkerung nicht klagen. Zählte man im Jahr 1861 rund 42 000 Einwohner, so waren es um 1900 bereits 60 000 Einwohner. In der Brandenburger Vorstadt war ab Mitte der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts der Entwicklungsschub besonders hoch.

Charakteristisch für das Bauen dieser Zeit sind neben Villen und Kleinmietshäusern drei- und viergeschossige Mietwohnhäuser, die zu einem dichten Straßennetz geknüpft wurden. Oft waren Beamte, Militärangehörige, Händler und Handwerksmeister die Bauherren. Das Potsdamer Adressbuch von 1908 informiert, wer beispielsweise im Haus in der Nansenstraße 20, das 1904 erbaut wurde, wohnte: Als Eigentümer wird Zimmermeister F. Krüger genannt, er besaß auch die Nansenstraße 21. Als Vizewirt fungierte Klempnergesell Hermann Junker.

Mieter waren etwa ein Pastor, ein Rechnungsrat, ein Oberzahlmeister, ein Rechnungsrevisor, ein Regierungshauptkassenbuchhalter, eine Bankdirektorswitwe.

Neben Krügers Jugendstilhäusern befinden sich in der Nansenstraße elf weitere Gebäude aus dieser Kunstepoche, die sich gegen den schweren Repräsentationsmix der Gründerjahre wandten.

Die Jugendstil-Künstler – schwärmerisch, elektrisiert vom Märchenhaften und vom Schlichten – verließen die Städte und wandten sich der Natur zu. „Alles war neu, es gab merkwürdige, nie gesehene Menschen, Tiere, Bäume, Häuser, Farben, deren Leuchten ich nicht gekannt hatte, Linien, die auf ungeahnte Weise die Körper mit der Umgebung verbanden“, schrieb der Schweizer Maler Cuno Amient. Sinuskurvige Linien findet man im Jugendstil, die sich mit pflanzenhaften und spannungsvoll exaltierten Ornamenten auch auf die Fassaden der Häuser legten.

Der Brandenburger-Vorstadt-Verein will nun Bewohner und Besucher verstärkt auf die architektonischen Schönheiten und Vielfalt der Jugendstil-Häuser im Stadtteil hinweisen, die nun überwiegend saniert und restauriert wurden. Besonders kunstvoll gelang den Steinmetzen und Bildhauern der detailreiche Fassadenschmuck, etwa in der Hans-Sachs-Straße. Nicht alle Gebäude werden im Buch beschrieben, sondern solche, die die Autoren besonders interessant finden. Die Publikation hat also nicht den Anspruch einer wissenschaftlich dokumentarischen Arbeit, sondern sie lädt ein, mit ihr einen abwechslungsreichen Spaziergang zu unternehmen. Das Heft verschweigt aber auch nicht, dass der Bahnhof Potsdam-Charlottenhof aus dem Jahr 1909 zwar barrierefrei ist, doch bisher leider nicht saniert wurde. Klaus Büstrin

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