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Berliner Philharmoniker: Arabeskenträume

Esprit français: ein Nachtkonzert mit Simon Rattle, den Berliner Philharmonikern und einem französischen Programm von Ravel bis Ibert

Ähnlich wie der steinige Pfad zum Paradies ist auch der Weg zu den „Late night“-Konzerten der Berliner Philharmoniker nicht gerade bequem gepflastert. Bevor das Publikum in den Genuss ungewöhnlicher Programme in Starbesetzung kommt, muss es sich in Geduld und Standfestigkeit üben: massenhaft stehen sich nicht nur junge Leute vor verschlossenen Türen die Beine in den Bauch, bis das Publikum des vorhergehenden Sinfoniekonzerts den Saal verlassen hat – falls man nicht vorzieht, bei freiem Eintritt gleich sitzen zu bleiben. Die besten Plätze sind also schon belegt bei der Gelegenheit, sich einmal im Olymp erwartungsvoller Volksfeststimmung auszusetzen.

Der esprit français des fein ausgeklügelten Programms geht dabei zunächst verloren: Stephan Koncz’ pastellfarbene Cellolinien verschwimmen zu Beginn von Maurice Ravels „Chansons madécasses“ im weiten Rund, auch der klangintensive Klavierpart, eigenhändig beigesteuert von Chefdirigent Simon Rattle, gewinnt wenig Kontur zu Laura Aikins etwas unentschlossenem Gesang. Besser gelingen der Sopranistin die Girlanden und Arabesken, die traumverloren-nervöse Stimmung der „Quatre Poèmes hindous“ von Maurice Delage. Unerfindlich, bemerkt Sir Simon zuvor, dass der Freund Ravels und Strawinskys, der sich als erster französischer Komponist mit indischer Musik befasste, immer noch so gut wie unbekannt sei.

Eine lohnende Entdeckung: Als Bonvivant der Belle Epoque konnte Delage es sich leisten, wenig zu produzieren – ganz im Gegenteil zu Henri Dutilleux, der kurz nach der Entstehung der „Poèmes“ 1913 geboren wurde und erst 2013 starb. Solène Kermarrec spielt dessen „Trois Strophes sur le nom de Sacher“ für Violoncello solo (1982), die dem Schweizer Mäzen Paul Sacher kunstvoll-experimentierfreudig Reverenz erweisen, mit riesigem, raumfüllendem Ton, hochvirtuos in flirrender Bewegung, ausdrucksstark im Dialog flüsternder Flageoletts und den in tiefste Register verlegten Antworten. Den Schlusspunkt setzt ein beißend ironisches „Divertissement“ von Jacques Ibert, das von Mendelssohns „Hochzeitsmarsch“ bis Kurt Weills „Mackie Messer“ munter vor sich hin persifliert und Simon Rattle am Pult einer handverlesenen Philharmoniker-Schar in seinem dirigentischen Element zeigt. Isabel Herzfeld

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