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Abschluss-Konzert der Vocalise: Requiem ohne Zorn

Der Potsdamer Oratorienchor sang zum Abschluss der Vocalise in der Nikolaikirche - innig, intensiv und mit feiner Farbe.

Die Vocalise 2015 ist am Sonntagvormittag mit einem Bach-Kantate-Gottesdienst in der Erlöserkirche zu Ende gegangen. Am Abend zuvor haben der Oratorienchor Potsdam und das Deutsche Filmorchester Babelsberg in der Nikolaikirche ein Vocalise-Konzert gestaltet.

Beide Klangkörper sowie der Dirigent Tobias Scheetz mussten mit dem für sie ungewohnten langen Hall des Gotteshauses umgehen. Doch die sich zumeist in der Spätromantik bewegenden Werke gingen mit den akustischen Gegebenheiten des weiten und hohen Raumes eine gute Partnerschaft ein. Unter dem Motto „De profundis – Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ gab es musikalische Botschaften, die ganz und gar die Innenschau von trauernden, klagenden und hoffnungsvollen Menschen betrachten.

Zu Beginn gab es die hierzulande kaum zu hörende Vertonung des 130. Psalms „De profundis“ des Anfang des 20. Jahrhunderts im Elsass wirkenden Komponisten Joseph Guy Ropartz. Sein gefasstes, ernstes, nur mäßig expressives Stück musizierten der Oratorienchor und das Filmorchester mit feierlich-rundem Ton, auch Christian Palm wusste konzentriert mit seinem fein timbrierenden Bass sich der solistischen Passagen des kurzen, doch eindrucksvollen Werkes anzunehmen. Das Filmorchester hatte danach mit dem 2. Satz aus der „Symphonie liturgique“ von Arthur Honegger seinen eigenen Auftritt. Als „Reaktion des modernen Menschen auf Barbarei, Dummheit, Leiden ...“ schrieb der Komponist 1946/47 die Sinfonie. Der Komponist nannte den zweiten Satz „De profundis clamavi“, ein klagend-schmerzhaftes Stück, in dem zum Schluss versöhnliche Töne anklingen. Scheetz und das Orchester haben den Sinfonie-Ausschnitt mit großer Intensität dargeboten. Auch das anschließende „Ihr habt nun Traurigkeit“ für Sopran-Solo und Chor aus dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms.

Cornelia Zink sang den Part wunderbar innig und in der Höhe war ihr Sopran stets glockenrein. Zum Hauptwerk des Konzerts geriet die Requiem-Vertonung des in Paris wirkenden Kirchenmusikers Maurice Duruflé. Der im Juni dieses Jahres verstorbene künstlerische Leiter und Kantor der Friedenskirche, Joachim Walther, wählte noch das Requiem für die Aufführung aus. Nun wurde die still klagende, sich kaum aufbäumende Totenmesse auch zu einem ergreifenden Gedächtnis für den Potsdamer Kirchenmusiker. Scheetz tauchte nun tief ein in das sanft psalmodierende Metrum gregorianischen Gesangs mit feinen polytonalen Hintergründen und weich wogender Orchesterbegleitung, bei der auch die Orgel (Christoph Bornheimer) ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Sie verlieh dem ruhigen musikalischen Geschehen eine besonders feine Farbe. Verhalten klingt das rituelle Werk auch deswegen, weil ein dramatisches „Dies irae“ fehlt. Herbe Höllen-Passagen findet man lediglich im „Libera me“.

Tobias Scheetz bereitete den Oratorienchor für die Aufführung vor und leitete sie, mit fortlaufendem musikalischen Fluss. Er verlieh dem Ganzen einen inspiriert-meditativen Geist. Der Chor zeigte sich den Aufgaben, die er zu bewältigen hatte, gewachsen. Er wusste mit warmem Klang, feiner Leuchtkraft und hoher Beweglichkeit zu überzeugen.

Die wundervoll weich gebundenen Melismen sang die junge Mezzosopran-Solistin mit ergreifend schlichtem Gestus, auch der Bass Christian Palm konnte für sich einnehmen. Das Filmorchester begleitete dezent und ließ das große Gesangsensemble leuchten: Ergriffenheit, dann langanhaltender Beifall. Klaus Büstrin

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