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Ein Tupolew-Tu-95MS-Langstreckenbomber der russischen Luftfahrflotte.

© IMAGO/ITAR-TASS

Russland verlegt Bomberstützpunkte: „Ein massiver Angriff ist leichter abzuwehren als viele kleine“

Russland greift die Ukraine inzwischen immer häufiger aus der Luft an. Statt auf Intensität setzen die russischen Streitkräfte dabei auf Quantität. Das fordert die ukrainische Luftabwehr heraus.

Sie fliegen bis zu 5500 Kilometer weit und treffen regelmäßig ukrainische Infrastruktur, militärische Ziele, aber auch zivile Einrichtungen: die Langstreckenbomber der russischen Flotte. Sie sind mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen ausgerüstet und können von mehreren russischen Militärflugplätzen aus starten – jedoch bei Weitem nicht von allen, die Russland theoretisch zur Verfügung stehen.

Seit Beginn des groß angelegten Angriffskriegs gegen die Ukraine mussten die Russen ihre Bomberstützpunkte daher mehrmals verlegen und ihre Taktik bei Luftangriffen in der Ukraine ändern. Militärexperten erklären dem Tagesspiegel, was hinter den Stützpunktwechseln steckt.

Russland verfügt insgesamt über 245 Militärflugplätze, wovon aktuell etwa 70 aktiv sind. 40 davon werden im Krieg gegen die Ukraine genutzt, hauptsächlich für Flugzeuge, die nicht direkt in die Kämpfe verwickelt sind. Nur acht dieser Flugplätze wiederum sind für strategische Bomber geeignet.

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Nur acht Flugplätze für die strategische Militärlufttechnik geeignet

Die strategische Luftwaffe ist darauf ausgelegt, gegnerische Militäreinrichtungen hinter der Front zu treffen, die feindlichen Truppen zur Verlegung zu zwingen und strategische Aufklärung zu betreiben. Sie umfasst schwere und mittlere Bomber, die mit Luft-Boden-Raketen und Bomben mit konventionellen und nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet sind, sowie strategische Aufklärungs- und Nachschubflugzeuge.

Während des Krieges mit der Ukraine im Jahr 2022 nutzte die Russische Föderation die Flugplätze Engels 2, Schaikowka und Olenya als nächstgelegene Startplätze für Flugzeuge, die Marschflugkörper aller Art abfeuern können. Zu Beginn der ukrainischen Gegenoffensive aktivierten die Russen auch den Flugplatz Mozdok, der sich seit Juli 2018 im Umbau befand. Die Arbeiten an einer neuen Start- und Landebahn und neuen technischen Einrichtungen wurden Ende vergangenen Jahres abgeschlossen.

Da die russischen strategischen Flugzeuge sehr groß sind, sind konventionelle Flugplätze für sie nicht geeignet. Vielmehr seien solche mit einer dreieinhalb Kilometer langen Start- und Landebahn nötig, erklärt Michail Schirichow, Militärexperte und Forscher für Militärluftfahrtgeschichte. Außerdem benötigen die Kampfpiloten, um in die Tu-22M3 und Tu-160-Langstreckenbomber einsteigen zu können, spezielle, hohe Rampen.

Neue russische Taktik seit Beginn der Gegenoffensive

Der Militärexperte Michaylo Schirichov führt die Inbetriebnahme des Flugplatzes Mozdok auf eine Änderung der Taktik der russischen Armee zurück – denn nach den Tschetschenienkriegen wurden dort Fluggeräte zwischengelagert, Angriffe wurden von dort aus nicht geflogen. „Vermutlich wird er nun genutzt, um das ukrainische Luftabwehrsystem zu durchbrechen“, so der Experte.

Denn auf russische Angriffe vom Kaspischen Meer aus oder etwa aus Rjasan, südlich von Moskau, sei die ukrainische Luftabwehr eingestellt. Der Flugplatz Mozdok im Nordkaukasus ermögliche es hingegen, aus südöstlicher Richtung Angriffe durchzuführen und so die nötige Reichweite zu reduzieren. Der Treibstoff, der dadurch gespart wird, ermöglicht es den Russen, im Gegenzug eine weitere Rakete pro Flugzeugbomber anzubringen und so die Wirksamkeit ihrer Raketenangriffe zu erhöhen.

Russischer Angriff auf Zatoka in der Oblast Odessa im August 2022 mit zwei Kh-22-Raketen, abgefeuert durch Tu-22M3-Langstreckenbomber.

© IMAGO/NurPhoto

Der Militärexperte Iwan Kyrytchewsky vermutet, dass Mozdok bereits 2022 genutzt wurde, insbesondere bei der Bombardierung von Odessa vom Schwarzen Meer aus. Für Russland, so Kyrytchewsky, sei die Bindung von Flugzeugen an einen bestimmten Flugplatz nicht wichtig. Ihr Einsatz hängt vielmehr vom jeweiligen militärischen Ziel ab.

„Seit März haben die Russen nur die Intensität der Raketenstarts auf ukrainisches Gebiet von verschiedenen Trägern aus geändert. Wenn die Russen vorher einzelne Schläge in großer Zahl mit langen Unterbrechungen durchführten, führen sie jetzt kleine Schläge durch, aber fast täglich“, sagt der Experte. Und weiter: „Es ist viel leichter, einen massiven Angriff durch Raketen und Shahed-Drohnen abzuwehren als viele, kleine Angriffe. Die Russen wissen das.“

Unklarheit bei den Zahlen: Wie viele Langstreckenbomber besitzt Russland?

Der Fachzeitschrift „Military Balance 2023“ zufolge verfügen die Luft- und Raumfahrtstreitkräfte Russlands über 60 Langstreckenbomber von Typ Tu-95MS, 16 vom Typ Tu-160 und 66 vom Typ Tu-22M3.

Militärexperten der ukrainischen Publikation „Defense Express“ gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der kampffähigen Langstreckenbomber dieses Typs deutlich geringer ist. „Für Angriffe auf die Ukraine im Jahr 2022 hat Russland höchstwahrscheinlich maximal 20 Tu-95MS-Flugzeuge in die Luft gebracht. Die tatsächliche Zahl der kampffähigen Tu-95MS-Bomber ist um die Hälfte geringer als auf dem Papier“, schreiben die Experten.

Laut Aussagen des britischen Staatsministers für die Streitkräfte, James Heappey, die im „UK Defense Journal“ veröffentlicht wurden, verfügt Russland über insgesamt 80 Langstreckenbomber. Diese seien vornehmlich vom Typ Tu-95 und Tu-22. Zahl der Tu-160 schätzte er auf zehn Stück. Seine Schätzung liegt dementsprechend auch deutlich unter den Zahlen aus der Fachzeitschrift „Military Balance“, aber noch über den Angaben der ukrainischen Publikation.

Russland will seine Langstreckenflotte modernisieren

Seit den späten 1990er Jahren hat der Kreml die Entwicklung einer neuen Generation strategischer Tarnkappenbomber konzipiert und eingeleitet. Anfang der 2000er Jahre beauftragte die russische Luftwaffe das Produktionsunternehmen Tupolev mit dem Bau.

Seit 2008 finanziert der Kreml auch den Bau einer neuen Generation von Bombern des Typs PAK DA (Prospective Long-Range Aviation Complex) und die Modernisierung der bestehenden Tu-95-, Tu-22M3- und Tu-160-Bomber. Langfristig soll die Envoy die strategischen Bomber Tu-160 und Tu-22M3 ersetzen. Der Grund dafür ist, dass die russischen Flugzeuge leicht durch Radare erkannt werden können.

Nach einem Bericht des britischen Staatsministers für die Streitkräfte, James Heappey, der vom „UK Defence Journal“ veröffentlicht wurde, könnte Russland bald mit der Produktion eines PAK-DA-Prototyps fertig sein. Er wies aber auch darauf hin, dass die westlichen Sanktionen und die andauernden Kampfhandlungen in der Ukraine eine serielle Neuproduktion verzögern könnten.

Die russische Nachrichtenagentur TASS kündigte die Serienproduktion des Bombers für 2027 an. Der ukrainische Militärexperte Iwan Kyrytchewsky aber bezweifelt, dass eine Produktion von PAK-DAs in großem Umfang realisierbar sei, da Russland die Technologie dafür aufgrund der Sanktionen und der Emigration ausgebildeter Fachkräfte nicht zur Verfügung stehe.

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