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Menschen in  Saporischschja.

© REUTERS/Viacheslav Ratynskyi

Ukraine-Invasion Tag 631: Die schwierige Frage der Kollaboration

Russland meldet Stationierung einer weiteren Hyperschall-Atomrakete. Russland versucht offenbar, Awdijiwka einzukreisen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Dass Moskau die „Russifizierung“ in den besetzten Gebieten in der Ukraine massiv vorantreibt, ist ein Aspekt des Krieges, über den seit Monaten berichtet wird. Entsprechend ausgerichtete Lehrpläne an den Schulen, Schwierigkeiten für Menschen, die keinen russischen Pass annehmen, sind zwei Beispiele dafür. Aber wie lässt sich ermitteln, ob die Einwohner der betroffenen Regionen mit den Besatzern kollaborieren oder sich lediglich aus Angst dem Druck beugen? Eine für Kiew schwierige Frage, wie eine Recherche zeigt, an der unter anderem das ZDF beteiligt war (Quelle hier).

Mehr als 20 Journalisten öffentlich-rechtlicher Sender der European Broadcast Union haben über Monate recherchiert, wie weit die „Russifizierung“ in den besetzten Gebieten vorangeschritten ist. Dabei stellten sie fest, dass immer mehr Ukrainer von Kiew wegen Kollaborationsverdacht angeklagt werden. Es seien unter Anwälten umstrittene Verfahren, schreibt das ZDF, weil sich die Angeklagten oft noch in den besetzten Gebieten befänden und in Abwesenheit verurteilt würden. Und was genau in den betroffenen Regionen passiere, das lasse sich nur schwer überprüfen.

Allein in Saporischschja, so heißt es in dem Bericht, seien derzeit 13 mutmaßliche Kollaborateure angeklagt, in Hunderten Fällen werde noch ermittelt. „Wir haben mittlerweile viele Fälle, in denen die Behörden nicht genau unterscheiden, wann eine Person etwas freiwillig getan hat oder unter physischem oder psychischem Druck gezwungen wurde“, zitiert das ZDF die Rechtsanwältin Antonina Schosta.

Schosta vertritt Ukrainer, denen die Zusammenarbeit mit den Russen vorgeworfen wird. So etwa einen Landwirt, der aus dem besetzten Teil von Saporischschja geflohen war. Ihm warf man vor, dass er den Russen sein Getreide und die Erntemaschinen überlassen habe. Vor dem Krieg war er zudem Mitglied einer prorussischen Partei. Er selbst streitet die Vorwürfe ab: „Ich habe den Russen nichts gegeben, sie haben sich einfach genommen, was sie brauchten.“ Verurteilt wurde er trotz dünner Beweislage.

Kiew, so schreibt das ZDF, betone, dass sie niemanden allein deshalb als Kollaborateur betrachteten, weil er einen russischen Pass angenommen habe. Die Angst vor dem Stigma aber sei bei den Bewohnern der besetzten Gebiete da. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Russland hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax mit dem Hyperschall-Gleitflugkörper Avangard eine weitere strategische Nuklear-Rakete in Dienst gestellt. Die Avangard, die in einer Anlage in der südwestrussischen Provinz Orenburg installiert ist, kann von einer ballistischen Interkontinentalrakete getragen werden und bis zu 27-fache Schallgeschwindigkeit (rund 34.000 Kilometer pro Stunde) erreichen. Mehr hier.
  • Der britische Militärgeheimdienst berichtet von Fortschritten der russischen Armee beim Kampf um die Stadt Awdijiwka in der Oblast Donezk. Vergangene Woche hätten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe auf die abgelegenen Dörfer in der Region fortgesetzt. Russland versuche mit ziemlicher Sicherheit, die Stadt mit einer Zangenbewegung einzukreisen. Mehr im Newsblog.
  • Die Spenden und Hilfen aus Deutschland für die Ukraine sind nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entscheidend für den Wiederaufbau des Landes. „Deutschland wird nächstes Jahr die Wiederaufbaukonferenz durchführen, die international organisiert ist“, sagte Scholz am Donnerstag in Teltow südlich von Berlin. 
  • Die Union hat im Bundestag die Forderung nach einer Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine erneuert. „Das notwendige Ziel, die territoriale Integrität wiederherzustellen, erreicht die Ukraine nur, wenn sie den Stellungskrieg mit unterschiedlichsten Waffensystemen aufbrechen kann“, sagte Florian Hahn (CSU), der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion. 
  • Bei seiner ersten Auslandsreise hat sich der neue britische Außenminister David Cameron in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Bei dem Gespräch sicherte er dem von Russland angegriffenen Land auch für die Zukunft militärische Unterstützung durch Großbritannien zu. 
  • Russland hat eigenen Angaben zufolge in der Nacht mehrere ukrainische Drohnenangriffe über eigenem Staatsgebiet abgewehrt. Insgesamt seien fünf unbemannte Flugkörper über dem westrussischen Gebiet Brjansk und vor der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der russischen Luftabwehr abgeschossen worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. 
  • Nordkorea und Russland wollen ihre Zusammenarbeit weiter intensivieren. Es seien Maßnahmen „zur Wiederbelebung und Ausweitung des vielseitigen bilateralen Austauschs und der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Handel, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie“ diskutiert und bestätigt worden, berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. 

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