zum Hauptinhalt
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu telefonierte nach der Attacke des Iran mit US-Präsident Joe Biden. Das Verhältnis gilt als angespannt.

© Government Press Office/XinHua/dpa/Archive

Nach Irans Attacke auf Israel: Netanjahu darf die internationale Solidarität nicht verspielen

In den vergangenen Wochen wurde Israel für sein Vorgehen in Gaza scharf kritisiert. Nun zeigt sich: Die Solidarität ist weiterhin da. Das sollte der Regierungschef nutzen – auch mit Blick auf den Gazakrieg.

Ein Kommentar von Tilman Schröter

Es könnte eine Chance sein. Eine Chance, die fast verloren gegangene Bereitschaft zur Unterstützung Israels zu reaktivieren. Denn die präzedenzlose Attacke des Iran in der Nacht auf Sonntag hat gezeigt: Die Solidarität der westlichen Alliierten mit dem jüdischen Staat ist nach wie vor existent – auch und vor allem, wenn das Land unter Beschuss gerät.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu kann diesen Moment nun nutzen, um Israels stark lädiertes Ansehen wiederherzustellen. Das könnte er vor allem durch ein planvolles Vorgehen im Gazastreifen.

In den Tagen und Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 war die Anteilnahme, besonders bei den westlichen Verbündeten, groß. Sie übermittelten Unterstützung und Treueschwüre an Israel. Und die Bundesrepublik betonte auf allen politischen Ebenen, dass Israels Sicherheit Staatsräson sei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Bilder der verstümmelten Leichen, die Berichte über brutale Vergewaltigungen durch die Terroristen – sie rechtfertigten in den Augen vieler das Vorgehen im Gazastreifen gegen die Hamas. Natürlich muss Israel sich verteidigen dürfen!

Aber die Bilder der humanitären Katastrophe aus Gaza, die Berichte über den Hunger und das Leid vor Ort – sie brachten dem jüdischen Staat international scharfe Kritik ein, auch vom wichtigsten Verbündeten, den USA. Zum Schluss wirkte es fast, als ob Israel isoliert dastehe.

Durch die Attacke des Iran hat sich etwas verschoben

Durch die Attacke des Iran aber hat sich etwas verschoben. Der Angriff des Mullah-Regimes, das mehr als 300 Raketen und Drohnen nach Israel schoss, wurde vor allem von den westlichen Partnern scharf kritisiert. US-Präsident Joe Biden sicherte unverbrüchliche Solidarität zu. Bundeskanzler Scholz verurteilte die Angriffe hart. Arabische Staaten warnten vor einer weiteren Eskalation. Jordanien schoss gar selbst einige Drohnen und Raketen ab.

Diesen Moment gilt es für Netanjahu zu nutzen. Gerade mit Blick auf die Unterstützungsbekundungen der US-Amerikaner wäre es geradezu strategisch geboten, das Leid der Zivilbevölkerung etwa durch Hilfslieferungen nach Gaza zu lindern und einen konstruktiven Plan für ein zeitnahes Ende des Konflikts und eine Zukunft für den Küstenstreifen zu präsentieren – und die Partner nicht durch eine zu harte Gangart und ideologisch aufgeladene Pläne für Gaza in die Enge zu treiben. Gerade dem notorisch angespannten Verhältnis zwischen Joe Biden und Benjamin Netanjahu könnte das zugutekommen. Und es könnte eine Exit-Strategie für Israel aus dem Konflikt sein.

Israel ist auf die Unterstützung seiner Partner angewiesen, sowohl materiell, etwa durch Waffenlieferungen und Geld, als auch politisch. Aber diese Unterstützung hängt davon ab, wie der jüdische Staat nun auf den Angriff des Irans reagiert. Und dafür hält er alle Karten selbst in der Hand.

Der Iran hat durch die Attacke nichts gewonnen – im Gegenteil. Das Land sieht sich internationaler Kritik ausgesetzt, in den USA werden Stimmen laut, die einen Angriff auf die Nuklearanlagen des Iran fordern.

Und abgesehen von einer tragischen, schweren Verletzung eines siebenjährigen Mädchens hat der Angriff so gut wie keinen Schaden angerichtet. Das könnte bei Irans Stellvertreter-Milizen, etwa der Hisbollah im Libanon, auch als Schwäche interpretiert werden.

Natürlich ist Israel gefangen in der Konfliktlogik des Nahen Ostens, eine Antwort auf die Attacke muss erfolgen. Doch auch hier gilt: Augenmaß schlägt Härte. Der angerichtete Schaden war überschaubar, Israel muss nicht zwingend in die maximale Eskalation gehen.

Ob sich Netanjahu aber vom Druck seiner in Teilen rechtsextremen Koalition befreien kann oder in einen ideologischen Konflikt mit dem Iran mit potenziell katastrophalen Folgen für sein Land und die ganze Region hineinziehen lässt – es liegt bei ihm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false