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Vollbepackte Autos mit Sachen von Flüchtlingen aus Bergkarabach sind in den Serpentinen des Südkaukasus gen Armenien unterwegs.

© dpa/André Ballin

Alle Bewohner nach Armenien geflohen: UN-Mission erreicht menschenleere Region Bergkarabach in Aserbaidschan

Es ist die erste UN-Mission für Bergkarabach seit mehr als 30 Jahren. Sie soll den humanitären Bedarf in dem Südkaukasusgebiet einschätzen. Nur: Die ursprünglichen Einwohner sind weg.

Fast zwei Wochen nach dem Großangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach und der anschließend angekündigten Auflösung der selbsternannten Republik ist nach aserbaidschanischen Angaben eine UN-Mission in der mittlerweile nahezu menschenleeren Kaukasusregion eingetroffen.

Ein Sprecher der aserbaidschanischen Präsidentschaft sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass die UN-Mission am Sonntagmorgen in Karabach angekommen sei, um vor allem den humanitären Bedarf einzuschätzen. Es ist die erste UN-Mission für Bergkarabach seit über 30 Jahren.

Allerdings haben inzwischen nahezu alle der geschätzt 120.000 armenischen Einwohner die Enklave fluchtartig aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans in Richtung Armenien verlassen. In Armenien selbst wohnen 2,8 Millionen Menschen.

Aserbaidschan hatte eine Offensive gegen Armenien gestartet

Um das Gebiet hat es seit Jahrzehnten Kämpfe mit Tausenden Toten gegeben. Vergangene Woche hatte Aserbaidschan eine Offensive gestartet, kurz darauf kapitulierten die Machthaber der international nicht anerkannten Republik, die nun zum 1. Januar 2024 aufgelöst werden soll.

Seit dem aserbaidschanischen Militäreinsatz in Bergkarabach versuchen Zehntausende Menschen die Enklave zu verlassen.

© AFP/Paz Pizzaro und Robin Bjalon

Nach der Niederlage der proarmenischen Kräfte gegen Aserbaidschans Militär hatte die Führung von Bergkarabach am Donnerstag die Auflösung der selbsternannten Republik, die international nicht anerkannt war, zum 1. Januar 2024 verkündet.

Die UN hatten mitgeteilt, von Baku grünes Licht für die Entsendung einer Mission in das Gebiet an diesem Wochenende erhalten zu haben. Die Europäische Union hatte Aserbaidschan am Freitag aufgerufen, UN-Beobachter nach Bergkarabach zu lassen. Die Mission müsse in den kommenden Tagen erfolgen, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel.

Als Folge des aserbaidschanischen Militäreinsatzes vor anderthalb Wochen sei „ein Massenexodus von Armeniern aus Bergkarabach im Gang“. Die Menschen bräuchten dringend humanitäre Hilfe, hieß es.

Armenien hatte Aserbaidschan zuvor eine „ethnische Säuberung“ vorgeworfen. Aserbaidschan weist die Anschuldigungen zurück. „Wir können den Vorwurf der ethnischen Säuberung oder des Völkermords nicht akzeptieren“, sagte der außenpolitische Präsidentenberater Hikmet Hajijew am Samstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.

Es habe „keinen einzigen Fall von Gewalt oder Gräueltaten gegen Zivilisten“ gegeben, sagte Hajijew. Ohnehin sei es falsch, von „armenischen“ Bürgern in Bergkarabach zu sprechen.

Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wurde aber bisher überwiegend von ethnischen Armeniern bewohnt. Diese hatten die Region mithilfe der armenischen Regierung drei Jahrzehnte lang weitgehend kontrolliert.

Am Dienstag vergangener Woche aber hatte Aserbaidschans Militär das Gebiet angegriffen. Einen Tag später stimmten die ethnischen Armenier dort notgedrungen einer Feuerpause zu. Bei dem von Aserbaidschan geführten Militäreinsatz in Bergkarabach wurden nach Angaben des aserbaidschanischen Gesundheitsministeriums 192 eigene Soldaten getötet.

Der Menschenrechtsbeauftragte von Bergkarabach, Gegam Stepanjan, hatte mitgeteilt, dass bei den Kämpfen mindestens 200 Menschen getötet und etwa 400 verletzt worden seien.

Die aserbaidschanische Regierung und auch Russland, das als Schutzmacht Armeniens gilt, hatten erklärt, dass es keinen Grund zur Flucht gebe. Allerdings befürchten die Karabach-Armenier Verfolgung und Gewalt durch Aserbaidschan. (lem)

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