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Gesundheit: Schwächelnde Schulleiter

Bislang reichte es, ein braver Beamter zu sein, um eine Schule zu führen. Nur langsam begreift die Politik, dass das zu wenig ist

Der Fisch stinkt vom Kopf. Das gilt jedenfalls für manche Schulen: „Die Deutschen wundern sich, dass ihre Schulen nicht innovativ sind. Aber wir stellen Leute an die Spitze, von denen die meisten froh sind, wenn nichts Schlimmes passiert“, meint Bernhard Muszynski, Professor am Weiterbildungszentrum der Universität Potsdam. Wer Schulleiter werden will, empfiehlt sich bislang vor allem durch eine „saubere Lehrerakte“, wie Muszynski kritisiert oder gar durch das „richtige“ Parteibuch.

Dabei sind die Schulleiter die Allrounder unter den Lehrern. Sie führen Papierschlachten mit der Verwaltung, schmieden Stundenpläne, entscheiden über Schulverweise. Nach Pisa müssen die Schulleiter außerdem helfen, einen besseren Unterricht durchzusetzen. Auch lässt der Staat die Schulen immer weiter von seinem Gängelband. Mit den neuen Globalhaushalten werden sie zunehmend selbst entscheiden, wofür sie Geld ausgeben wollen. Und sie werden selbst bestimmen, welche Lehrer für sie arbeiten. Die Schulen treten in einen Wettbewerb untereinander ein. Sie entwickeln sich zu mittelständischen Betrieben. Wohl derjenigen Schule, an deren Steuer dann eine Leitung mit Managementqualitäten steht.

Während es in vielen Ländern üblich ist, dass zumindest größere Schulen einen Verwaltungsleiter haben, ist in Deutschland nicht einmal die Weiterbildung der Schulleiter Pflicht. Die meisten Schulleiter denken sowieso: „Ich wäre nicht im Amt, wenn ich es nicht könnte“, meint Muszynski. Die Zahl der „Naturtalente“ unter den Schulleitern schätzt der Professor jedoch nur auf 20 Prozent. Ein Drittel tue seinen Job passabel, aber nicht eben glanzvoll, der Rest sei sogar ziemlich schwach – zum Leidwesen der Schüler.

Ein erster Schritt

Nur langsam wächst die Einsicht der Politiker. In Niedersachsen hat jetzt die Projektgruppe „Arbeitsplatz Schulleitung“ der dortigen Kultusministerin empfohlen, angehende Schulleiter in vorbereitenden und schließlich in berufsbegleitenden Kursen verpflichtend zu unterrichten. In Brandenburg hat Muszynski den Studiengang „Schulmanagement“ ins Leben gerufen. In dem dreisemestrigen postgradualen Kurs sollen Lehrer, die bereits einige Jahre unterrichtet haben, die moderne Schulführung erlernen, berufsbegleitend einmal in der Woche. Das Angebot, das im Frühjahr die ersten Absolventen als Master entlässt, ist in der Region Berlin-Brandenburg einzigartig. Im übrigen Bundesgebiet gibt es nur wenig vergleichbare Studiengänge, so an der Fernuniversität Hagen und in Kaiserslautern.

Die Seminare laufen in Berlin-Mitte, im Palais am Festungsgraben. Die Lehrer, überwiegend zwischen 30 und 40 Jahre alt und von Brandenburger Schulen, haben die 2913 Euro Studiengebühren aus eigener Tasche bezahlt, weil sie in der Schule „was bewegen wollen“, wie Silvia Zindler sagt, die bereits Primarstufenleiterin an einer Gesamtschule war. Der Berliner Lehrer Pit Spieß will wissen, „ob man leiten lernen kann“. Sein Kollege Stephan Koop hofft, dass er sich mit dem Master für eine Leitungsfunktion in der Schule empfehlen kann: „Ich will mit dem Abschluss dem Schulrat auf den Rücken klopfen.“ Die Studenten haben bereits alle ein mindestens zweiwöchiges Praktikum hinter sich gebracht, bevorzugt im Ausland – „um andere Verwaltungskulturen kennen zu lernen“, wie Muszynski sagt. Die Dozenten kommen aus dem Management wie aus der Verwaltung, es sind Praktiker sowie Pädagogik- und BWL-Professoren.

Im Management-Vokabular über Schule reden – das ist für die Pädagogen gewöhnungsbedürftig. „Sie müssen in die Prozesse eingreifen und nicht einfach das Ende abwarten“, empfiehlt Heike Surrey den Pädagogen im BWL-Seminar, wo es um die „Selbstständige Schule“ geht. „Um ein Projekt durchzubringen, müssen Sie auch die Heiligen Kühe schlachten und nicht versuchen, einzelnen Lehrern zu gefallen.“ Mit dem Overhead-Projektor zeigt Surrey einen „idealtypischen Projektverlauf“, spricht über „Effizienzverluste“, „Transparenz“ und die „Rekrutierung von Projektmitarbeitern“.

Muszynski stellt sich den Schulleiter der Zukunft als Fundraising-Experten vor, der sich auf Öffentlichkeitsarbeit genau so gut versteht wie auf Schulmarketing und Personalführung, auf Budgetierung wie auf Schulentwicklung. Als einen, der einen Blick dafür hat, ob etwas gut läuft oder nicht, der das Umfeld seiner Schule kennt, so dass er die örtliche Handwerkskammer mit ins Boot holen kann wie die Kulturszene im Kiez. Wird es solche Schulleiter bald geben?

Hauptsache unbescholten

Muszynski vermisst bei den Politikern in Berlin und Brandenburg Entschlossenheit, Seilschaften und Erstarrung in der Verwaltung verhinderten Bewegung. „Von der Qualifizierung der Schulleiter steht auch in den neuen Gesetzen nichts drin“, sagt er kopfschüttelnd. Würde in den Stellenausschreibungen nach dem Können gefragt, wären seine Studenten heiß begehrt. Doch dazu konnten sich die Politiker nicht durchringen. So überlegt Muszynski, ob er einen dritten Durchlauf des Pilotprojekts wirklich wagen kann: „Wer will es verantworten, die Leute bezahlen zu lassen für etwas, dass ihnen dann doch nichts bringt?“ fragt er. Sollte die Politik sich nicht doch noch eines Besseren besinnen, wird für die Wahl zum Schulleiter eine professionelle Ausbildung auch weiter keine Rolle spielen – es bleibt beim Kriterium des unbescholtenen Beamten.

Mehr zum Thema im Internet:

www.uni-potsdam.de/u/wbz/wib/index.html . Bewerbungen für den Studiengang „Schulmanagement“ sind noch bis Ende Januar möglich. Wbz@rz.uni-potsdam.de

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