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Seit Wochen brennen in Kanada die Wälder, hier ein aktuelles Bild aus Ontario.

© dpa/AP/Ontario Ministry of Natural Resources and Forestry/Uncredited

Waldbrände als Folge des Klimawandels: „Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit“

Was bedeuten die verheerenden Feuer in Kanada und Brandenburg für unsere Zukunft? Kann auf zerstörten Flächen neues Leben wachsen? Fachmann Pierre L. Ibisch schwankt zwischen Hoffnung und Sorge.

Verheerende Zerstörungen großer Waldflächen in Nordamerika, sich rasant ausbreitende Feuer im brandenburgischen Jüterbog – mit derartigen Waldbränden, wie sie derzeit ein Nachrichtenthema sind, und ihren Folgen muss sich die Menschheit in den kommenden Jahren infolge des Klimawandels immer häufiger auseinandersetzen. Das ist die Prognose von Pierre L. Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Feuer sei zwar im größten Waldgebiet der Erde, dem Gürtel der borealen Wälder im Norden Russlands und Kanadas, ein Teil der natürlichen Dynamik und der Erneuerung der Ökosysteme, sagt der Biologe dem Tagesspiegel. „Aber die Häufigkeit, Intensität und Ausdehnung der Feuer hat in der jüngeren Vergangenheit drastisch zugenommen.“

Manche Wissenschaftler sagten daher: „Wir treten ein ins Zeitalter des Pyrozäns, also ins Zeitalter des Feuers.“ Jahrzehnte und Jahrhunderte alte Biomasse werde bei Bränden wie den aktuellen in kürzester Zeit in das Treibhausgas Kohlendioxid umgewandelt. „Studien und Projektionen zeigen deutlich, dass das Risiko zunimmt – und zwar nicht linear, wir sehen eine richtige Eskalation“, sagt Ibisch.

Ein zentraler Faktor sind die veränderten Witterungsverhältnisse. Besonders wichtig sei dabei ein Parameter: „Das Dampfdruckdefizit, also die austrocknende Wirkung der Luft, die mit hohen Temperaturen rasant anwächst.“ Steige dieses Dampfdruckdefizit, wie es derzeit der Fall sei, dann werde den Bäumen und dem Boden, ja der ganzen Landschaft, das Wasser entzogen, dadurch steige die Waldbrandgefahr.

Auch in Deutschland stiegen diese Austrocknungswerte an heißen Tagen. In Wäldern in Brandenburg haben Ibisch und seine Kollegen 2022 im Vergleich zu den Vorjahren einen deutlichen Sprung festgestellt. „Und für dieses Jahr erwarte ich neue Rekordwerte“, sagt Ibisch.

Damit steige auch die Gefahr, kritische Schwellenwerte zu erreichen, die für manche Organismen tödlich sind. „Wenn es dann mehrere Tage nacheinander über 40 Grad heiß ist, steigen immer mehr Bäume aus“, sagt der Wissenschaftler. „Aktuell erleben wir zum Beispiel ein Absterben vieler Birken, eigentlich eine Baumart, die an trockenen Standorten gut zurechtkam – mutmaßlich wird es der Birke jetzt einfach zu heiß.“

Zu den steigenden Temperaturen komme in den letzten Jahren in vielen Regionen eine kumulative Austrocknung hinzu. Es habe zwar in diesem Frühjahr vielerorts einigen Regen gegeben, aber der Niederschlag habe die Defizite nicht kompensieren können, viele Böden seien weiterhin tiefgründig trocken. 

Dazu komme „eine weitere fatale Folge der Trockenheit der Landschaft“: Die mit der Sonnenstrahlung eintreffende Energie werde weniger in latente Wärme überführt, die erst mal im Wasser „weggeparkt“ wird. „Wenn Wasser verdunstet, führt das zu Abkühlung“, sagt Ibisch. „Wenn kein Wasser zum Verdunsten da ist, wird stattdessen ein größerer Anteil der energiereichen Strahlung direkt in fühlbare Wärme umgesetzt.“

Der Rauch der Waldbrände in Kanada verdüstert derzeit den Himmel auch in vielen Regionen der USA.

© dpa/Alex Brandon

Es werde also direkt heißer und dadurch auch noch trockener. Darunter leide die Vegetation von allen Seiten: Die Wurzeln bekommen zu wenig Wasser, und oben trocknen die Pflanzen aus und es steige die Feuergefahr. „Hier kommt also die Klimakrise zusammen mit kumulativen Effekten und einer immer anfälligeren Vegetation.“

Meine Sorge ist, dass großflächig abgebrannte Wälder nicht nachwachsen, wenn es in der Vegetationsperiode zu heiß und zu trocken wird.

Pierre L. Ibisch

Die Folgen der daraus resultierenden Waldbrände sind eines der Untersuchungsgebiete von Pierre L. Ibisch – verbunden mit der sowohl für Nordamerika wie Deutschland wichtigen Frage, ob und wie sich von Feuern zerstörte Flächen wieder erholen können. „Der derzeitige Großbrand in Jüterbog befindet sich sehr nah an unseren Forschungsflächen, auf denen wir die Folgen des Waldbrandes von 2019 untersuchen“, sagt der Biologe. Das Projekt nennt sich „Pyrophob“, also feuerabweisend. „Wir untersuchen mit vielen Forscher:innen von acht Institutionen in Jüterbog die Folgen der Brände ebenso wie in Treuenbrietzen, wo es 2018 und 2022 brannte.“

Interessant sei, dass die Entwicklung nach den Bränden nicht auf beiden Flächen gleich verlaufe. „In Treuenbrietzen sahen wir, dass es schnell eine natürliche Sukzession gab, es stellten sich neue Bäume durch herein gewehte Samen ein, vor allem Beispiel Zitterpappeln, die in drei Jahren schon mehrere Meter hoch wurden, dazu Weiden und Birken.“ Der Boden wurde zudem zusehends durch Moose und krautige Pflanzen bedeckt. „Die Diversität der Pflanzen – und der Tiere auch – war nach dem Brand schnell größer als vorher.“

Die neue krautige Vegetation und die Laubbäume führen zu mehr Schatten, kühleren Temperaturen und damit auch zu einer verbesserten Wasserspeicherung und letztlich auch zu einer geringeren Brennbarkeit. „Das machte uns Hoffnung“, sagt Ibisch. „Was wir hier auch gesehen haben: Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass von Menschen neu angepflanzte Bäume zuverlässig aufwachsen: 80 bis 90 Prozent der neu eingesetzten Pflanzen sind auf vielen Flächen wieder abgestorben.“

Im benachbarten Jüterbog hingegen verlaufe die Entwicklung der Vegetation seit 2019 nicht so schnell wie in Treuenbrietzen. Das macht dem Wissenschaftler und seinem Team Sorgen: „Wir suchen jetzt nach den Ursachen, vielleicht liegt es an der im Laufe der Jahre zunehmenden Trockenheit.“

Man wisse aus anderen Regionen wie zum Beispiel dem trockenen Westen Nordamerikas, dass Wälder nach Bränden unter Umständen nicht wieder zurückkehren. Es kann sein, dass man sich auch in Jüterbog einer solchen Situation nähere. „Meine Sorge ist, dass großflächig abgebrannte Wälder nicht nachwachsen, wenn es in der Vegetationsperiode zu heiß und zu trocken wird.“ Stattdessen stellten sich von Gräsern geprägte Ökosysteme ein, da Gräser robuster sind als Bäume.

Ein Problem sei in diesem Fall auch, dass nach vielen Waldbränden die betroffenen Flächen einfach leer geräumt wurden, was weiter zu einer Erhitzung und Austrocknung beitrage. „Es ist ein schwerer Fehler, die abgebrannten Bäume im großen Umfang wegzuräumen“, sagt Ibisch.

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Stattdessen sollte man die abgestorbenen Baumreste stehen lassen: Sie spenden Schatten und senken die Temperaturen und damit auch das Dampfdruckdefizit, also die austrocknende Wirkung der Luft. „Die toten Bäume wirken auch günstig, wenn sie umfallen, sich langsam zersetzen und dann wie ein Schwamm Wasser speichern sowie den Boden für neues Wachstum bereiten.“

Bis sich nach Bränden wirklich eine feuerabweisende Vegetation herausbildet, dauere es allerdings mehr als drei, vier Jahre. „Zunächst bleibt die Brennbarkeit einer solchen verbrannten Monokultur für einige Jahre erhalten, etwa, weil es viele tote Zweige gibt“, sagt Ibisch. Das ändere sich erst, sobald es wieder genügend wasserhaltige Vegetation gebe.

„Es ist also ein Wettlauf gegen die Zeit, weil in der Zwischenzeit schon wieder neue Feuer auftreten können, wie es etwa 2022 in Treuenbrietzen passiert ist.“ Je ausgedehnter die Brände seien, desto schlechter sei die Situation für ein Nachwachsen neuer Wälder, da die schwarzen Brandflächen zunächst sehr heiß und lebensfeindlich sind und die Austrocknung bei Regenmangel hier noch schneller voranschreitet als im Rest der Landschaft.

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