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Astrid Ohletz ist Gründerin und Inhaberin des Ylva Verlags.

© Ylva Verlag

Ylva-Verlegerin Astrid Ohletz: „In unseren Büchern werden keine Lesben umgebracht“

Der Ylva Verlag veröffentlicht schwerpunktmäßig lesbische Liebesromane. Im Interview spricht Chefin Astrid Ohletz über Happy Ends, E-Book-Verkäufe in Saudi-Arabien und Aufkleber gegen Alice Weidel.

Wie findet Sie die Bücher für Ihren Verlag?
Angefangen hat das Ganze damit, dass ich selber Bücher schreiben wollte. Davon erzählte ich meiner Freundin Jae, die Autorin ist. Sie schreibt auf Englisch und Deutsch und meinte: Wenn du einen Verlag gründest, komme ich mit meinen Büchern zu dir. So ist es gekommen, sie gehört jetzt zu den Bestseller-Autorinnen des Ylva Verlag.

Das hat wiederum andere Autorinnen angezogen, wodurch wir sehr viele Einreichungen bekommen. Mein eigenes Buch habe ich auch veröffentlicht, allerdings ist es dabei geblieben – ich finde einfach keine Zeit, das zweite fertigzustellen.

Ylva setzt in erster Linie auf E-Books.
Ja, ohne den E-Book-Aufschwung genau zur Zeit der Verlagsgründung wäre das mit Ylva gar nichts geworden. Nun ist es völlig egal, wo in Deutschland man sitzt und die Bücher produziert. Zudem haben damals einige amerikanische Verlage zugemacht, die kein Interesse an E-Books hatten. Einige von deren Autorinnen konnte ich dann für uns gewinnen.

Ihr Programm besteht etwa zur Hälfte aus deutschen und englischen Titeln, darunter viele Übersetzungen. Wieso sind die deutschen Autorinnen so rar?
Auch wenn ich dafür sicher abgewatscht werde: Hierzulande gibt es immer noch kein wirkliches Verständnis dafür, dass Schreiben ein Handwerk ist, das man lernen muss. Viel zu häufig denken die Leute: Ich habe eine Tastatur und eine Idee, ergo gewinne ich den Literaturnobelpreis.

Unser Geschäftsmodell ist aber ohnehin ein anderes: Wir veröffentlichen bereits lektorierte Bücher auf Englisch und lassen sie dann übersetzen. So bedienen wir mit einem Buch zwei Märkte. Und wenn ich in den USA einen Bestseller habe, verdiene ich natürlich Zehntausende mehr, als wenn ich in Deutschland in unserem Genre einen Bestseller habe. Übersetzungen aus dem Deutschen funktionieren kaum.

Was wissen Sie über Ihre Leser*innen?
Das ist eine spannende Frage, weil wir unser Publikum ja nur sehen, wenn wir auf Events gehen. Im vergangenen Jahr waren wir etwa auf der Leipziger Buchmesse – ein absolutes Highlight. Wir haben in vier Tagen 1000 Taschenbücher verkauft. Es kamen vor allem junge Frauen an unseren Stand, die uns zu 90 Prozent vorher überhaupt nicht gekannt hatten.

Eine Begegnung war besonders schön: Eine Soft Butch, zwischen 18 und 20 Jahre alt, sagte mir: „Ich bin nur wegen euch hier. Und wenn es eure Bücher nicht gäbe, hätte ich nie mein Coming out gehabt.“ Ich krieg jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Und woher kommen die Einkäufe in Ihrem Online-Shop?
Zuerst natürlich aus den USA, Europa, Australien, aber wir hatten früher auch einige Käufe aus Russland, was inzwischen total weggebrochen ist. Immer wieder sehen wir aber auch Länder wie Saudi-Arabien oder die Philippinen. Auf Liebesromane wird ja oft heruntergeguckt, aber, was wir machen, ist auch politisch. Denn es gibt Leute, die sich nicht in Buchhandlungen oder Bibliotheken trauen. Wir ermöglichen ihnen Zugang zu lesbischen Geschichten.

Ihre Bücher haben eine Art Happy-End-Garantie. Warum ist Ihnen das wichtig?
Es gibt immer noch so viele Bücher, Serien und Filme, in denen Lesben umgebracht werden, Suizid begehen, in die Psychiatrie kommen oder ihre Geliebten am Ende zum Ehemann oder Freund zurückgehen. Es muss nicht kitschig sein, aber ich will, dass unsere Leser*innen wissen: Wir bringen keine Lesben um. In Liebesromanen wird ein Happy End ja auch erwarten. Bei Krimis oder SciFi ist das nicht zwingend, aber es muss zumindest ein positives Ende sein.

Auf Liebesromane wird oft heruntergeguckt, aber, was wir machen, ist auch politisch. Denn es gibt Leute, die sich nicht in Buchhandlungen oder Bibliotheken trauen.

Astrid Ohletz, Verlegerin

Gibt es eigentlich auch trans Figuren in Ylva-Büchern?
Als Nebencharaktere, ja. Ich hätte auch gern Romane mit trans Protagonistinnen, aber das hat sich bisher noch nicht ergeben. Ich frage unsere Autor*innen nicht wie sie sich identifizieren – ich sage nur, ich möchte Frauen veröffentlichen und diskriminiere da nicht. Von einer Person, die für uns schreibt, weiß ich zum Beispiel, dass sie nicht-binär ist. Was mir Sorgen macht: Viele Autorinnen trauen sich nicht mehr, bestimmte Sachen zu schreiben.

Was zum Beispiel?
Sie trauen sich nicht, trans Figuren zu schreiben, wenn sie selbst nicht trans sind. Weiße wollen lieber keine nicht-weißen Figuren schreiben. Das finde ich wirklich schlimm, weil wir so zu nicht zu mehr Diversity kommen. Wenn eine Autorin bei uns ein Manuskript mit Charakteren aus einem anderen Kulturkreis einreicht, erwarten wir von ihr, dass sie das vorher einem Sensitivity Reader gibt, also jemandem der/die sich damit auskennt. Wir können das leider nicht bezahlen, aber es gibt ja diese Möglichkeit.

Oder man findet Autorinnen aus anderen Kulturkreisen.
Ja, das machen wir auch. Gerade haben wir mit einer chinesisch-amerikanischen Autorin unterschrieben und mit einer muslimischen Südafrikanerin, die einen Liebesroman geschrieben hat, in dem es um Religion und Identität in Südafrika geht. Sie schreibt unter Pseudonym, wollte auch kein Foto von sich veröffentlichen.

Ich erwarte, dass das in Amerika total floppt, aber ich möchte es gerne ins Deutsche übersetzen. Ich würde mir auch bei uns türkischstämmige, queere Autorinnen von Liebesromanen wünschen.

Ylva hat auch Aufkleber mit der Aufschrift „Lesben gegen Alice Weidel“ produziert und verteilt. Wie kam es zu der Aktion?
Das Original kam von einer anderen Gruppe, wir haben den Aufkleber dann mit deren Einverständnis grafisch etwas verschönert und seit etwa fünf Jahren bei Veranstaltungen dabei. Ich hätte nicht gedacht, dass wir in Deutschland mal so was erleben, was wir jetzt mittlerweile erleben. Deshalb zeigen wir, wo wir können, ganz klar Kante. Leider sind in unserer Szene ja auch nicht alle Leute so offen, wie man das eigentlich von Minderheiten-Angehörigen meinen könnte.

Was bedeutet eigentlich der Name Ylva?
Das ist Alt-Schwedisch für Wölfin. Eine gute Freundin von mir aus Norwegen heiß so. Durch sie kam ich drauf. Ich dachte, dass es gut passt, weil viele Frauen eine Affinität zu Wölfinnen haben und dann auch gleich das Logo klar war. Inzwischen habe ich allerdings festgestellt: Ein Verlagsname, der im Alphabet ganz hinten steht, führt leider oft dazu, dass man erst ganz hinten genannt wird. Außerdem wissen viele nicht, wie man das ausspricht – aber jetzt bleiben wir dabei (lacht).

Haben Sie noch einen Frühjahrsbuchtipp?
„Genau vier Schritte“ von Wendy Hudson. Das ist ein Krimi, der in Schottland spielt, teils in Glasgow und teils in den Highlands. Er ist jetzt auf Deutsch bei uns erschienen, es gibt auch eine Liebesgeschichte – und niemand stirbt, auch nicht der Hund.

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