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Glänzende Zeitzeugen. Das schöne Museum "Alte Posthalterei" ist interessant und liebevoll bestückt.

© Stadtverwaltung Beelitz

Beelitz, ein Städtchen putzt sich heraus: Wo ordentlich Schmiergeld gezahlt wurde

Die Landesgartenschau bringt Beelitz in diesem Jahr viel Aufmerksamkeit. Wer hinfährt, sollte unbedingt auch durchs hübsche Städtchen spazieren.

Die Störche haben ihr Nest in der Altstadt von Beelitz längst bezogen. Am 31. März sind sie, wie eine Tafel ausweist, bereits eingeflogen. Im vergangenen Jahr kam der erste Vogel am 13. April, der zweite erst fast zehn Tage später. Das Paar hatte nicht ein einziges Junges aufgezogen, das wird in diesem Jahr hoffentlich anders sein. Ungestört die Tiere: Zahlreiche Menschen besuchen die Landesgartenschau, doch nur wenig verirren sich ins Städtchen hinein.

Im Rathaus (rechts) wurde sogar mal ein „Polizeiruf“ gedreht. Im Hintergrund die "Alte Posthalterei" .

© Stadtverwaltung Beelitz

Wir treffen Isolde Komm, unsere Stadtführerin, vor dem schmucken, rot gestrichenen Rathaus. Es liegt gleich neben dem Kirchplatz mit dem stattlichen Gotteshaus. 1340 war hier eine Wunderblutkapelle errichtet worden, zu der zahlreiche Gläubige pilgerten. Um 1517, dem Jahr von Luthers angeblichem Thesenanschlag, versuchte der Dominikanermönch Johann Tetzel („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“) hier Ablassbriefe zu verkaufen. Viele soll er nicht losgeworden sein. Die Reformation kündigte sich auch in Beelitz an, obwohl die Wunderblutwallfahrten erst 1529 endeten.

In St. Marienkirche versuchte Johann Tetzel Ablassbriefe zu verkaufen - mit mäßigem Erfolg.

© Stadtverwaltung Beelitz

Vor der Kirche steht eine mächtige Eiche, 150 Jahre alt soll sie sein. Eine zweite, gepflanzt am Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, hat hingegen noch ein zartes Wurzelwerk. Früher hätte auf dem Platz noch ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gestanden, berichtet Isolde Komm. Aber das sei, entgegen einiger Proteste, 1947 entfernt worden.

Natürlich muss man in die „Alte Posthalterei“, ein liebevoll eingerichtetes Museum im originalen Postgebäude von 1789. Hier wurden einst Pferde gewechselt, Passagiere stiegen in die Kutschen, Postsäcke wurden verladen. Friedrich Wilhelm I hatte 1723 verfügt: „ … sollen die Posten anlegen in Preußen von Ort zu Ort ich will haben ein landt das kultiviret sein soll da höret Post dazu.“ Beelitz war eine mustergültige Station, an der ordentlich Schmiergeld verlangt – und auch bezahlt wurde. Anhand von Bildern kann man sich die akkurate Dienststube vorstellen – und auch das Gewusel in der engen Passagierstube. Zu den Exponaten gehören auch historische Posthörner und eine im Original erhaltene Postillionsuniform. Eindrücke vom Reisen mit der Kutsche werden mittels Hörstationen nahegebracht.

Besucher aus Westdeutschland sind begeistert: "Keine Bausünden"

Wir spazieren durch die Gassen des Ortes, gehen an vielen restaurierten Häusern mit auffallend großen Scheunentoren vorüber. Zahlreiche Fassaden sind pastellfarben getüncht und schmuck, alles wirkt geputzt und gepflegt. Ein Urlauberpaar aus dem Schwarzwald ist beeindruckt. Keine Bausünden! „Im Westen wurde ja in den 70er Jahren so viel abgerissen“, sagt der Mann.

In Beelitz wurde vieles bewahrt. Sogar das „Deutsche Haus“, nach langen Jahren des Leerstands traurig anzusehen, konnte 2019 wieder eröffnen. Der einstige Festsaal mit Stuckdecke und Jugendstilornamenten glänzt wieder. „Nach dem Krieg standen hier Schauspieler aus Potsdam und Berlin auf der Bühne“, erzählt Isolde Komm. Gage hätte es für sie nicht gegeben, dafür ein warmes Essen. Damit müssen sich Musikanten und Mimen heute nicht mehr zufriedengeben, die kommenden Veranstaltungen sind gut gebucht.

In der Mauerstraße gibt es noch die „eigene Maß- und Reparaturwerkstatt von Wilhelm Riese“, Anno 1798. Das Tolle: „Dort ist wieder ein Schuster eingezogen“, sagt die Stadtführerin. Innen sei vieles noch wie früher. Wir würden gern hineinschauen, aber jetzt, nach 17 Uhr, hat der Schuhmacher natürlich schon Feierabend.

Einkehr im historischen Gasthaus mit Hofgarten

Nur wenige Schritte weiter befindet sich die „Alte Brauerei“ in der Mühlenstraße, Tradition seit 1650 (!). Bier wird hier nicht mehr gebraut, aber ausgeschenkt. Dass sich das Gasthaus mit dem schönen Hofgarten erhalten konnte, ist ein Glück. Gegen Ende der DDR-Zeit verfiel der Komplex, obwohl er damals bereits auf der Denkmalliste stand. Doch Baumaterial war rar. Nach der Wende kümmerte sich der Urenkel um das Anwesen, nach und nach wurde das Ensemble instandgesetzt und restauriert. Das Saisonlokal ist zweifellos der schönste Ort zur Einkehr in Beelitz.

Hat man die Altstadt durchquert, ist man mit wenigen Schritten in ländlicher Idylle. Weit kann der Blick über eine offene Feld- und Wiesenlandschaft schweifen. Womöglich sind dem Lehrer Bernhard Elsler hier seine Verse eingefallen: „Im Nieplitztal das Grüne Band, auf Spargelfeldern der lose Sand, die raunenden Wälder meilenweit, das ist des Beelitzers Freud und Leid, und diese Heimat ist es wohl wert, daß man sie achte und verehrt.“ Seine gereimte Liebeserklärung ist vor der Diesterweg Grundschule auf einer Metallplatte im Boden eingelassen.

Im Alten Elektrizitätswerk kann man heute wohnen.

© Hella Kaiser

Beelitz hatte nicht nur mit seinen Lehrern Glück, sondern offenbar auch mit den Bürgermeistern. Einer hieß Gustav Nürnberg, der Ende des 19. Jahrhunderts Häuser mit „gesunden“ Wohnungen propagierte, und den Bau von Krankenhaus und Elektrizitätswerk verfügte. Das alte E-Werk an der Nürnbergstraße zeigt, wie attraktiv man Industrie früher verpackte. Heute kann man in dem Gebäude sogar wohnen, die „Pension Pauline“ bietet angenehme Gästezimmer an.

Schnitzel von glücklichen Tieren

Am Ortsrand, gegenüber der Grundschule, existiert ein weitläufiges Industriegelände, an dem noch „Struik Foods“, der Name einer holländischen Firma prangt. „Die ist längst nicht mehr da“, sagt Isolde Komm. Zuvor, zu DDR-Zeiten, wurde auf dem weitläufigen Areal Marmelade und Pflaumenkompott zusammengerührt. „Für die Beelitzer war es immer die Musbude, und so nennen sie den Ort heute noch“, sagt Komm. Bald werden auf dem Gelände wohl Wohnungen entstehen. Eine gute Sache, findet die Stadtführerin, dann müsste man nicht anderswo Flächen versiegeln.

Jetzt, gegen 18 Uhr, wirkt das Städtchen still und verträumt. „Wie ein Dorf“, sagt Isolde Komm. Auch die Fleischerei Becker am Kirchplatz ist jetzt geschlossen. Stolz haben sie drinnen ein handgeschriebenes Plakat aufgehängt: „Wir schlachten noch selbst! Jeden Dienstag. Das Vieh kommt aus unserer Umgebung, kurze Transporte. Kein Stress für die Tiere. Frische Ware aus allererster Hand!“ Passt. Für viele darf neben dem Spargel gern ein gutes Schnitzel auf dem Teller liegen.

Auskunft und Anmeldung zu Stadtführungen telefonisch: 033204/39154 oder per E-Mail: museen@beelitz.de

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