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Panorama: Die Verurteilte ist gegen Kaution auf freiem Fuß

Oberlandesgericht ordnet Haftverschonung an. Die Entlassung ist bis zur Revision gültig.

Oberlandesgericht ordnet Haftverschonung an. Die Entlassung ist bis zur Revision gültig.Heike Borufka

Als Monika Böttcher die Nachricht aus dem Radio erfuhr, da konnte sie ihre Freude "mit niemanden teilen", denn die Zellentür war geschlossen. Stunden später, kurz vor 17 Uhr, verließ die 41-Jährige nach vier Wochen Haft das Frauengefängnis in Frankfurt-Preungesheim. Zumindest vorübergehend. Denn nach zähem, wochenlangem Ringen hat das Oberlandesgericht gestern Haftverschonung für Frau Böttcher angeordnet. Die am 22. Dezember wegen Mordes an ihren Töchtern Melanie (7) und Karola (5) erneut zu lebenslanger Haft Verurteilte betrat am Nachmittag ungewohnt strahlend an der Seite ihrer beiden Hamburger Rechtsanwälte ein Frankfurter Nobelhotel. Wie während des gesamten Prozesses wurde die schlicht gekleidete, blonde Frau mit Blitzlichtgewitter empfangen.

Das Interesse der Medien will auch 13 Jahre nach dem Mord an den Weimar-Mädchen im osthessischen Philippsthal nicht nachlassen. Doch diesmal genoss sie es sichtlich. "Es ist schon toll, wieder in Freiheit zu sein", sagte sie mit ihrer schüchternen, hohen Stimme. Und sie kündigte an, zuerst ihre Mutter und ein paar Freunde anrufen zu wollen. Die Aussicht, dass sie wieder zurück ins Gefängnis muss, wenn der Bundesgerichtshof ihre Revision auch diesmal verwerfen wird, sei nicht so schlimm wie die Stunden in einer Zelle. "Warten in Freiheit ist nicht ganz so angespannt wie in Haft", sagte Monika Böttcher. Doch egal, wo sie sei, ihre Meinung, ihre Gedanken und Gefühle, die lasse sie sich sowieso nicht nehmen, erklärte sie beinahe kämpferisch. Auch nicht von dem Vorsitzenden der Frankfurter Strafkammer, Heinrich Gehrke, der sie kurz vor Weihnachten zu lebenslanger Haft verurteilt und sie sofort ins Gefängnis geschickt hatte.

Wie es das Gesetz vorsieht, haben er und seine Kammerkollegen die Briefe der Inhaftierten kontrolliert und bestimmt, wer sie in der Haft besuchen durfte. Als "ein bisschen Schikane" empfinde sie, dass Gehrke Briefe von ihr beschlagnahmte, in denen sie sich negativ über ihn geäußert habe. Nun prüfe er, ob darin Beleidigungen steckten. Deutlich freundlicher äußerte sich Monika Böttcher über ihre Mitgefangenen: "Die haben mich freundlich und fürsorglich aufgenommen. Auch das Personal, das mich noch von damals kennt, war zum Teil sprachlos über die Verurteilung." Wie es allerdings für sie weitergehen wird, bevor der Bundesgerichtshof frühestens in einem Jahr über die Revision gegen den dritten Urteilsspruch im Mordfall Weimar entscheidet, das weiß Monika Böttcher noch nicht. "Ich muss jetzt langsam mein Leben wieder selbst regeln", sagte sie, bevor sie mit ihren beiden Hamburger Anwälten, einer Freundin und Bekannten zur Bar des Hotels ging.

Ihre Rechtsanwälte hatten sich gestern nicht lumpen lassen und waren eigens für diese Pressekonferenz aus Hamburg an den Main gereist. Es war fast so, als hätten sie nach der großen Schlappe am Ende des dritten Weimar-Prozesses dringend einen Erfolg nötig. Und den gab es in ihren Augen gestern zu verkünden: "Wir sind dem Oberlandesgericht dankbar, daß der durch das Landgericht Frankfurt beschädigte Ruf der Justiz wieder rehabilitiert worden ist", sagte Verteidiger Gerhard Strate und warf den Richtern vor Fehler bei der Behandlung von Böttchers Haftbeschwerde vor.

Das Oberlandesgericht hatte gestern mittag Haftverschonung für die 41-Jährige angeordnet. Die höchsten hessischen Richtern hatten es aber abgelehnt, den Haftbefehl aufzuheben. Auch eine Fluchtgefahr bezeichneten sie als "nicht ganz fernliegend oder ausgeschlossen". Deshalb musste Monika Böttcher eine Kaution von 100 000 Mark hinterlegen. Das Geld hat sie nach Auskunft ihrer Anwälte von einer Freundin und deren zwei Brüdern erhalten, die dafür einen Kredit aufgenommen hätten. Außerdem muss sich Böttcher regelmäßig bei der Polizei melden und ihren Pass abgeben. Sie darf die Bundesrepublik nicht verlassen und ihren Frankfurter Wohnsitz nicht verändern. Böttcher wird, so ihr Anwalt Strate, zunächst einmal weiter von 1400 Mark Arbeitslosengeld leben, die sie monatlich erhält. Und auch mit einem vierten Prozess könnte sie leben. Gestern betonte Monika Böttcher noch einmal: "Ich weiß, dass ich meine Kinder nicht umgebracht habe und kann mit meinem Gewissen leben" - und das werde sich auch dann nicht ändern, wenn der Bundesgerichtshof, wie zu erwarten ist, den Frankfurter Schuldspruch bestätigen wird.

Heike Borufka

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