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Moderne Antiheldin: Helene (Mala Emde, rechts) stolpert von einem vermasselten Job zur nächsten zwischenmenschlichen Katastrophe. Dabei wäre sie gerne so wie ihre Freundin Maike (Salka Weber).

© Xiomara Bender, good friends Filmproduktions

Mala Emde in der Serie „Oh Hell“: Widewidewitt, wie sie mir gefällt

Mala Emdes Serienfigur Helene würde die Welt gerne nach ihren eignen Wünschen gestalten. Doch leider fehlt ihr dazu etwas Wesentliches.

Wenn von Helene gesprochen wird, dann heißt es im besten Falle, sie sei „anders“. Selbst Maike, ihre Freundin seit Kindertagen, beschreibt sie so. Dabei würde sich die 24-jährige Helene – kurz Hell genannt – vor allem wünschen, dass es ihr egal ist, was ihre Umwelt mit „anders“ meint. Am liebsten würde sie als spannende Künstlerin angesehen werden. Aber tatsächlich klingt „anders“ für sie so, als würde damit ein Kind gemeint, dem Essen aus dem Mund fällt.

Hell ist die Titelfigur einer achtteiligen Dramedy-Serie des Telekom-Streamingdienstes MagentaTV und von Warner TV Comedy. Außerhalb Deutschlands läuft die Serie bei HBO Max. Mit „Oh Hell“ - so lautet der Titel dieser Serie mit Schauspielerin Mala Emde - verhält es sich ebenso wie mit der Bezeichnung „anders“: Helene würde sich wünschen, dass es als Ausdruck des Entzückens gemeint ist. Doch die Realität sieht anders aus.

[„Oh Hell“, acht Teile, MagentaTV und für sechs Monate bei Warner TV Comedy]

Denn diese junge Frau ist die zeitgemäße Inkarnation einer Antiheldin in einer Welt, in der Selbstoptimierung und eine möglichst perfekte Darstellung in den sozialen Medien schon beinahe ein Schulfach geworden ist.

Creator dieser ungewöhnlichen und turbulenten Coming-of-Age-Geschichte ist Drehbuchautor Johannes Boss. Einst entwickelte er mit Christian Ulmen den Web-TV-Sender ulmen.tv und war Chefautor von „Stuckrad Late Night“. Boss schrieb am Drehbuch zu „Er ist wieder da“ mit und wirkte zudem an „Jerks“ mit Ulmen und Fahri Yardim mit. Ungewöhnlich auch die Zusammenarbeit des Regieduos Simon Ostermann und Lisa Miller.

Freundin Maike (Salka Weber) ist kurzum das, was Helene stets zu sein trachtet, aber nie erreicht. Maike ist polyglott, empathisch, hat einen gigantischen Followerkreis und sieht auf lässige Art umwerfend aus.

Die Freundin als „eine lebende Utopie“

Maike nennt Helene „eine lebende Utopie“. Denn Helene will nicht akzeptieren, dass es im Leben nicht nur Menschen auf der Überholspur des Erfolgs gibt. Helene ist in dieser Hinsicht wie Pippi Langstrumpf. Auch sie sagt: „Ich mache mir die Welt, widewidewitt, wie sie mir gefällt.“ Bloß dass Helene weder Superkräfte noch eine Tasche mit Goldstücken oder einen Südsee-König als Vater hat. Obwohl Helenes Vater eigentlich ein ganz toller Vater ist. Er hat nie aufgegeben, an sie zu glauben. Trotz allem, und davon gibt es genug.

[Amazon, Netflix, Sky - die besten Serienstarts im März]

Wenn Maike sagt, dass sie es toll findet, wie Helene sich immer wieder etwas Neues vorstellen kann, klingt das ja noch einigermaßen positiv. In der Praxis ist das jedoch häufig nur eine Umschreibung dafür, dass sie in ihrer übersprudelnden Fantasie das Blaue vom Himmel herunterlügt.

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Produzentin Anke Greifeneder spricht von einer sehr freien Interpretation der Wahrheit. Würde es Mala Emde nicht so hinreißend gelingen, die sympathischen Züge von Helene herauszuarbeiten, käme man vor lauter Fremdschämen gar nicht zum Weiterschauen. Und Helene müsste jede auch noch so kleine Hoffnung, dass aus der von ihr herbeigesehnten Beziehung mit ihrem Cello-Lehrer Oskar (Edin Hasanovic) etwas werden könnte, im Ansatz begraben.

Dabei ist Helene das personifizierte Prinzip Hoffnung. Denn eigentlich wünschen sich beinahe alle Menschen um sie herum – und das gilt genauso für die Zuschauer - , dass sie zumindest einmal das erreicht, was sie in ihren Tagträumen schon längst lebt.

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