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Thomas Schubert.

© MDR/ORF

TV-Drama: Wer war mein Vater?

Im ARD-Fernsehfilm "Am Ende eines Sommers" erfährt ein Abiturient eine ungeheure Wahrheit. Er ist das Resultat einer Vergewaltigung.

Was tun, wenn das eigene Leben auf einer Lüge basiert? Besser gesagt, auf einer Lüge, die die Eltern mit auf den Weg gegeben haben? Der 18-jährige Ben hat gerade die Schule abgeschlossen, große Abschlussparty im Sommer, große Berufspläne, eine neue Freundin, ein Leben liegt vor ihm. Wäre da nicht der Tod des Großvaters, den Ben schon lange für tot hielt. Eine Geschichte kommt ans Licht , die Bens ganze Kindheit in Frage stellt: die romantisierende Geschichte, die ihm seine alleinerziehende Mutter, die Physiotherapeutin, Sylvia (Julia Koschitz) immer erzählt hat. Vom netten, geheimnisvollen Fremden, der ihr in einer Nacht auf der Durchreise, irgendwo in Italien, ein Kind geschenkt habe.

Von wegen geschenkt, von wegen, Ben ist ein gewolltes Kind. Die Wahrheit ist: Sylvia wurde mit 16 Jahren, am Ende eines Sommers, brutal vergewaltigt. Mehr will die Mutter ihrem Sohn nicht sagen, als Ben sie zur Rede stellt. Der Junge nimmt den Tod des Großvaters, den seine Mutter ihm am liebsten verschweigen möchte, zum Anlass für eine Reise in die Vergangenheit. Er will den Teil seiner Familie aufsuchen, der ihm jahrelang vorenthalten wurde.

Was will der Junge: Rache üben?

Ben macht sich auf die Spuren eines Täters, der sein Vater ist. Die Autoren Nikolaus Leytner und Agnes Pluch, und das ist eine der Stärken des Films, halten den Zuschauer lange im Unklaren darüber, was Ben eigentlich von seinem Vater will. Rache üben? Eine Entschuldigung hören? Liebe einfordern? Wie findet seine Mutter das, was denkt er? Ben weiß es offenbar selber nicht. Der österreichische Shootingstar Thomas Schubert („Das finstere Tal“) gibt der Wut dieses zornigen, verlorenen, jungen Mannes genug glaubhaften Raum zwischen jugendlicher Unangepasstheit und Aufbruch ins verständige Erwachsenwerden, voller widersprüchlicher Gefühle zwischen Sanftheit, Aufbruch, Verletzung, Neugier und Sehnsucht. Julia Koschitz spielt seine stolze Mutter, ein starkes, scheues Reh, das gelernt hat, seine Wunden zu verbergen und nun mit der Decouvrierung des Geheimnisses sowie ihrer eigenen Beziehungsunfähigkeit umgehen muss.

Ein starkes Erwachsen-Werden-Drama, das nicht immer den richtigen Ton findet, gelegentlich an der Schwelle zum Genre-Kitsch steht, gerade auch in den Momenten der Entscheidung, der Wiederentdeckung des Vaters, zwei Männer auf einem einsamen Bauernhof. Es gewittert, wie damals bei der Vergewaltigung. Am Ende des Sommers ist Ben auf jeden Fall ein anderer. meh

„Am Ende eines Sommers“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15

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