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Moderatorin Anne Will führt durch die Talkshow „Anne Will“ im Ersten.

© dpa/Wolfgang Borrs

Meisterin des Politiktalks: Anne Wills Abschied vom Sonntagabend schmerzt

Anne Will hat angekündigt, zum Jahresende aufzuhören. Damit zieht sich eine wahre Könnerin von der Bühne der politischen Talkshows zurück.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Das ist ein Abschied, an den man sich langsam gewöhnen kann – oder den man als umso schmerzlicher empfindet, je näher er rückt: Anne Will hört mit ihrem sonntäglichen Polittalk zum Jahresende auf.

Es wird also noch rund 30 Sendungen geben, bei denen die Zuschauerinnen und Zuschauer, je nach Verlauf und Stimmungslage, sagen können: Jetzt reicht’s! – oder eben: Wie schade.

Anne Will macht ihre Sendung seit 2007, seit 2016 wieder am Sonntagabend, zwischendrin war sie durch Günther Jauch von diesem Primetime-Platz auf den Mittwoch weggedrückt worden. Im Schnitt schauen 3,4 Millionen Menschen zu, mein Kollege Joachim Huber hat im Tagesspiegel die Geschichte dieser so erfolgreichen Politiksendung erzählt.

Polittalks gibt es viele, jedes erfolgreiche Produkt hat seine Nachahmer. Was ist an Anne Will über all die Jahre besonders geblieben? Was ist ihr, um in die Werbesprache abzuschweifen, usp, ihr unique selling point? Hier ein paar höchst subjektive Begründungen eines Langzeit-Will-Süchtigen:

Anne Will spielt sich nie in der Vordergrund – gut so

Anne Will ist Profi. Sie spielt sich, im Gegensatz zu anderen Politikmoderatoren, nie in den Vordergrund. Nie würde man bei ihr erleben, dass sie, mit vor Erregung wippenden Füßen, einen angesprochenen Gast mit einem Blick wie ein Raubtier fixiert, das sich seiner Beute sicher ist.

Wer hier Gast ist, wird als Gast behandelt und nicht als Opfer – was aber niemals bedeutet, dass Anne Will nicht hart und kritisch nachfragt. Wer hier am Ende überzeugt hat, entscheiden der Gast selbst und das Publikum, nicht aber die Moderatorin.

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Das Setting der Sendung ist nicht auf Konflikt ausgelegt. Die Gäste sitzen bequem, aber in leichter Distanz. Die Abstände verhindern jede über das Verbale hinausgehende Konfrontation. In anderen Talkrunden sitzen die Gäste entweder aufgereiht wie die Schüler beim Examen oder zu dicht nebeneinander.

Bei Anne Will hat die Moderatorin keinen herausragenden Platz. Sie kann sich in ihren Sessel lümmeln, was sie auch tut, als gebe sie nichts als Stichworte. Das bequeme Ambiente könnte verwischen, wer hier die Chefin ist. Dafür, dass das niemand vergisst, sorgt Will schon selbst, auch wenn sie ihren Gästen gerne die lange Leine lässt.

Keine Talkerin und kein Polittalker im deutschen Fernsehen wird aus dem Hintergrund so dezent und professionell von der Redaktion gestützt und manchmal auch geführt wie Anne Will. Im Knopf im Ohr sitzen hier wahre Profis. Manchmal merkt man das. Gut so.

Anne Wills Sendung hat fast immer einen guten, die Spannung steigernden Einstieg. Einer zum Beispiel blieb vom November 2021 bis heute in Erinnerung. Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Fälle und der Zerstrittenheit der Politik über das weitere Vorgehen begann Anne Will mit einem Zitat des RKI-Präsidenten Lothar Wieler. Es lautete: „Wie viele Menschen müssen denn noch sterben?“

Die nächste Sendung „Anne Will“ ist am Sonntag, 15. Januar, um 21:45 Uhr. Gäste unter anderem: die Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang, NRW-Innenminister Herbert Reul, Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer und Klimaforscher Mojib Latif.

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