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Medien: „Ich mag Krankenhausserien“

Die Moderatorin und Ex-Politikerin Andrea Fischer über Politiker in Talkshows, Gefühlsausbrüche und die Wahrheit

Frau Fischer, wenn Sie abends den Fernseher einschalten, was sehen Sie da am liebsten?

Natürlich gucke ich Nachrichten und die anderen Talkshows. Am liebsten nutze ich das Fernsehen zur Unterhaltung. „Wolffs Revier“ mag ich sehr und, na ja, Krankenhausserien.

Sind das die Nebenwirkungen Ihres ExJobs als Gesundheitsministerin?

Nein, diese Serien mochte ich schon immer. Als Ministerin habe ich mir sogar gewünscht, ich dürfte da mal eine Gastrolle spielen. Das wäre doch witzig gewesen!

Angesichts der aktuellen politischen Diskussionen: Wäre es nicht Zeit für die Rückkehr zu einer Rolle in der realen Gesundheitspolitik?

Ganz klar: Nein.

Sind Sie überhaupt noch Mitglied bei den Grünen?

Ja, aber mehr auch nicht. Das hat mit meinem neuen Beruf zu tun. Ich denke, dass Journalisten durchaus politische Meinungen oder Präferenzen haben dürfen. Aber es sollte eine klare Trennung geben zwischen der kritisch-fragenden Seite und der aktiv-eingreifenden. Am Anfang haben bei mir alle gedacht, dass ich im „Grünen Salon“ als Politikerin Politiker befrage. Es hat schon eine Weile gedauert, bis klar war, dass ich die Seiten gewechselt habe.

Aber eine Linke sind Sie doch noch, auch als Gastgeberin einer Talkshow?

Ich habe mich mein ganzes Leben lang als Linke gesehen, aber ich würde mich in meiner Rolle als Talkshow-Gastgeberin trotzdem nicht rechts oder links einordnen. Ich bin extrem konservativ in Fragen der Gentechnik, bei bestimmten sozialen Fragen bin ich links-konservativ, und dann gibt es Sachen, wo ich eher liberal denke. Ich genieße es sehr, jetzt politisch ganz frei denken zu können. Ich kann jeden Tag meine Meinung ändern, ohne dass mir jemand daraus einen Vorwurf macht. Und ich muss auch gar nicht mehr zu allem eine Meinung haben.

Frauen haben es immer noch schwerer als Männer, in gute Positionen zu kommen. Glauben Sie, dass Sie den Job als Moderatorin beim „Grünen Salon“ ebenso schnell bekommen hätten, wenn Sie ein Mann gewesen wären?

Wenn ich als Mann eine ähnliche Persönlichkeit geworden wäre, halte ich das für denkbar. Es ist ja eher unwahrscheinlich, dass ich wegen meines bahnbrechend guten Aussehens genommen wurde. Ich glaube, der Hauptgrund ist, dass ich als Politikerin eher ungewöhnlich war und man mir deshalb auch den Job als Talkmasterin zugetraut hat.

Welche Erfahrungen aus Ihrem politischen Leben können Sie als Talkmasterin gut gebrauchen?

In der Politik lernt man, dass das gesprochene Wort nicht das Letztgültige ist. Diese Vorsicht dem gegenüber, was da jemand voller Überzeugung sagt, hilft dem kritisch Fragenden, sich nicht einlullen zu lassen…

.…und welche Erfahrungen nicht?

Das Bedürfnis, das bei einem Politiker zwingend ausgeprägt sein muss: sich in Szene setzen, sich präsentieren. Jetzt, als Fragestellerin, muss ich mich ja ganz zurücknehmen.

Wie haben Sie selbst den Wechsel von der Befragten zur Fragerin empfunden?

Der Rollenwechsel ist mir leichter gefallen, als ich erwartet hatte. Das lag daran, dass mein Abschied vom Dasein als Berufspolitikerin vollkommen abgeschlossen war.

Sie bekommen in Ihrer neuen Rolle fast nur positive Kritiken. Was machen Sie anders als Christiansen, Illner, Maischberger oder Bauer?

Wir machen etwas, was es sonst im deutschen Fernsehen nicht gibt. Zwei Leute fragen, das ist für den Gast eine ganz neue Herausforderung. Dazu ist die Atmosphäre im Studio sehr wichtig. Es gibt da eine ganz unmittelbare Beziehung zwischen uns, dem Gast und dem Publikum. Außerdem sind Claus Strunz und ich ein sehr gutes Team.

Hätten Sie sich das mal träumen lassen, dass Sie sich mit dem Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ so gut verstehen würden?

Anfangs war ich auch sehr skeptisch. Claus Strunz kam sehr kurzfristig zum „Grünen Salon“, wir haben uns einen Tag vor der ersten Sendung überhaupt zum ersten Mal getroffen. Aber wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Wir ergänzen uns sehr gut, es macht viel Freude, mit ihm zu arbeiten.

Wie wahr sind die Antworten, die Politiker in Talkshows geben?

Jeder Politiker hat genau im Kopf, was er in einer Talkshow sagen darf und was nicht. Trotzdem, durch die Interaktion bekommt der Zuschauer mehr mit als die gesprochenen Worte. Wie reagiert er auf diese Frage? Ist er sicher bei dem, was er sagt? Auch wenn der Politiker glaubt, er hat seine Position gut rübergebracht, kann die Wirkung beim Publikum eine ganz andere sein.

Würden Sie sich heute, nachdem Sie hinter die Kulissen des TV-Betriebes geschaut haben, als Politikerin in der Öffentlichkeit anders verhalten?

Das glaube ich nicht. Ich habe als Politikerin schnell erkannt, dass meine größte Stärke auch meine größte Schwäche ist, nämlich als Person, als Mensch noch erkennbar zu bleiben. Ich musste erst lernen, was passiert, wenn man zu offen redet, dass die Reaktionen ganz fürchterlich sein können. Was damals für Klischees über mich verbreitet wurden. Das könnte Bände füllen!

Sie meinen Ihr Image als „Vulkan“ mit großen Gefühlsausbrüchen von Zorn bis Tränen?

Ja, damit wurde ich angreifbar. Natürlich kann man an sich arbeiten, sich mehr zurücknehmen. Aber wenn man sich nicht von sich selbst entfremden will, hat das eben Grenzen. Was man tun kann, ist Diskretion zu wahren, damit einem niemand zu nahe tritt. Die Promis und Politiker, von denen wir Privates wissen, haben ja fast alle selbst damit angefangen, das öffentlich zu machen.

Sie haben Fragen nach Ihrem Privatleben immer vehement abgelehnt. Zum Schluss eine halb private Frage: Haben Sie als Jazz-Fan einen Konzerttipp?

Auf Konzerte gehe ich nicht so oft. Meine derzeitige Lieblings-CD ist von „Saint Germain“. Übrigens, als Ministerin war ich immer ganz froh, dass ich Saxofon spiele. Damit konnte ich den Journalisten was Menschliches von mir erzählen, ohne zu viel preiszugeben.

Das Interview führte Antje Kraschinski .

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