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Der Fernsehturm auf dem Alexanderplatz ist immer noch ein zentraler Ausstrahlungsort für Hörfunk und TV in Berlin und Brandenburg. Aber die Bedeutung dieses Ausspielweges sinkt. Der Fernsehturm wird zum Denkmal – mit Drehrestaurant.

© dpa

30 Jahre mabb: Die Sendelizenz hat ihren Sinn verloren

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg wird 30: Was heute anders ist – und was sich ändern müsste. Ein Rückblick und ein Ausblick

Die Gründung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg 1992 stand im Zeichen des Fernsehturms. Er steht mitten in Berlin und mitten in Brandenburg und war die wichtigste Infrastruktur für die Verbreitung von Radio und Fernsehen. Ost und West hatten die damals knappen und wertvollen Frequenzen in Berlin konzentriert. Die Länder Berlin und Brandenburg entschieden sich als deren Erben für eine gemeinsame Lösung und beauftragten die neu gegründete mabb, als erste gemeinsame Institution die Frequenzen der Region staatsunabhängig neu zu ordnen. Knapp waren auch die Plätze im Fernsehkabel, nur wer dafür ausgewählt wurde, konnte gesehen werden.

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30 Jahre später hat die Digitalisierung die Knappheit überwunden, das Internet tritt immer mehr an die Stelle der klassischen Rundfunkübertragungswege, über Glasfaser und über mobiles Internet, Letzteres über frühere Rundfunkfrequenzen. Medieninhalte können zu jeder Zeit und an jedem Ort genutzt werden, der frühere Einfluss durch knappe Programme und deren vorgegebene Programmplanung ist erodiert, klassische Medien sind nur noch ein Teil der öffentlichen Kommunikation. Die Verbreitungswege sind nicht mehr im (nicht besonders effizienten) öffentlichen Monopol organisiert, sondern gehören privaten Investoren, die ihre eigenen Ziele verfolgen.

Lizenz entbehrlich

Die frühere Sendelizenz, mit der Zuweisung knapper und damals besonders einflussreicher Kapazitäten verbunden, hat ihren Sinn verloren. Es gibt keinen sachlichen Grund mehr, warum audiovisuelle Medien eine Lizenz brauchen, statt wie schon lange bei der Presse und im Internet auf Lizenzfreiheit zu setzen. Eine Ausnahme ist noch UKW, aber in der Perspektive wird der Fernsehturm im Wesentlichen ein Baudenkmal und Aussichtspunkt sein.

Noch immer wird unterschätzt, wie tiefgreifende Wirkungen die Veränderungen der vergangenen 30 Jahre haben und welche noch bevorstehen.

Zwei Pfeiler der Rundfunkordnung

Einer der beiden Pfeiler unserer Rundfunkordnung, für den öffentlichen und den privaten Rundfunk, beruht auf der Knappheit der Übertragungsmöglichkeiten. Das fängt beim Bundesverfassungsgericht an, das seine Vorgaben für eine positive Ordnung und die Rahmenbedingungen des privaten Rundfunks nur machen konnte, weil es daran die Vergabe knapper für den Rundfunk exklusiver Übertragungswege knüpfte. Die Länder und die Medienanstalten konnten die Fernseh- und Radiolandschaft prägen, auch deren Standorte. Diese Einflussmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Für das Internet gab es nie entsprechende Vorgaben und Möglichkeiten.

Die Begründung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Bestand und Entwicklung haben muss, weil ein werbefinanzierter privater Defizite hat, ist zwar noch aktuell. Viel größer aber ist das Marktversagen durch die Finanzierungsmodelle der Internetplattformen. Durch entsprechende Lenkung der Aufmerksamkeit auf reichweitenstarke Inhalte verschärfen sie Spaltungsgrenzen in der Gesellschaft.

Das können öffentlich-rechtliche Ansätze nur sehr begrenzt ausgleichen. Die Regulierung hat gegenüber dem globalen, privatwirtschaftlich organisierten Internet nicht die nationalen Einflussmöglichkeiten wie früher gegenüber dem privaten Rundfunk.

Hans Hege war von 1992 bis 2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

© picture alliance / dpa

Der zweite, auch heute noch tragfähige Pfeiler der Medienordnung ist die öffentliche Finanzierung, aktuell durch den Rundfunkbeitrag. Sie ist und bleibt die Grundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch der Medienanstalten. Es gibt weiter ein öffentliches Interesse, Inhalte zu fördern, die am Markt nicht finanzierbar sind, aber der öffentlichen Meinungsbildung dienen. Die Defizite insbesondere im regionalen und lokalen Bereich werden größer.

Nicht selbstverständlich ist es, dass diese Finanzierung ausschließlich etablierten Institutionen zugutekommt, im Vertrauen auf deren interne Reformbereitschaft. Das Privileg gegenüber privaten Medienunternehmen, keine finanziellen Einbußen durch die Digitalisierung zu erleiden, hat auch einen Preis. Die Medien sind keine Ausnahme davon, dass Innovation und kreative Zerstörung zusammenhängen. Müsste heute eine neue Lösung für die Wahrung öffentlicher Interessen an Medienvielfalt im Internet gefunden, wer käme dabei auf die hergebrachten Strukturen des Analogzeitalters?

Akzeptanz des Rundfunkbeitrags wird sinken

Vorschläge, wenigstens einen Teil des Rundfunkbeitrags außerhalb der Anstaltsstrukturen zu vergeben, haben bisher kein Gehör gefunden. Grundlegende Reformen durch die Länder sind nicht zu erwarten, es bleibt ein Grundübel der Medienordnung, dass sie nur durch einstimmige Entscheidungen weiterentwickelt werden kann. Das dürfte dazu führen, dass der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags weiter sinken. Mit Geld kann man nicht alles erreichen.

Eine Hoffnung richtet sich auf die Bundesinstitution, die in der Vergangenheit unsere Medienordnung geprägt und auf anderen Feldern gezeigt hat, dass sie neue Ansätze verlangt: das Bundesverfassungsgericht. Müsste der von allen zu entrichtende Rundfunkbeitrag nicht ein Medienbeitrag werden, mit Ansätzen, die dem größer werdenden Teil der Bevölkerung dienen, der die Anbieter der klassischen Rundfunkmedien nicht nutzt? Hoffen wir auf ein neues Grundsatzurteil.

mabb nutzt Spielräume

Der Föderalismus hatte seine große Zeit, als in den Ländern noch eigenständige Lösungen entwickelt werden konnten, wie in Berlin und Brandenburg bei der Radiolandschaft und bei der Abschaltung des analogen Fernsehens. Die mabb nutzt diese Spielräume auch heute bei ihren vielfältigen Förderungsmaßnahmen, die weit über die der Gründungszeit hinausgehen. Berlin und Brandenburg bieten dafür besondere Chancen.

Bei der Regulierung des Internets gibt es anders als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bei den Förderaufgaben der Medienanstalten keinen Bezug zur Zuständigkeit der Länder für die Kultur. Google und Facebook bieten keine regional unterschiedlichen Herausforderungen, andererseits sind die Medien nur ein Teil umfassender Fragen wie der Diskriminierungsfreiheit, der Transparenz von Algorithmen und der Machtbegrenzung. Aus meiner Sicht spricht das für eine effizientere Organisation auf nationaler Ebene, die auch in Brüssel stärkeres Gewicht hat.

Nebenamtliche Tätigkeit

Es gibt zwar gemeinsame Strukturen der Medienanstalten, aber sie beruhen auf nebenamtlicher Tätigkeit der Direktorinnen und Direktoren und der Gremienmitglieder. Das begrenzt ihren Einfluss gegenüber den Kartellbehörden in Bonn und Brüssel, die hauptamtlich und zentral organisiert sind. Die Aussichten auf eine Änderung aus eigener Kraft sind leider genauso gering wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Deshalb muss die mabb aktuelle Fragen in den bisherigen Strukturen lösen – und auch noch besonders viele: Die Region ist ein Brennpunkt für Fragen nach den Grenzen des Internets. Die frühere Kontrolle einer überschaubaren Zahl privater Veranstalter, von Jugendschutz und Werbebeschränkungen bis zur Medienkonzentration, war nicht so aufwendig. Manche Ansätze wie die Vorgaben von Sendezeiten zum Schutz der Jugend muten heute eher als naiv an. Die Einhaltung journalistischer Grundsätze hat nie zu größeren Aufsichtsverfahren geführt. Das ist bei den vielfältigen Inhalten im Internet heute anders, es bleibt nicht bei einzelnen Problemfällen wie früher im Offenen Kanal. Die mabb wirkt an der Suche nach Lösungen mit, die auch die Grenzen öffentlicher Kontrolle beachten müssen.

Dem public service verpflichtet

Als eine unabhängige, dem public service verpflichtete Institution in einer besonders kreativen Region kann die mabb in besonderer Weise zur Diskussion um unsere zukünftige Kommunikationsordnung beitragen.

Hans Hege war von 1992 bis 2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

Hans Hege

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