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Paddeln und Kuscheln. Kommissar Alfons Hattinger (Michael Fitz) und Sarah Beck (Jessica Schwarz) lassen Chiemsee Chiemsee sein.

© ZDF und Marco Nagel

ZDF-Krimi "Hattinger und der Nebel": Der Chiemsee kann sehr tief sein

„Hattinger und der Nebel“ ist ein schwacher Krimi und ein sehr überzeugender Menschen-Film im ZDF.

Also, das mit dem „Chiemseekrimi“, das ist eine leichte Irreführung des Publikums. Bayerns größtes Binnengewässer kommt erst in Minute 30 groß und nicht mal postkartenschön ins Bild. Da rudern Kommissar Hattinger (Michael Fitz) und Sarah Beck (Jessica Schwarz), die Buchhalterin des ermordeten Immobilienmaklers Kammler, übern Chiemsee. Erst der Fahnder, dann rudern beide, dann rudern sie nicht mehr und liegen nebeneinander auf dem Boden.

Eine Liebelei, Liebe? Bei „Hattinger und der Nebel“ ist es wie bei den übrigen Romanen von Thomas Bogenberger, dessen „Nebel“-Krimi hier die Vorlage für das variierte Drehbuch von André Georgi bildet: Motor der Handlung ist ein Mord, hier sind es sogar zwei, aber was da erzählt wird, das geht über die Tat und Täter weit hinaus. Schon beim ersten „Chiemsee-Krimi: Hattinger und die kalte Hand“ weitete sich die Ermittlung zu einer universellen Erzählung über Einsamkeit und Heimatverbundenheit, über Verlust und Verzweiflung.

Der neue Krimi nimmt sich Beziehung und Beziehungen zum Thema. Hattinger lebt zwar getrennt von seiner Frau, aber zusammen mit seiner Tochter, sein Kollege Bamberger (Gerhard Wittmann) schießt auf ein Foto mit seiner Frau, die ihn verlassen hat. Der schwer verdächtige Beni Staller (David Zimmerschied) trauert noch immer seinem Bruder nach, der einst bei einem Verkehrsunfall getötet worden war. Seine Beziehung zu Ursula „Uschi“ Kammler (Anna Maria Sturm), Schwester des unschön zu Tode gekommenen Immobilienmaklers, war in die Brüche gegangen, jetzt lebt er bei seiner Mutter. Diese Unfähigkeit zur geglückten Paarsamkeit wird in den 90 Minuten noch in weiteren Konstellationen exemplifiziert, das wirkt schon wie ein ABC des Unglücklichseins allein, zu zweit, in der Familie und darüber hinaus.

Das Glück im Nebel suchen

Heimat ist dann das, was dringend gesucht wird. Drinnen, draußen. Benni Staller sagt: „Ich hab nicht die richtigen Fragen und nicht die richtigen Antworten – ich hab nix.“ Der Nebel ist dann das,worin alle stochern, die Glückssucher und Unglücksfinder. Der existenzielle Aufriss, die existenziellen Bezüge formulieren nur einen Nachteil: Sie geben dem Krimi, der nicht unbedingt ein Krimi sein will (wollte er das unbedingt, wäre er missraten) und so auch nicht gesehen werden muss, eine Anstrengung. Der sonst so überzeugende Film wirkt in wenigen, aber störenden Momenten sehr gepimpt, sehr auf Aussage getuned.

Hätte dieser „Hattinger“ nicht gebraucht, was hier über Vielfalt hergestellt wird, hätte schon mit Vielschichtigkeit hinreichend präsentiert werden können. Denn vielschichtig sind sie, die Hauptfiguren, vorneweg der Kommissar und seine Buchhalterin. Hattinger, mit dem merkwürdigen Vornamen „Alfons“ gesegnet, legt seine „Rolling Stones“ in Vinyl auf den Plattenteller. In Habitus und leichter Arroganz großstädtisch, unabhängig von seiner Umwelt und deren Urteil. Es geht Richtung einsamer Wolf, wenn da nicht seine Tochter Lena (Hanna Plaß) wäre. Da wird er empathisch, wie er es bei der Buchhalterin wird. Michael Fitz hat den Vorzug (oder den Nachteil?), dass er quer durch die Programme und Produktionen als Polizist engagiert wird. Meiner Ansicht nach ist der Hattinger seine überzeugendste Interpretation dieser Genrerolle. Sehr bei sich ist er, die Ecken und Kanten der Figur stellt er nicht heraus, sein Hattinger wird lieber persönlich als privat. Mit Gefühlen ist das so eine verquere Sache, mit der Gerechtigkeit nicht. Alfons Hattinger sucht und übt sie aus.

Sarah Beck hat einen Plan

Sarah Beck (Jessica Schwarz) spielt gerne im Casino. „Wenn du setzt, muss es spontan aussehen“, unterrichtet sie den Hattinger. Sie hat einen Plan, und weil es ein durchdachter ist, merkt der Kommissar erst spät, wer welche Rolle zu spielen hat – und welche Hauptrolle ihm zugedacht ist. Die Schwarz gibt ihrer Sarah Beck die anziehende Camouflage der Betrügerin, die die Schwächen der anderen und selbst deren Stärken für sich zu nutzen weiß. Diese Schauspielerin ist mit Michael Fitz auf einer Darstellungshöhe, und weil sie das ist, ist Sarah Beck eine adäquate Mit- und dann Gegenspielerin für Alfons Hattinger.

In den Hattinger-Beck-Momenten wird der Film mit seinen auch starken Dialogen nochmals dichter, feinsinniger, überraschender. Eine zentrifugale Stimmung geht von ihm aus, und gar nicht entschieden werden muss, ob diese Qualität mehr Kameramann Andreas Doub oder Regisseurin Viviane Andereggen zuzuschreiben ist. Sie vermitteln ein tiefes Verständnis für die Menschen und Mörder, für die Betrüger und Betrogenen, für die Hasser und Liebessucher am Chiemsee.

„Hattinger und der Nebel. Ein Chiemsee-Krimi“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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