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Wer der Kirche den Rücken kehren will, muss vorher bei einer Behörder vorstellig werden und Bearbeitungsgebühren bezahlen. (Symbolbild vom 22.12.2010)

© dpa/Ingo Wagner

Kosten, Nachteile und Online-Betrug: So funktioniert der Kirchenaustritt

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Dafür sind teils Missbrauchsskandale verantwortlich, aber auch die Kirchensteuer von bis zu mehreren hundert Euro im Jahr.

Steigende Energiepreise, hohe Lebenshaltungskosten und Rekordinflation – gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit wird in vielen Haushalten jeder Cent doppelt umgedreht.

Und so scheint es kaum verwunderlich, wenn gerade jetzt viele Steuerzahler einen Austritt aus der Kirche in Erwägung ziehen sollten, um die monatlich anfallende Kirchensteuer einzusparen – obwohl mit Weihnachten eines der wichtigsten Feste des christlichen Kirchenjahres unmittelbar bevorsteht.

Kirchenaustritte auf Rekordniveau

Nach Angaben des Statistikportals „Statista“ traten im Jahr 2021 weit mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland aus der Kirche aus. Konkret kehrten rund 280.000 Menschen der Evangelischen Kirche den Rücken. Die Zahl der Austritte aus der Katholischen Kirche erreichte 2021 sogar einen Rekordwert von insgesamt 359.205 Abgängen.

639.205
Kirchenaustritte wurden im Jahr 2021 in Deutschland vermeldet.

Wie der erst kürzlich veröffentlichte Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung zeigt, denkt aktuellen Umfragen zufolge jedes vierte Kirchenmitglied in Deutschland über einen Austritt nach. Zwei Drittel davon sind Mitglieder der Katholischen Kirche.

Wer selbst über einen Austritt nachdenkt, sieht sich dabei (neben der eventuellen Glaubensfrage) mit ganz praktischen und weltlichen Fragen konfrontiert: Wie funktioniert der Kirchenaustritt? Mit welche Kosten muss man rechnen? Und welche Nachteile ergeben sich aus einem Kirchenaustritt? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Wie funktioniert der Kirchenaustritt?

Im Prinzip funktioniert der Kirchenaustritt wie jede andere Kündigung einer Mitgliedschaft. Wenn Sie künftig keine monatlichen Beitragszahlungen (in dem Fall: Kirchensteuer) mehr leisten möchten, müssen Sie Ihre Mitgliedschaft selbst beenden.

Und weil die Kirchenmitgliedschaft in Deutschland von staatlicher Seite aus registriert wird, muss der Austritt aus dieser Institution hierzulande persönlich einer Behörde gemeldet werden.

Dabei muss in der Regel ein gültiger Personalausweis oder alternativ ein Reisepass mit Meldebescheinigung vorgelegt werden.

Kirchenaustritt einreichen: Wo muss ich hin?

Wo man konkret den Kirchenaustritt einreicht, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. In Berlin muss man beispielsweise persönlich beim Amtsgericht des jeweiligen Bezirks erscheinen. In Bremen kann man seinen Austritt auch direkt beim zuständigen Kirchenbüro einreichen.

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Wer die teils monatelangen Wartezeiten in den Amtsgerichten oder Standesämtern umgehen will, kann seinen schriftlichen Kirchenaustrittswunsch auch von einem Notar beglaubigen lassen.

Mitunter kommt man hier weitaus schneller an einen Termin und in der Regel kümmert sich der Notar im Anschluss um die weiteren Schritte. Für die Beauftragung eines Notars werden allerdings weitere Kosten fällig – zusätzlich zu den bereits anfallenden Bearbeitungskosten durch die Behörde. Doch dazu später mehr.

Achtung: In einigen Bundesländern wird die Vorlage zusätzlicher Dokumente (beispielsweise das Familienstammbuch) oder die Angabe zum Taufort verlangt. Welche konkreten Dokumente Sie bereithalten müssen, erfahren Sie bei Ihrer zuständigen Behörde.

Was kostet der Austritt aus der Kirche?

Auch hier variieren die Regelungen von Bundesland zu Bundesland. In den meisten Ländern muss man für den Verwaltungsaufwand eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 30 Euro entrichten.

Teures Vergnügen: In Baden-Württemberg können für den Kirchenaustritt bis zu 60 Euro fällig werden. (Symbolbild eines Klingelbeutels in der Kirche)

© dpa/Werner Baum

In Baden-Württemberg können je nach Ort bis zu 60 Euro fällig werden. In Bayern werden 25 Euro Austrittsgebühr erhoben, falls man eine Bescheinigung über den Austritt bekommen möchte, kommen 10 Euro hinzu. In Brandenburg ist der Austritt hingegen komplett kostenlos.

Der Kirchenaustritt ist bundesweit bis spätestens zum nächsten Monat (also zum nächsten 1. des Monats) wirksam.

Wann entfällt nach dem Austritt die Kirchensteuer?

Je nach Bundesland dauert die Übermittlung der Daten zum Finanzamt nach einem Kirchenaustritt unterschiedlich lange. Genauere Informationen dazu erhalten Sie bei Ihrer zuständigen Behörde.

In Berlin tritt die Befreiung von der Kirchensteuer beispielsweise „mit dem Ende des Monats ein, in dem die Austrittserklärung beim Amtsgericht eingeht“, wie es im Service-Portal der Stadt heißt.

Kann ich auch online aus der Kirche austreten?

Aktuell noch nicht. Auch in puncto Kirchenaustritt ist Deutschland eine (Online-)Servicewüste. Zwar bieten einige Bundesländer eine Online-Terminvergabe bei den zuständigen Behörden an, eine komplette Online-Abwicklung für den digitalen Kirchenaustritt sucht man bislang allerdings vergeblich.

Dabei würde ein solche Serviceleistung vieles erleichtern. Verschiedenen Medienberichten zufolge müssen Kirchenaussteiger in Braunschweig, Hamburg und anderen Großstädten teils monatelang auf einen Termin bei den Amtsgerichten warten.

Bereits 2017 trat das sogenannte Online-Zugangsgesetz (OZG) in Kraft, in dem die Länder sich dazu verpflichteten, die Abwicklung wichtiger Behördenvorgänge bis Ende 2022 online anzubieten – darunter auch der digitale Kirchenaustritt.

Von den geplanten 575 Verwaltungsleistungen wurde allerdings nur ein Bruchteil digitalisiert. Nicht dabei: der Kirchenaustritt.

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Eine Recherche des Computertechnik-Magazins „c’t“ hat ergeben, dass die Länder technisch aktuell nicht in der Lage seien, den digitalen Kirchenaustritt anzubieten.

Mehr noch: „Fast alle Länder wollen ihre entsprechenden Gesetze auch nicht ändern“, heißt es weiter. Lediglich das Land Berlin wolle die Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen derartigen Online-Service prüfen.

Kirchenaustritt: Muss ich den Arbeitgeber informieren?

Nein. In der Regel wird Ihr Arbeitgeber vom Finanzamt über den Kirchenaustritt informiert. Sobald die Austrittsbescheinigung der jeweiligen Behörde vorliegt, wird sie an das Einwohnermeldeamt übermittelt. Und das wiederum leitet die Informationen an das zuständige Finanzamt weiter.

Aktenordner für die Kirchenaustritte 2021 in Potsdam (Archivbild vom 25. Oktober 2021 für PNN).

© Ottmar Winter / PNN

Welche Gründe gibt es für den Kirchenaustritt?

Warum treten Menschen aus der Kirche aus? Zu den häufigsten Gründen zählen sicherlich die steuerlichen Erleichterungen – immerhin werden mit der Kirchensteuer je nach Einkommenshöhe jährlich einige hundert Euro fällig.

In den meisten Bundesländern beträgt die Kirchensteuer aktuell neun Prozent der Lohnsteuer, in Bayern und Baden-Württemberg liegt sie bei acht Prozent.

Die Online-Plattform „Statista“ rechnet vor: Eine ledige Person mit Steuerklasse 1 und 2.000 Euro Einkommen zahlte 2021 immerhin 15,12 Euro Kirchensteuer im Monat. Bei einem Einkommen von 3.000 Euro wurden monatlich rund 36 Euro fällig, also 432 Euro im Jahr.

Seit Mitte 2022 ist der Anteil der deutschen Bevölkerung, der kirchlich gebunden ist, erstmals unter die 50-Prozent-Marke gerutscht.

„Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung, Dezember 2022 (Link zum PDF)

Vor allem in den vergangenen Jahren spielten vornehmlich die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche und die geringe Reformbereitschaft eine wesentliche Rolle für die steigende Zahl der Kirchenaustritte.

Dem aktuellen „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung zufolge gaben 81 Prozent aller Austrittswilligen an, dass sie „das Vertrauen in religiöse Institutionen aufgrund der vielen Skandale verloren haben“. 

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Welche Nachteile hat ein Austritt aus der Kirche?

Mit dem Austritt aus der Kirche entfallen einige Privilegien, die ausschließlich Kirchenmitgliedern vorbehalten sind. Dazu zählen vor allem kirchliche Zeremonien wie Trauungen, Taufen oder Totenmessen.

So dürfen beispielsweise ehemalige Mitglieder nur kirchlich heiraten, wenn der Partner oder die Partnerin noch in der Kirche ist. Auch kirchliche Taufpatenschaften entfallen für Nicht-Mitglieder.

Fraglich ist zudem, ob bei den Bestattungen ehemaliger Kirchenmitglieder eine kirchliche Trauerzeremonie gestattet wird. Sowohl in der katholischen Kirche wie auch in der evangelischen wird hier im Einzelfall entschieden, ob eine christliche Trauerfeier gewährt oder verweigert wird.

Für die meisten solcher Zeremonien werden mittlerweile allerdings weltliche Alternativen angeboten, wie etwa eine „Freie Trauung“ oder auch „Freie Trauerfeiern“ auf Beerdigungen, die meist von freien Theologen oder Rednern durchgeführt werden.

Vorsicht ist auch in puncto Jobsuche geboten. Gehört der Arbeitgeber einer kirchlichen Trägerschaft an, dann kann von den Angestellten eine Mitgliedschaft in der Kirche eingefordert werden. Das kann zum Beispiel bei sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kindergärten oder Pflegeeinrichtungen der Fall sein.

Wer nach einem bereits erfolgten Austritt wieder erneut die Institution eintreten möchte, sollte sich an seine zuständige Kirche wenden. Der eigentliche Wiedereintritt kann von einem Geistlichen, einem Seelsorger oder in einem der bundesweiten Eintrittsstellen angestoßen werden.

  • Eintrittsstellen der evangelischen Kirche:
  • Ansprechpartner und Eintrittsstellen der katholischen Kirche:

Im Gegensatz zum Austritt soll der Wiedereintritt laut der evangelischen Kirche für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz ganz „unbürokratisch“ sein und einfach vonstatten gehen.

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