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Teller im Dottir von Köchin Victoria Eliasdottír.

© Zoe Spawton

Restaurantkritik Dottir : Sellerietatar und Weißkohlterrine

Victoria Eliasdottír kehrt zurück ins neue „Chateau Royal“ – mit viel Gemüse, hohen Preisen und zwiespältigem Ergebnis.

So ziemlich alles, was die Leute vom „Grill Royal“ anfassen, scheint zu funktionieren. Und deshalb wird sicher auch ihr erstes, raffiniert in zwei verbundene Altbauten eingefügtes Hotel mit dem bescheidenen Namen „Chateau Royal“ ein Erfolg. Die Hoteleröffnung brachte das Restaurant „Dottir“ zurück – und, der Name verrät es, auch Victoria Eliasdottír, früher Küchenchefin, jetzt irgendwas drüber. Als Küchenchefin fungiert Elena Müller.

Zugegeben: Mit den Elogen auf das alte Restaurant konnte ich wenig anfangen, auch das neue wird schon wieder in höchsten Tönen gelobt. Schauen wir also rein.

Das Hotel, klassisch anheimelnd gestaltet mit zahllosen Kunstwerken, nimmt für sich ein. Das Restaurant entlang der Straßenfront atmet Brasserie-Atmosphäre, erstaunlich viele Kellner wuseln umeinander, man fühlt sich wohl. Die Amtssprache ist Englisch – dass allerdings nicht mal die Speisekarte auf Deutsch vorliegt, ist schlicht albern, angemaßte Weltläufigkeit auf Berliner Art.

Schlecht pariert: Beim Rochen mit Grünkohl und Pilzemulsion bestand der Fisch überwiegend aus Knorpeln.

© Bernd Matthies

Die Verhandlungen mit dem Personal fallen sachbezogen knapp aus. Der Preis des obligatorischen Fünfgangmenüs (85 Euro), fast ausschließlich ohne Fisch und Fleisch, kann durch Zugaben wie Kaviar, Austern oder ein Beef Tatar locker verdoppelt werden.

Blitzschnell kommt der erste Gang: Sellerie in dünnen Scheiben deckt eine Art Tatar von Sellerie, untergehoben sind Stücke von Macadamianüssen, Senf- und Getreidekörner, Zitronenzesten geben Würze – eine gut balancierte Fingerübung in Sachen Gemüse.

Dann das von uns addierte Tatar (22 Euro): Sensibel mit Austern-Mayonnaise gewürzt, sehr appetitanregend – problematisch, weil die Hausregie Brot erst für den Hauptgang zulässt. Die üppig bestückte Pilzcremesuppe ist sehr intensiv, köstlich mit feinen Säureakzenten.

Gut verkauft: Die „White vegetable terrine“ entpuppt sich als geschichteter Weißkohl mit Schnittlauch-Beurre-blanc.

© Bernd Matthies/Tagesspiegel

Nur eine von drei Fischportionen ist gut essbar

Nach einer deutlich längeren Pause erscheint Rochenflügel mit animierend frisch marinierten Grünkohlblättern und etwas Pilzemulsion. Das schmeckt, allerdings ist nur eine von drei Portionen am Tisch gut essbar, weil der Fisch der anderen überwiegend aus Knorpeln besteht; der Service räumt das zerkaute Desaster ungerührt ab.

Der faktische Hauptgang heißt hochtrabend „White vegetable terrine“, in unserer Übersetzung: geschichteter Weißkohl. Dazu gibt es eine sehr gute Schnittlauch-Beurre-blanc sowie einen Salat aus Fenchel und Endivie, der Frische beisteuert. Und, wenig, Brot! Zum Abschluss: Leinsamen-Meringue mit Joghurt sowie Creme und Sorbet von der Meyer-Zitrone, simpel, sehr erfrischend.

Das Restaurant bietet eine Weinbegleitung glasweise, es gibt aber auch rund 250 recht harsch kalkulierte Flaschenweine. Der Sommelier ist der einzige Kellner, der offensiv berät, ein Chef ist nicht zu sehen, alle anderen machen Tellertaxi mit knappen, freundlichen Ansagen.

Das scheint mir auch neben dem rekordverdächtig minimalen Wareneinsatz der Hauptmangel des Restaurants zu sein: Zwischen der ausgetüftelten Herzblutküche und dem unbeteiligt schaffenden Service klafft eine Riesenlücke. Nehmen wir’s als ständige kulinarische Vernissage, die allen Gästen zumindest hohen Distinktionsgewinn schenkt.

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