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Der Concordia-Tempel in Agrigent.

© Stefanie Hanssen

Frederik Hanssens Kolumne „Der Klassiker“ : Italien in Dur und Moll

Welche Musik soll man bei einem offiziellen Festakt auf Sizilien spielen? Italiens Musikgeschichte hätte da vieles zu bieten. Doppelt schade, wenn es trotzdem schiefgeht.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Im Tal der Tempel in Agrigent gibt es gerade eine überraschende Sonderausstellung (ja, meine Frau und ich waren schon wieder als Winterflüchtlinge in Italien, diesmal auf Sizilien): „Archäologie mit 33 Umdrehungen – Vinyl im Museum“ lautet der Titel der Schau mit Plattencovern, die antike Fundstücke zeigen.

Für „Hot in the shade“ hat Kiss 1989 die Sphinx ausgewählt, „Eye in the sky“ von Alan Parsons Projekt zierte 1982 ein ägyptisches Horus-Auge. Zu Santanas „Marathon“ von 1979 passten Läufer auf einer griechischen Vase, auf dem Cover von David Bowies Kurzzeit-Band „Tin Machine“ schreiten vier archaische Nackte dem Betrachter entgegen. Ein witziger, popkultureller Zugang zum vermeintlich verstaubten Thema Altertum.

Aufgehorcht haben wir auch, als uns der Vermieter unserer Ferienwohnung darauf hinwies, dass just an dem Tag, als wir den weitläufigen archäologischen Park besuchen wollten, dort die Enthüllung einer rekonstruierten Monumentalstatue stattfinden würde. Da wollten wir dabei sein: In einem extra aufgestellten Zelt versammelte sich die lokale und regionale Obrigkeit, hier „autorità“ genannt: Würdenträger mit grün-weiß-roter Schärpe, Herren in perfekt sitzenden Anzügen, elegant gekleidete Damen.

Grauenhaftes klingt aus den Lautsprechern

Lang und salbungsvoll wurde gesprochen, viel war vom Selbstbewusstsein der italienischen Kulturnation die Rede und davon, dass Sizilien wieder aufgerichtet werden müsse, so wie die Steine jener Statue, die bislang verstreut im Ruinenchaos des Olympieions gelegen hatten.

Acht dieser Telamon genannten Giganten mit der Physiognomie von Karthagern trugen einst das Dach des Tempels, symbolisch für die geschlagenen Gegner. Doch als dann endlich das verhüllende Tuch fällt, ist unsere Enttäuschung groß: Das Telamon-Exemplar, das es im Museum zu sehen gibt, ist deutlich besser erhalten.

Viel schlimmer aber ist das, was während der Zeremonie aus den Lautsprechern dröhnt. Jahrhundertelang waren Italiener führend in Sachen Musik, in diesem Land wurde die Oper erfunden – und was erklingt in Agrigent? Neoklassik!

Mamma mia, diese wabernd wachsweiche Akustikware will nicht einmal der RBB spielen im reformierten Morgenprogramm seiner Kulturwelle, wenn sie ab dem 2. April „Radio 3“ heißt.  

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