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Abenteuerreise durch den Urwald: Unterwegs faucht bedrohlich ein Tiger, aber der Elefant lässt sich streicheln.

© PURPLE/Richard Haughton

Eröffnung des Tanzfestivals Purple: Als der kleine Akram sein Passwort vergaß

Leben zwischen zwei Kulturen: Mit der Neuinszenierung von Akram Khans gefeiertem Solo „Chotto Desh“ für junges Publikum soll die Neugier auf Tanz geweckt werden.

Von Sandra Luzina

Das winzige Stühlchen auf der Bühne des HAU 1 bleibt leer. Der quirlige Junge mit Namen Akram will sich partout nicht hinsetzen und stillhalten. Er will sich bewegen, er liebt das Tanzen. Wo sein Platz auf der Welt ist, das weiß er nicht. Die Akram Khan Company hat mit „Chotto Desh“ das Purple-Tanzfestival für junges Publikum eröffnet, das in diesem Jahr unter der Schirmherrschaft des Berliner Kultursenators Joe Chialo steht.

Auch Erwachsene sind bei diesem Festival zugelassen. Sie bilden die Mehrheit bei der Eröffnung, denn die künstlerische Leiterin Canan Erek bietet zum Auftakt einen prominenten Namen auf. Der Choreograf Akram Khan ist ein Star der internationalen Tanzszene. Khan wurde in London geboren, sein Vater stammt aus Bangladesch. In seinem gefeierten Solo „Desh“ von 2011 thematisierte Kahn das Leben zwischen zwei Kulturen.

Die Regisseurin Sue Buckmaster hat das preisgekrönte Solo für Kinder und Jugendliche adaptiert. In „Chotto Desh“, was so viel wie „kleine Heimat“ bedeutet, geht es um die Suche nach Zugehörigkeit. Akram Khan ist ein passionierter Geschichtenerzähler. In „Chotto Desh“ schöpft er aus seinem eigenen Leben und aus alten Fabeln und Mythen.

Der kleine Akram reist hier von Großbritannien nach Bangladesch, die Heimat seines Vater bleibt ihm aber zunächst fremd. Der philippinische Tänzer Jasper Narvaez, der das Alter Ego von Akram Kahn verkörpert, ist zunächst völlig orientierungslos, denn er hat das Passwort seines Handys vergessen. Und er findet sich nicht in einer bengalischen Idylle wieder, sondern bleibt in einem Verkehrschaos stecken.

Mit einer Mischung aus Tanz und Mime verkörpert Narvaez einen Verkehrspolizisten, einen Rikscha-Fahrer und einen Bettler. Später bemalt er seinen kahlrasierten Schädel mit Augen und Mund und lässt mit gesenktem Kopf eine Figur entstehen.

Tanz zwischen gezeichneten Animationen

Der Konflikt mit dem Vater spielt in „Chotto Desh“ eine zentrale Rolle. Der als Koch arbeitende Immigrant ermahnt den Sohn ständig, nicht so herum zu zappeln, sondern ihm lieber in der Küche zu helfen. Auf dessen Wunsch, Tänzer zu werden, reagiert er mit Unverständnis.

Die Großmutter besänftigt den aufgebrachten Jungen, indem sie ihm Märchen erzäht wie etwa die Geschichte von den Honigbienen. Die Visualisierung der Fabel entfaltet eine ganze eigene Magie.

Tänzer Jasper Narvaez wird in die fein gezeichneten Animationen regelrecht hineingezogen. Der von Hunger getriebene Junge irrt hier durch den Regenwald - auf der Suche nach einem Bienenstock. Dabei begegnet er zahlreichen Tieren: Vögeln fliegen vorbei, Schmetterlinge umflattern ihn, er schaut in das aufgerissene Maul eines Krokodils und streichelt den Rüssel eines Elefanten.

Bei Akram Khan wird aus dem Dschungel-Trip eine Öko-Fabel. Der Junge, der sich zu früh an dem Honig bedient, erzürnt nicht nur die Bienen, sondern auch die Walddämonen. Man hört das Fauchen eines Tigers, der Flüchtende gerät in einen Sturm. Mit energischen Armkreisen radiert Narvaez die Regenwolke aus.

Die englischsprachige Aufführung zeichnet sich durch kindlichen Sinn für das Wunderbare aus. Doch für kleine Kinder ist sie ungeeignet, eher für Jugendliche. Die deutsche Übertitelung bereitet auch manchen Erwachsenen Mühe. Viele Mütter und Väter im Publikum erklärten ihren Kindern geduldig, was auf der Bühne passiert.

Doch wenn sich Tanzlust und Theatermagie verbinden, sind Groß und Klein gleichermaßen gebannt. Narvaez wechselt leichtfüßig zwischen den verschiedenen Bewegungsformen. Akram Kahn ist berühmt für seine Fusion von indischem Kathak mit seinen schnellen Drehungen und Sprüngen sowie zeitgenössischem Tanz. Narvaez zeigt noch andere Facetten, indem er auf anmutige Weise veranschaulicht, wie sich unterschiedliche kulturelle Einflüsse in den Körper einschreiben.

„Chotto Desh“ wird auf diese Weise zu einer bewegten Reise zu sich selbst. Am Ende erinnert der kleine Akram sich auch wieder an sein Passwort.

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