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Claudia Roth neben „Im Westen nichts Neues“-Regisseur Edward Berger, Hauptdarsteller Felix Kammerer und Kameramann Florian Hoffmeister (vordere Reihe) bei einem Empfang in Los Angeles.

© dpa/Barbara Munker

Claudia Roths Oscar-Ticket: 2250 Dollar

Netflix, die deutsche Filmförderung und ein peinliches Missverständnis beim Oscar-Gala-Besuch der Kulturstaatsministerin.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Alles soweit in Ordnung? Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat die Kosten für ihr Oscar-Gala-Ticket aus privater Tasche zurückgezahlt, 2250 Dollar. Wie zuerst die „Süddeutsche“ berichtete, gab es Verwirrung. Zunächst hatte es geheißen, die Eintrittskarte für die Grünen-Politikerin stamme aus dem von der Oscar-Academy zur Verfügung gestellten Kontingent für die Crew des neunfach nominierten Netflix-Films „Im Westen nichts Neues“. Auf ausdrücklichen Wunsch von Regisseur Edward Berger sei eins der Tickets an Roth gegangen.

Erst nach der Gala am 12. März, bei der die Remarque-Verfilmung vierfach ausgezeichnet wurde, stellte sich heraus, dass Netflix USA die Tickets bezahlt hatte. Also schleunigst retour, alles andere wäre Vorteilsnahme, mindestens.

Die Sache ist schon deshalb peinlich, weil der größte deutsche Oscar-Erfolg in der Geschichte der Academy Awards einer Produktion zu verdanken ist, in der kein einziger Cent deutscher Fördergelder steckt. Dass Roth sich in Hollywood in diesem Erfolg mitsonnte (zur Unterstützung und als Zeichen der Anerkennung des Filmteams, wie sie sagt), wirft ein grelles Licht auf die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Denn Roth will den deutschen Film ja explizit stärken. Nun hat sich Deutschlands oberste Kulturpolitikerin, um ein Haar, umgekehrt von Netflix aushalten lassen.

Für die anstehende große Reform der hiesigen Filmförderung heißt das nichts Gutes. Denn eigentlich will Claudia Roth Netflix und Co. künftig tatsächlich zur Kasse bitten, natürlich nicht in eigener Sache, sondern zum Wohl der Filmbranche. In Punkt 3 ihres Maßnahmenkatalogs heißt es: „Wir wollen sehr intensiv die Einführung einer Investitionsverpflichtung prüfen, die zum Beispiel Streamingplattformen dazu verpflichtet, einen bestimmten Teil ihres Umsatzes mit audiovisuellen Inhalten in Deutschland wieder hierzulande zu reinvestieren“.

Laut Gesetz muss jeder, der in Deutschland mit Filmen Umsätze macht, hier Abgaben leisten, die Kinos, die TV-Sender und die Videowirtschaft. Die Streamer zieren sich jedoch, Netflix klagte zunächst, zog die Klage zurück und zahlt jetzt einen vergleichsweise niedrigen Betrag. Lieber wird direkt in Filme investiert, wie von Netflix Deutschland eben bei „Im Westen nichts Neues“.

Gleichzeitig profitieren die Streamer erheblich von der Serienförderung durch den bei Roths Behörde angedockten, steuerfinanzierten German Motion Picture Fund. 2022 gingen auf diese Weise allein 8,3 Millionen Förder-Euro an Netflix, 2021 doppelt so viel. Schade, dass keine Oscars für Serien verliehen werden. Dann könnte Claudia Roth sich zu Recht im Erfolg hiesiger Produktionen sonnen, wer immer dann ihr Oscar-Ticket bezahlt.  

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