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Bing Crosby und David Bowie singen 1977 gemeinsam „Little Drummer Boy“.

© imago images/Everett Collection

Christmas Heroes: Zu Weihnachten 1977 sangen Bing Crosby und David Bowie im Duett

Für seine Fernsehsendung hatte der US-Sänger auch den britischen Kollegen eingeladen. Der mochte das gemeinsame Lied „Little Drummer Boy“ gar nicht und bekam einen eigenen Part.

„White Christmas“, das durfte in keiner der weihnachtlichen Television Specials von Bing Crosby fehlen, auch nicht in seinem letzten, der „Bing Crosby’s Merrie Olde Christmas“-Show, die 1977 vom US-Sender CBS und dem britischen Partner ITV ausgestrahlt wurde. Dutzende Sänger und Sängerinnen haben den für viele ultimativen, 1940 von Irving Berlin komponierten Weihnachtssong interpretiert, aber Crosby war der erste und mit geschätzten 50 Millionen verkauften Singles unerreichbar erfolgreichste.

Doch so unvermeidlich „White Christmas“ in der einstündigen Sendung auch war - die Sensation blieb die Begegnung zweier Sänger, die man sich unterschiedlicher kaum vorstellen kann: Bing Crosby und David Bowie, vereint im weihnachtlichen Duett.

Wenngleich die Festtage vorüber sind - die bunt glitzernden Tannenbäume stehen noch und nach dem christlichen Kalender ist die Weihnachtzeit ohnehin noch lange nicht vorbei. Weiterhin Gelegenheit also, um an den Fernsehabend vor 45 Jahren zu erinnern, zudem gegen Ende des Jahres, in dem der mit Berlin so eng verbundene Bowie 75 Jahre alt geworden wäre, dazu nur Monate vor dem 120. Geburtstag des Gastgebers.

Crosby starb kurz nach dem Christmas Special

Für sein Christmas Special war Bing Crosby, der am 14. Oktober 1977 einen Herzinfarkt erlag und damit die Ausstrahlung nicht mehr erlebte, mit der Familie auf die britische Insel gereist. Die Aufnahme erfolgte am 11. September in den ATV Elstree Studios bei London. Man hatte sich dafür eine Geschichte ausgedacht, etwas Heimeliges, Familiäres: Crosby sei mit Frau und Kindern von einem entfernten Verwandten zum weihnachtlichen Familientreffen in dessen Londoner Villa eingeladen worden.

Die britischen Schauspieler Ron Moody und Stanley Baxter mimten den fiktiven Verwandten, dessen Personal und weitere Figuren wie dem angeblichen früheren Hausbesitzer Charles Dickens samt seinem Ebenezer Scrooge aus „A Christmas Carol“. Auch Model Twiggy durfte mitspielen - und als Höhepunkt Bowie, geschickt eingeführt.

1977 war David Bowie Berliner

Bing Crosby ist gerade allein in der altenglischen, weihnachtlich dekorierten Pracht. Es klingelt, ein Besucher steht vor der Tür, will nur ein bisschen auf dem bereitstehenden Piano spielen, der Hausherr habe ihm das angeboten. Übrigens heiße er David Bowie, wohne „down the road“. Das war natürlich Fiktion: Von 1976 bis 1978 residierte Bowie bekanntlich in der Hauptstraße 155 in Berlin-Schöneberg, in einer Sieben-Zimmer-Wohnung im ersten Stock, anfangs noch mit Kumpel Iggy Pop.

Man schüttelt sich die Hände, kommt ins Plaudern: „I’m Bing.“ - „Pleased to meet you.“ Sei er nicht der Sänger, fragt Bowie sicherheitshalber nach, was Crosby bestätigt und so dem ihm unbekannten Bowie - noch so eine Fiktion - das Bekenntnis entlockt, auch er singe, vor allem „contemporary stuff“. Aber doch, er möge auch Älteres, John Lennon etwa und - wie hieß der noch? - richtig, Harry Nilsson. Nun, das war nicht das, worauf Crosbys Frage gezielt hatte.

Little Drummer Boy is my son’s favorite

David Bowie

Und schon ist man bei Weihnachten und dessen musikalischen Traditionen. Auch in seiner Familie singe man wie überall die bekannten Lieder, schon wegen des kleinen Sohnes, erzählt Bowie. Mittlerweile stehen beide am Flügel, beiläufig kramt sich der Gast durch weihnachtliche Notenblätter und stößt - „this is my son’s favorite“ - auf das amerikanische Weihnachtslied „Little Drummer Boy“. Das gefällt auch Crosby - „A lovely thing“ -, schon stimmen sie es an.

Eine harmonische Szene, aber es waren einige Hürden zu nehmen, bevor sie so gefühlvoll im Kasten war. Bowie war in einem Outfit erschienen, das für das angezielte Publikum als nicht zumutbar erschien, musste erst mal abgeschminkt und auf netter junger Mann getrimmt werden. Auch mochte er das vereinbarte Lied überhaupt nicht, es passe nicht zu seiner Stimme.

Trommeln für das Jesuskind

Der Song handelt von einem armen Jungen, der kein Geschenk fürs Jesuskind hat und ihm daher mit seiner Trommel etwas vorspielt, „pa rum pum pum pum“. Unzählige Stars wie Marlene Dietrich, Bob Dylan, Johnny Cash und Boney M. haben ihn gesungen, Bowie aber zierte sich, sodass ihm das fürs Musikalische der Show verpflichteten Spezialistentrio mit „Peace on Earth“ rasch einen eigenen Song hinzaubern mussten.

Es ist eine Art Counterpart zu „Little Drummer Boy“, mit dem beide beginnen, bevor sich Bowie davon löst und Crosbys Stimme zeitweise fast in den Hintergrund tritt. Ein trotz der Dissonanzen im Vorfeld stimmiges, ja anrührendes Gesamtkunstwerk und für beide Sänger, als das Duett 1982 als Single veröffentlicht wurde, ein grandioser Erfolg.

Doch konnte Bowie schon vorher zufrieden sein. Später in der Sendung lief das Video zu seinem aktuellen Hit „Heroes“, Titelstück des zweiten Albums der in den Kreuzberger Hansa-Studios aufgenommenen Berliner Trilogie. Da war die Mauerstadt, die er zuvor als Wohnort noch verleugnet hatte, ganz präsent: „I, I can remember (I remember) / Standing, by the wall (by the Wall)…“

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