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Brandenburg: Zelten vorm Reichstag verboten

Auch am Sonntag wurde wieder auf dem Platz der Republik protestiert. Nachts zuvor gab es hier Verletzte

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Berlin - Die Spuren der Nacht zum Sonntag waren noch nicht beseitigt: Zigarettenkippen, Flaschenkorken, Infozettel, Scherben. Ein paar frisch herausgerissene Pflastersteine zeugten von den Auseinandersetzungen einiger Randalierer mit der Polizei. Doch schon am Sonntag wurde wieder vor dem Reichstag protestiert.

Das Regierungsviertel in Berlin stand das gesamte Wochenende über ganz im Zeichen des globalen Protests. „Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch Kekse essen“, stand auf dem Schild eines als Krümelmonster aus der Sesamstraße verkleideten Demonstranten am Samstag. Der Kostümierte war einer von Tausenden in Berlin, die gekommen waren, um gegen das Finanzsystem zu protestieren. Nach Veranstalterangaben beteiligten sich 8000 bis 10 000 Menschen am Zug vom Alexanderplatz zum Kanzleramt (Siehe Seite 16). Am Sonntagnachmittag befanden sich noch etwa 200 Protestierende vor dem Reichstag – teils trotz herbstlicher Kälte auf dem Boden sitzend.

Zuvor hatten am Samstagabend einige hundert Personen im Anschluss an die friedlich verlaufende Demonstration von mehreren tausend Menschen für ein gerechteres Finanzsystem versucht, vor dem Reichstag eine Zeltstadt zu errichten. Als die Polizei versuchte, dies zu verhindern, kam es zu Rangeleien.

„Unsere Kollegen mussten den Abbau der Zelte teilweise mit körperlicher Gewalt und dem Einsatz von Reizgas durchsetzen“, sagte ein Polizeisprecher. Dabei wurden elf Beamte leicht verletzt, eine Polizistin musste den Dienst abbrechen und sich in ambulante Behandlung begeben. 12 Protestierer wurden vorübergehend festgenommen und 31 Strafverfahren unter anderem wegen Landfriedensbruch und wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.

Linken-Vizechefin Katja Kipping erklärte am Sonntag, sie könne den Polizeieinsatz nicht nachvollziehen. „Der Protest für mehr Demokratie gehört vor den Bundestag.“ Sie nannte es nicht akzeptabel, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ein Geburtstagsessen im Kanzleramt ausrichte, „während friedliche junge Protestierer noch nicht einmal vor dem Bundestag zelten dürfen“.

„Von wegen friedlich“ empört sich ein Mann an der Erinnerungsstätte für die Mauertoten in der Ebertstraße am Reichstag. „Die haben die Polizisten bespuckt und immer wieder provoziert, sie als Stasi-Schweine beschimpft und dann noch gerufen ,Wir sind das Volk’ – nee“, der Mann schüttelt sich, „das ist nicht das Volk, das sind Chaoten.“

Die Polizei hatte den Platz in der Nacht schließlich gegen 0.30 Uhr geräumt, für den gestrigen Sonntag war kurzfristig eine Versammlung auf dem Pariser Platz angemeldet worden: Thema: „Occupy Berlin“. Die Veranstaltung war bis 22 Uhr geplant und dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Etwa 200 Teilnehmer seien gekommen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagabend. Zum Anmelder wollte er nur sagen, dass es sich um eine Privatperson handle.

Die Demonstranten versammelten sich gegen 15 Uhr zunächst auf dem Pariser Platz und zogen dann vor den Reichstag. Dort diskutierten sie dann, wie es mit den am 15. Oktober begonnenen Protesten weitergehen soll, mehrere Redner schlugen vor, künftig einmal wöchentlich zu demonstrieren.

Die Stimmung war bis zum Redaktionsschluss friedlich und freundlich, zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es nicht. Die meisten Demonstranten seien eher dem bürgerlichen Spektrum zuzuordnen, sagte ein Polizeisprecher.

Um einen neuerlichen Aufbau von Zelten vor dem Reichstag zu unterbinden, nahmen die Beamten lediglich einigen Demonstranten die mitgebrachten Zelte und Campingstühle weg. Sie erhielten eine Nummer und können sie sich am heutigen Montag wieder abholen.

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