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Ein Stück entfernter Dickdarm. Mit einem gemeinsamen Krebsregister wollen Brandenburg und Berlin sich im Kampf gegen die Erkrankung eine bessere Ausgangslage verschaffen. Gesammelt werden sollen alle relevanten Daten betroffener Patienten.

© dpa

Brandenburg: Zahlen gegen Krebs

Berlin und Brandenburg starten neues Register. Es soll helfen, Patienten besser zu versorgen

Berlin/Potsdam – Nicht nur Mario Czaja ist am Mittwoch zufrieden gewesen. Vor allem den Vertretern der Krankenkassen war der Stolz anzusehen, als der Berliner Gesundheitssenator in der Nähe des Charité-Bettenturms das fast fertig geplante Krebsregister vorstellte. Nun muss nur noch ein entsprechender Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg her, dann könnte es losgehen – mit dem was einige Ärzte einen „großen Wurf“ nannten, schließlich ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland.

Der Reihe nach: Es soll ein klinisches Register werden, was bedeutet, dass nicht nur Daten zu Tumorfällen pro Kiez und Altersgruppe erhoben werden, wie für Register, die es bereits gibt. Nun hingegen werden alle relevanten Daten betroffener Patienten erfasst: von der Diagnose über jeden Therapieschritt und jedes Medikament bis zur Reha-Kur. Zunächst der Hausarzt, später ein Onkologe und schließlich womöglich der Chirurg einer anderen Klinik könnten also immer auf die ganze Krankengeschichte zurückgreifen. Unter anderem sollen so Doppelbehandlungen vermieden werden.

Weil künftig 50 Prozent der Brandenburger im Speckgürtel der Hauptstadt wohnen und sich wohl in Berlin behandeln lassen werden, ist ein gemeinsames Register sinnvoll. CDU-Politiker Czaja hat dafür lange mit Kassen, Ärzten und Kliniken verhandelt – schließlich tangiert das Register den Datenschutz. Ärzte geben zudem ungern Patienten an andere Mediziner ab. Doch der Nationale Krebsplan des Bundes verpflichtet die Länder dazu, solche Register einzurichten.

Patienten hätten ein Widerspruchsrecht, sagte Czaja, was in Brandenburg, wo es ein ähnliches Register schon gibt, jedoch kaum jemand nutzt. Niemand, außer behandelnden Ärzten, bekäme die Klarnamen der Patienten. Deren – anonymisierter – Werdegang soll aber allen Medizinern helfen, besser zu werden.

Ein Modellbeispiel: 100 ähnlich alte Männer leiden unter der gleichen Tumorart. Eine Hälfte wird in Klinik A operiert, die andere in Klinik B. Dank des Registers könnte sich in zehn Jahren herausstellen: 80 Prozent der Patienten aus Klinik A erleiden einen Rückfall, aber nur 20 Prozent aus Klinik B.

Um effektiv Strategien zu ändern, werden also viele Daten benötigt, Czaja spricht von einer „hohen Meldequote“, die am besten bei fast 100 Prozent liegen sollte. Bislang melden Ärzte in Berlin 84 Prozent der Krebsfälle, in Brandenburg sind es wohl fast 99 Prozent.

Die Mediziner sollen pro Fall, der Datentransfers beinhaltet, Pauschalen bekommen, ob 10, 20 oder 50 Euro wird noch verhandelt. Um das Register am Laufen zu halten, zahlen die Kassen 120 Euro pro registrierten Patienten, dazu kommen Landesmittel und 550000 Euro der Deutschen Krebshilfe.

Gibt es keine Kritiker? Doch, auch wenn sogar sie begrüßen, dass der Senator das Register an den Start gebracht hat. „Aber noch ist nicht klar, ob all die Akteure bereitwillig ihre Daten hergeben“, sagt Heiko Thomas, Gesundheitsexperte der Berliner Grünen. Er verweist darauf, wer das Register verwalten wird, nämlich die Ärztekammer Brandenburg. Sie soll dafür eine eigene Gesellschaft gründen. Das hat auch damit zu tun, dass die Berliner Kassen, Praxisärzte und Klinikmanager die Brandenburger Kammer als neutral akzeptieren – was viel über das Streitpotenzial im Berliner Gesundheitswesen aussagt.

Die Zahl der Tumorerkrankungen steigt, weil das Durchschnittsalter der Bevölkerung zunimmt. Rechnet man den Altersfaktor heraus, sind die Zahlen der Neuerkrankungen weitgehend stabil. Die häufigsten Krebsfälle bei Männern sind Prostatakrebs, Lungen- und Darmkrebs. Bei Frauen sind es Brustkrebs, ebenfalls gefolgt von Lungen- und Darmkrebs.

Zahlreiche Informationen zu Krebstherapien, Kliniken und Praxen finden Sie im Tagesspiegel-Portal, darunter auch zu Brandenburger Einrichtungen: www.gesundheitsberater-berlin.de

nbsp;Hannes Heine

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