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Brandenburg: Wildwest in Schöneberg

Zwei Türsteher in Berlin niedergeschossen

Berlin - Am Morgen danach ist es fast wie immer im Akazienkiez. Eine Mutter holt mit ihrer Tochter Brötchen, ein Tourist sucht das Haus, in dem David Bowie ein paar Jahre lebte – Sonntagsidylle in Schöneberg. Wenige Stunden zuvor, es ist 3.50 Uhr, fallen hier Schüsse. Ein Auto kommt vom Innsbrucker Platz, fährt über die Hauptstraße, kurz vor der Ecke Akazienstraße verlangsamt der Wagen sein Tempo und hält gegenüber der Großraumdisko „Havanna“, wo zu dieser Zeit noch zu lateinamerikanischer Musik gefeiert wird. Zwischen dem Auto und dem Club auf der anderen Straßenseite befindet der breite Mittelstreifen. Dann fallen mehrere Schüsse – zwei Türsteher gehen getroffen zu Boden. Die Patronen treffen sogar das Auto eines Berliners, der zufällig in jener Sekunde hier vorbeirollt; er wird nicht verletzt. Das Auto, in dem die Schützen saßen, verschwindet in der Nacht.

„Havanna“, schon wieder? Es gab eine Zeit, da wurde hier nicht nur getanzt, sondern auch schon mal das Messer gezückt. An Schießereien aber mitten auf der großen Hauptstraße kann sich hier keiner erinnern. Im Spätkauf gegenüber berichtet der Verkäufer: „So was hatten wir hier noch nicht. Es gibt die üblichen Clubprobleme, aber doch keine Schießereien.“

Die beiden Türsteher im Alter von 26 und 36 Jahren kommen mit Verletzungen an den Beinen in ein Krankenhaus. Am Nachmittag kann einer der beiden die Klinik wieder verlassen, der andere wird stationär aufgenommen, Lebensgefahr bestehe aber nicht, sagte ein Polizeisprecher. Die Hintergründe der Tat bleiben zunächst unklar, Gerüchte, es könne sich um einen Bandenkrieg handeln, kommentiert die Polizei nicht.

Ein Querschläger hat auch die große Eingangstür zum Hof getroffen und die Glasscheibe durchlöchert. Der Club liegt etwas versteckt im Hinterhof eines bürgerlichen Wohnhauses. Eine Mutter sagt: „Ich will meine Kinder nicht an einem Ort aufwachsen lassen, wo man auf offener Straße erschossen wird.“

Bis in den späten Vormittag sind Spezialisten von Polizei und Mordkommission mit der Spurensicherung am Tatort beschäftigt. Der gesamte Busverkehr – dort rollen die viel genutzten Linien M48, M85, 104 und 187 – wird gesperrt und umgeleitet. Auf der Straße sind die Spuren der Nacht zu sehen – überall gelbe Markierungen. Sie zeigen an, wo überall Patronen gefunden wurden. Und wo die niedergeschossenen Türsteher lagen. Fußgänger bleiben stehen, machen ein Foto, tuscheln und gehen weiter. Wildwest in Schöneberg.

Ein Anwohner, der seit vier Jahren im Nebenhaus wohnt, steht unten am Tatort. Er hat von der Tat erst am Morgen von Freunden erfahren, die Schüsse in der Nacht hat er nicht gehört. „Das ist ein schräger Club“, sagt er und berichtet von regelmäßiger Lärmbelästigung, Schlägereien und Vandalismus. „Für Anwohner ist dieser Standort schon eine ziemliche Belastung.“ Ein Vorfall wie letzte Nacht? Nein, auch er könne sich an so was nicht erinnern.

Negativ fällt der Club, den es seit 1997 gibt und der zu den bekanntesten im Westen Berlins gehört, aber nicht zum ersten Mal auf. Im Jahr 2011 musste sich der Besitzer der Diskothek vor Gericht verantworten, weil der Getränkehandel unsauber abgerechnet wurde. „Grober Eigennutz“, befand der Richter und verurteilte den damals 48-jährigen Gastronom wegen Steuerziehung zu Haft auf Bewährung. Zusätzlich musste der Mann 150 000 Euro an den Fiskus zahlen.

Angriffe mit Schusswaffen auf offener Straße sind in Berlin nicht unbekannt. In Erinnerung ist etwa ein Vorfall am Olivaer Platz in Charlottenburg-Wilmersdorf im Juli 2015, als Unbekannte das Feuer auf ein Café eröffneten. Der Fall ist bis heute ungelöst. Felix Hackenbruch

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