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Schön arm. Die Stadt Frankfurt (Oder), hier die Innenstadt mit der Marienkirche, kämpft mit hohen Schulden. Eine Herausforderung für die Rathausspitze.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Wettstreit der Verwaltungsspitze

In Frankfurt (Oder) gibt es fünf Bewerber für den OB-Posten, davon sitzen drei schon im Rathaus

Frankfurt (Oder) - Sind die Tage von Martin Wilke als Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) gezählt? Am 4. März werden die Bürger in der knapp 59 000 Einwohner zählenden kreisfreien Stadt an die Wahlurnen gebeten. Der parteilose Wilke ist nach acht Jahren Amtszeit erneut Kandidat für den Posten. Doch es könnte eng werden für den 60 Jahre alten promovierten Physiker, der nun vier Konkurrenten hat.

Als er erstmals antrat, warb er als „Frankfurter für Frankfurt“ um Stimmen, damals aufgestellt von der SPD und unterstützt von vier weiteren Fraktionen des Stadtparlaments. Mit knapp 60 Prozent der Stimmen siegte er vor acht Jahren gegen den Kandidaten der Linken, Stefan Ludwig, heute Brandenburger Justizminister, und gegen die Einzelkandidatin Katja Wolle, die bis 2010 Bürgermeisterin in der Stadt an der Oder war.

Das große „Aufräumen im Rathaus“ hatte Wilke im Wahlkampf angekündigt, außerdem ein „Wir-Gefühl“ beschworen, mit dem er im Stadtparlament Mehrheiten gewinnen wollte. Doch die Allianz mit den wichtigen Fraktionen bröckelte dann schnell: Er habe es einerseits allen Parteien recht machen wollen, andererseits in „Gutsherrenmentalität“ im Rathaus regiert, urteilten seine Kritiker. So bekommt Wilke nun Konkurrenz aus den eigenen Reihen, von seinen beiden Dezernenten aus der Frankfurter Stadtverwaltung: Der Beigeordnete für Stadtentwicklung, Kultur, Bauen und Umweltschutz, Markus Derling, tritt für die CDU an, Sozialdemokrat Jens-Marcel Ullrich, im Rathaus zuständig für Soziales, Gesundheit, Jugend und Sport, wurde von der SPD aufgestellt.

Ullrichs Kandidatur hat allerdings überrascht. Hieß es doch lange, die SPD würde ebenso wie die Grünen den Bewerber der Linken für den Chef-Posten, René Wilke, unterstützen. Der 33 Jahre alte Berufspolitiker – Landtagsabgeordneter sowie Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Frankfurter Stadtparlament – könnte bei einem Sieg der jüngste Oberbürgermeister in Brandenburg werden. Der fünfte Kandidat ist der AfD-Stadtverordnete und Bundespolizist Wilko Möller.

Dass sich quasi die gesamte Verwaltungsspitze des Rathauses zur Wahl um das höchste Amt in der Stadt stellt, hat es so brandenburgweit wohl auch noch nicht gegeben. In Potsdam konkurrierten SPD-intern zunächst Sozialdezernent Mike Schubert und Kämmerer Burkhard Exner um die Nominierung als OB-Kandidat. Schubert setzte sich durch und trifft nun bei der Wahl im September unter anderem auf die ebenfalls im Rathaus tätige, parteilose Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth, die für die Linke antritt.

Chancen werden den beiden Dezernenten in Frankfurt (Oder) aber kaum eingeräumt. Ebenso wie dem Amtsinhaber lasten ihnen die Bürger die schlechte Lage Frankfurts an, vor allem in finanzieller Hinsicht. Das Minus in der Stadtkasse hat sich in den vergangenen Jahren auf jetzt rund 131 Millionen Euro summiert. Anfang des Jahres gründete sich eine Bürgerinitiative für eine schuldenfreie Stadt, die von dem künftigen Stadtoberhaupt Lösungsansätze erwartet, um die Kommune wieder handlungsfähig zu machen. In Oberbürgermeister Wilke, der vor acht Jahren aus der Wirtschaft kam, hatten damals viele die Hoffnung gesetzt, das Ruder in Sachen Verschuldung herumzureißen zu können. Stattdessen aber wuchs das Minus im Stadtsäckel weiter. Den Haushalt 2017 hat die Kommunalaufsicht bisher nicht genehmigt, die Stadt kann keine Kredite für wichtige Investitionen aufnehmen, auch an vielen anderen Stellen sind ihr die Hände gebunden.

Dass der Oberbürgermeister jetzt in Aussicht stellt, 2018 erstmals seit 16 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, nimmt ihm deshalb kaum jemand ab. „Ich will zu Ende bringen, was ich angefangen habe“, bekräftigt Wilke dennoch.

Einen ausgesprochenen Favoriten für die OB-Wahl gibt es derzeit an der Oder nicht. Viele gehen davon aus, dass es am 4. März keinem der fünf Bewerber gelingen wird, die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinen, wie Umfragen belegen. Wahrscheinlich aber ist, dass einer der Kandidaten für eine mögliche Stichwahl Linken-Politiker René Wilke sein dürfte, dem die wohl besten Chancen eingeräumt werden. Sein Motto: „Frankfurt geht besser“. Der gebürtige Frankfurter sieht im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten nicht in erster Linie das Land Brandenburg in der Pflicht, sondern betont immer wieder, dass die kreisfreie Stadt zunächst „ihre Hausaufgaben“ machen müsse. Kritiker zweifeln jedoch, ob er den „zerstrittenen Haufen“ im Rathaus in den Griff bekommen könnte. Dennoch: Frankfurt gilt noch immer als rote Hochburg im Land, wie frühere Abstimmungsergebnisse belegen. Nicht zuletzt ist die Linke stärkste Fraktion im Stadtparlament. (dpa)

Jeanette Bederke

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