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Brandenburg: Wer beerbt Helmut Schmidt?

Urnengang in der „Wiege der Mark“: Wahl eines Oberbürgermeisters in Brandenburg/Havel

Urnengang in der „Wiege der Mark“: Wahl eines Oberbürgermeisters in Brandenburg/Havel Von René Peters und Wolfgang Jasinski Brandenburg/Havel. Um das Erbe von Helmut Schmidt (SPD) bewerben sich in der Havelstadt Brandenburg Vertreter von etlichen Parteien. Nachdem der 60-jährige Hochschulprofessor und Namensvetter des Altbundeskanzlers nach nur einjähriger Amtszeit als Oberbürgermeister aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet werden musste, wird am 26. Oktober sein Nachfolger bestimmt. Zeitgleich mit der landesweiten Kommunalwahl sollen wenigstens die beiden Teilnehmer für die Stichwahl gefunden werden. Denn mit mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen, die für eine Entscheidung im ersten Wahlgang nötig wären, darf nach Ansicht von Beobachtern keiner der Bewerber rechnen. Die besten Aussichten werden dem Vorsitzenden des SPD-Ortsverbandes, dem früheren Polizeichef und amtierenden OB Norbert Langerwisch (52), sowie der 48-jährigen Bauunternehmerin Dietlind Tiemann für die CDU eingeräumt. Sie war Schmidt im vergangenen Jahr nur mit 619 Stimmen unterlegen. Auch die PDS-Landtagsabgeordnete Petra Faderl (51) und der 58- jährige Krankenkassen-Manager Herbert Nowotny (FDP) als Kandidat der in einem Bürgerbündnis zusammengefassten kleineren Parteien sind nach Insider-Meinung nicht chancenlos. Eher als Außenseiter gelten dagegen Jugendclubchef Andreas Feichtner (29), der als Parteiloser und ehemaliges CSU-Mitglied für die Grünen antritt, und die Unternehmerin Iris Flohr (46) von einer unabhängigen Wählerinitiative, die durch unzufriedene ehemalige SPD-Funktionäre ins Leben gerufen wurde. Die Wahlziele aller Parteien und Wahlbündnisse ähneln sich stark: Arbeit schaffen steht an erster Stelle. Auch das Thema Jugendförderung wurde als Wahlkampf-Schlager entdeckt. Kein Wunder: Die einst stolze Industriestadt hat mit 23 Prozent Arbeitslosigkeit die „rote Laterne“ im Arbeitsamtsbezirk Potsdam und immer mehr Menschen verlassen die Stadt - seit 1990 fast 20.000. Das vordergründigste Wahlkampf-Thema der vorangegangenen OB-Wahl - die tiefe Grube an Stelle der geplanten Rathaus-Galerie auf dem Neustädtischen Markt - ist unterdessen verschwunden. Nachdem sich die Stadt von dem umstrittenen Investor getrennt hatte, punktete Tiemann dabei mit einem Husarenstück: Sie gewann Sponsoren zur Unterstützung der Bürgerinitiative „Loch zu“ und legte selbst mit Hand an beim Zuschütten der hässlichen Grube. Ein anderes Loch klafft allerdings mit 49 Millionen Euro im Haushalt der Stadt, so dass der neue OB ein schweres Erbe antritt. CDU und FDP fordern deshalb, dass Langerwisch nach der Wahl das Amt als Kämmerer abgibt. Der sagt, dass er das als künftiger Oberbürgermeister ohnehin vorhabe. Und der 52-Jährige gilt ebenfalls als zupackend beim Stadtumbau. Langerwisch kann sich auch eine Zusammenarbeit mit Tiemann vorstellen - wenn er der Chef bliebe. Seine Kontrahentin sieht das mit anderem Vorzeichen ebenso. Die politischen Gräben schienen zuletzt in der Havelstadt unüberbrückbar. In der Stadtverordnetenversammlung boxten SPD und PDS mit ihrer Mehrheit nahezu alle eigenen Beschlüsse durch, ohne auf Wünsche der Opposition einzugehen. Der Umgang war aggressiv, der rüde Ton gipfelte in der Beschimpfung von Bürgern als „Idioten“ und „Pöbel“, worauf die Opposition die Auflösung des 46-köpfigen Stadtparlaments forderte – ohne Erfolg. Zwar wurde nach der Wende allerhand erreicht - Gründerzentrum, Spaßbad, neues Theater, Straßenbau. Auch die denkmalgeschützte historische Innenstadt ist zu 50 Prozent saniert. Nichtsdestotrotz steht das neue Stadtoberhaupt vor keiner geringeren Aufgabe, als endlich das Aschenputtel-Image der „Wiege der Mark“ zu überwinden.

Rene Peters, Wolfgang Jasinski

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