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Beitragsfrei. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit Parteikollegin Martina Münch zu Besuch in einer Potsdamer Kita. Das Land hat beschlossen, Eltern die Gebühren für das letzte Kitajahr vor der Einschulung zu erlassen. Im Koalitionspapier stellt auch der Bund Erleichterungen für Eltern in Aussicht.

© Bernd Settnik/dpa

Was der Koalitionsvertrag für Brandenburg bedeutet: Wie viel Mark steckt in der Groko?

Von der Kita über die Lausitz bis zum Wolf: Wie sich der Koalitionsvertrag auf Brandenburg auswirkt.

Potsdam - Für Brandenburg haben sieben Politiker – vier von der SPD und drei von der CDU – bei den Gesprächen zur Wiederauflage einer Großen Koalition mit am Verhandlungstisch gesessen. Ministerpräsident Dietmar Woidke und die Potsdamer Landtagsabgeordnete Klara Geywitz berieten für die Sozialdemokraten in der „großen Runde“ mit Spitzenpolitikern der Union über die Ergebnisse der Fachgruppen. Mit dem Koalitionsvertrag werde es zu mehr Fairness, Teilhabe und Sicherheit kommen, sagte Woidke am Mittwochabend. In der Gruppe Umwelt und Energie setzte sich Wirtschaftsminister Alfred Gerber für märkische SPD-Positionen ein, Verkehrsministerin Kathrin Schneider beim Thema Infrastruktur. Die Brandenburger CDU war mit Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben in der Gruppe Energie, Umwelt und Klima präsent. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Stübgen und Jens Koeppen verhandelten zu den Themen Europa und Digitales. Die PNN geben einen Überblick, in welchen Politikfeldern das Koalitionspapier Brandenburger Handschrift trägt und wie die Ergebnisse auf Landesebene bewertet werden.

Kitagebühren

Aus der Potsdamer Staatskanzlei hieß es am Mittwochvormittag, dass vor allem die Ergebnisse in den Bereichen Kita, Bildung und Familie aus Brandenburger Sicht positiv zu bewerten seien. Dreieinhalb Milliarden Euro haben Union und SPD eingeplant, um die Qualität der Kita-Betreuung zu verbessern und Eltern bei den Gebühren zu entlasten. Ein Anliegen, das Brandenburg zum 1. August bereits angeht: Das letzte Kitajahr vor der Einschulung wird gebührenfrei. Langfristig, so das Ziel von Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), soll die Kinderbetreuung für Familien gar nichts kosten. 41 Millionen Euro jährlich plant das Land für ein gebührenfreies Kitajahr ein, die komplette Beitragsfreiheit würde 180 Millionen Euro im Jahr kosten. Die Landesmittel für Kitas, heißt es aus der Landes-SPD, sollen in keinem Fall heruntergefahren werden, auch wenn es Geld vom Bund gibt. Stattdessen soll weiter in die Qualität der Einrichtungen investiert werden.

Die Linke, in Brandenburg Juniorpartner der SPD, bewertet das Ergebnis ganz anders. „Aus der großspurig von der SPD angekündigten Elternbeitragsfreiheit für die Kita in ganz Deutschland ist ein kleines Trostpflaster geworden“, sagt Landesgeschäftsführerin Anja Mayer. Selbst wenn man großzügig rechne, könnten Brandenburger Eltern bestenfalls mit 12,50 Euro pro Kind und Monat Entlastung rechnen. „Das ist ernüchternd. Deshalb bleibt unsere Mission, die Elternbeitragsfreiheit nun im Alleingang in Brandenburg durchzusetzen – ohne Rückenwind durch den Bund“, so Mayer.

Energie

Die Zukunft der Lausitz nach dem Ende der Braunkohleförderung war eines der wichtigsten Koalitionsthemen aus Brandenburger Sicht. CDU-Landeschef Ingo Senftleben ist überzeugt: „Wir haben viel für die Lausitz erreicht.“ Der Bund werde sich an der Strukturentwicklung mit viel Geld (eineinhalb Milliarden Euro) beteiligen und bekenne sich auch nach 2022 zur Fortführung der Braunkohlesanierung.

„Klimaziele wurden aufgegeben“, meint hingegen die Brandenburger Grünenvorsitzende Petra Budke. Gerade Brandenburg werde so noch stärker unter den direkten und indirekten Folgen der Braunkohle leiden. Die Potsdamer Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, nannte das Ergebnis auf Twitter ein „Desaster“. Der schrittweise Kohleausstieg sei überfällig.

SPD und Union blieben zu vage bei der Zukunft der Lausitz, kritisiert der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. Entscheidend für die Unternehmen seien Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Strompreise.

Naturschutz

Auch der Problemwolf, inzwischen Dauerthema in Brandenburg, hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Die Ausbreitung der Wölfe in Deutschland soll künftig stärker kontrolliert werden, zugleich sollen Nutztiere besser vor Angriffen geschützt werden, etwa indem Wölfe getötet werden dürfen, wenn sie mehrfach Barrieren überwinden. „Wir verbessern die Schutzmaßnahmen vor dem Wolf“, erklärt CDU-Landeschef Ingo Senftleben. Vom Forum Natur Brandenburg gibt es dafür Zuspruch. „Wir begrüßen es, dass in Sachen Wolf mittlerweile ein gewisser Realismus anfängt, in die politischen Absichtserklärungen Eingang zu finden, der sich offenbar auch an den Erfahrungen in Brandenburg orientiert“, sagt Geschäftsführer Gregor Beyer. Insgesamt müsse dies in aktives Handeln gegenüber der EU münden, auch bei Arten wie Kormoran und Biber, die in der Mark immer wieder Sorgen bereiten.

Wirtschaft

Mit den vereinbarten Punkten würde die wirtschaftliche Stärke Deutschlands fortgeführt, erklärte der Brandenburger CDU-Verhandler Jens Koeppen. Der Koalitionsvertrag sei kein Aufbruchssignal für die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg, dämpft UVB-Chef Christian Amsinck die Erwartungen. Die Entlastung von Bürgern und Unternehmen falle zu niedrig aus. Zudem sei für Firmen in der Hauptstadtregion eine Strategie gegen Fachkräfte-Engpässe wichtig. Sofortmaßnahmen gegen Fachkräftemangel fordert auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, Peter Heydenbluth. Diese sehe der Koalitionsvertrag nicht vor. Statt die Leistungsträger zu entlasten und in Infrastruktur zu investieren, werde durch neue Ausgaben die Reformstarre zementiert, meint der Landeschef der FDP, Axel Graf Bülow.

Digitalisierung

Auch bei der Digitalisierung springe die Koalition zu kurz, bemängelt UVB-Chef Christian Amsinck. Das Ziel eines flächendeckenden Breitbandnetzes bis 2025 sei nicht ehrgeizig genug. Ländliche Regionen in Brandenburg bräuchten mehr Tempo beim Breitband-Ausbau, etwa durch schnellere Anträge und Förderverfahren für die Kommunen. Die Brandenburger CDU freut sich unterdessen darüber, dass der von ihr initiierte „Funklochmelder“ bundesweit umgesetzt werden soll, um einen flächendeckenden Handyempfang zu erreichen.

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