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Von Matthias Matern: Zank um Thälmanns Erbe

Die ehemalige Gedenkstätte liegt in Trümmern – nun streiten Stadt und Freundeskreis ums Inventar

Von Matthias Matern

Königs Wusterhausen - Ein Schild weist noch den Weg, doch am Ende der Straße liegt bereits alles in Trümmern. Vertrocknete Nelken im Maschendrahtzaun erinnern an die Proteste vor gut zwei Wochen, als der Abriss der Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals, einem Ortsteils von Königs Wusterhausen, begann. Wenige Tage nach der Machtergreifung Adolf Hitlers kamen hier am 7. Februar 1933 die Spitzen der Kommunistischen Partei unter Führung Ernst Thälmanns zusammen, um den Widerstand zu planen. Später wurden Generationen von Jungpionieren durch die mit Exponaten vollgestopfte Gedenkstätte geschleust. Während die Gebäude, wie berichtet, Villen weichen müssen, lagert das Inventar wenige Kilometer entfernt hinter Schloss und Riegel.

Die Spurensuche beginnt in der Stadtverwaltung von Königs Wusterhausen. Dort sitzt Stadtsprecherin Katrin Dewart-Weschke, in der Hand eine alte Liste. „Im vergangenen Jahr hat der Grundstückseigentümer das Inventar der Stadt als Schenkung übereignet“, erzählt die Frau mit dem energischen Kurzhaarschnitt. Dewart-Weschke hat in jungen Jahren ebenfalls ihren Pflichtbesuch in Ziegenhals absolviert. „Insgesamt sind es um die Hundert Objekte. Wimpel, Fotos, Stühle, Tische. Das meiste wurde einfach in Kisten gepackt und eingeschlossen“, berichtet sie emotionslos. „In einem Haus einer kommunalen Wohnungsgesellschaft“, beschreibt die Stadtsprecherin vage.

Obwohl es leicht zu recherchieren ist, will Dewart-Weschke den genauen Ort lieber nicht in der Zeitung lesen - vorsichtshalber. Denn um die „gesicherten“ Exponate und Thälmann-Devotionalien gibt es ein Tauziehen. Anspruch erheben auch die Mitglieder des Vereins Freundeskreis Ernst Thälmann Gedenkstätte Ziegenhals. „Wir sehen uns als legitime Erben des Inventars“, sagt deren Vorsitzender Max Renkl mit fester Stimme. Renkl ist 34 Jahre alt, stammt aus Bayern, lebt in Berlin und war, wie er sagt, 1997 das erste Mal in Ziegenhals. „Es ist die Aussage der Gedenkstätte, die mich fasziniert. Ziegenhals zeigt, Widerstand war von der ersten Minute an möglich“, interpretiert Renkl.

Den Besitzanspruch leitet er aus der jahrelangen Pflege der Gedenkstätte durch die Vereinsmitglieder ab. Zum anderen sei der Bestand durch „private Gegenstände“ der Mitglieder und „Leihgaben“ Dritter ergänzt worden. „Außerdem hat uns der Landkreis Dahme-Spreewald bereits 1993 das Inventar angeboten. Das Protokoll existiert noch“, gibt sich Renkl kämpferisch. Die Stadt müsse die Exponate zurückgeben.

Daran ist nicht zu denken. „Bis die Eigentumsfragen geklärt sind, bleiben die Sachen unter Verschluss“, sagt Dewart-Weschke, während sie an einem Backsteinbau vorbei auf einen Hinterhof führt. Dort, versteckt unter einer Plane, lagert ein weiteres Exponat: Das Motorboot „Charlotte“, oder vielmehr der Nachbau des Gefährts, mit dem einige Mitglieder des Geheimtreffens geflohen waren, als die Zusammenkunft aufzufliegen drohte.

Wie der Freundeskreis, so will auch die Stadt die Ausstellungsstücke wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ein Konzept aber gebe es noch nicht, räumt die Stadtsprecherin ein. Priorität habe die Gestaltung des Funkerbergs in Königs Wusterhausen, der Wiege des deutschen Rundfunks. Für mehr fehle derzeit die Kapazität, meint Katrin Dewart-Weschke. Zumindest eine Gedenktafel wolle man so schnell wie möglich an der ehemaligen Gedenkstätte aufstellen. Die Sprecherin zeigt auf eine vielleicht zwei Quadratmeter große Parknische. „Die einzige Fläche hier, die der Stadt gehört.“

Für Max Renkl kommt einzig der Originalschauplatz infrage. Eine Forderung, die angesichts der Pläne des Grundstückseigentümers abenteuerlich klingen. Warum die Gedenkstätte überhaupt abgerissen werden durfte, leuchte ihm immer noch nicht ein, sagt der Thälmannfreund aus dem Westen. Schließlich sei der Denkmalstatus erst vor fünf Jahren verschärft worden. Den Kampf wollen die Vereinsmitglieder nicht aufgeben. „Wir wollen einen Teil der Exponate reproduzieren und eine Wanderausstellung zusammenstellen“, berichtet Renkl. „Wir haben bereits Anfragen aus Stralsund, Stuttgart und Cottbus. Los gehen soll es in Ziegenhals.“

Zumindest auf ein Exponat müssen alle verzichten: Die seit vier Jahren vom Grundstück verschwundene Bronzebüste Thälmanns. Mit etwas gutem Willen kann man die Umstände durchaus als geheimnisvoll beschreiben. „Obwohl Schnee lag, waren angeblich keine Fußspuren zu finden“, erinnert sich Dewart-Weschke. Auf Bitten des Freundeskreises ist sie damals sogar mit ihrer Familie in die Fluten gestiegen. „Es gab die Vermutung, dass die Büste vom nahen Steg aus ins Wasser geworfen wurde.“ Doch auch die Hilfe der Hobbytaucher brachte nichts. „Wir haben alles mögliche gefunden, nur keine Büste“, erzählt die Stadtsprecherin. „Die Altmetallpreise waren recht hoch, vielleicht ist die Büste auch eingeschmolzen worden.“

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