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Nachwuchssorgen. Die Arbeitsbedingungen für Pfleger sind oft schlecht und die Gehälter gering. Doch der Bedarf an qualifiziertem Personal in Brandenburg ist groß.

© dpa

Von Matthias Matern: Pflegenotstand in Brandenburg

Wohlfahrtsverbände sehen die Grundversorgung in einigen Gebieten bereits nicht mehr gewährleistet

Von Matthias Matern

Potsdam - Pflegedienste in Brandenburg schlagen Alarm. Nach Einschätzung der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Land ist die Versorgung pflegebedürftiger Menschen in besonders dünn besiedelten Regionen Brandenburgs bereits nicht mehr überall gesichert. „Es gibt Gegenden im Land, wo Patienten für einen Verbandswechsel extra zum Arzt müssen, weil ambulante Pflegedienste vor Ort fehlen“, sagte gestern Andreas Kaczynski, Liga-Vorsitzender und Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Potsdam. Der Liga gehören neben der Parität die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) an. Hintergrund für den Versorgungsnotstand sei ein bundesweiter „massiver Fachkräftemangel“ vor allem in der ambulanten Betreuung.

Angaben der Vereinigung der Wohlfahrtsverbände zufolge sind in Deutschland derzeit mehr als 30 000 Stellen im Bereich Pflege unbesetzt. Genaue Zahlen für Brandenburg lägen allerdings nicht vor. Doch dauere es auch in der Mark in der Regel sechs Monate und mehr, um geeignete Mitarbeiter zu finden, berichtete Kaczynski. Schuld an der Misere sind aus Sicht der Liga die schlechten Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte, etwa die zu geringe Bezahlung, und deren Ausbildung, die vor allem für die Anbieter ambulanter Betreuung oft erhebliche Kosten mit sich bringe. Bislang müssen die Träger für die Ausbildungsvergütung selbst aufkommen, können sie jedoch auf die Patienten umlegen. Da aber vor allem ambulante Dienste häufig ältere Menschen ohne private Pflegeversicherung betreuen, bleiben sie letztendlich auf den Kosten sitzen. „Manche bilden deshalb schon gar nicht mehr aus“, betonte der Liga-Vorsitzende.

Vom Bund fordern die Verbände deshalb, die Ausbildungskosten künftig zu übernehmen. „Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand“, sagte Kaczynski. Ferner müssten Bund und Pflegekassen für eine bessere finanzielle Ausstattung sorgen, damit höhere Gehälter gezahlt werden könnten. „Während im öffentlichen Dienst die Löhne seit 1999 um knapp 38 Prozent gestiegen seien, waren es bei der Altenpflege gerade einmal gut zehn, in der ambulanten Pflege sogar nur knapp sechs Prozent“, verglich Kaczynski.

Unattraktiv für junge Leute seien Pflegeberufe nicht nur wegen des geringen Verdienstes, sind sich die Verbände einig. Aufgrund des finanziellen Drucks leide das Personals oft unter chronischer Überlastung, weil immer mehr Patienten von immer weniger Mitarbeitern betreut werden müssten. Pro Schicht werden nicht selten bis zu 16 Menschen versorgt, zeigt eine Umfrage des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern vom vergangenen Herbst. Für Aufgaben wie An- und Auskleiden, Waschen, Mund- und Zahnpflege, inklusive An- und Abfahrt, blieben da häufig nicht mehr als 20 Minuten Zeit pro Patient, kritisiert die Liga. Überstunden seien die Regel, ein erhöhter Krankenstand und Burn Outs die Folgen. „Die Bedingungen haben sich dramatisch verschlechtert“, so Kaczynski.

In Brandenburg kommt verschärfend die demografische Entwicklung hinzu. „Bis 2020 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen um mehr als die Hälfte erhöhen“, gab der Liga-Vorsitzende zu bedenken. Bereits jetzt würden die Ausbildungsraten den zu erwartenden Bedarf an Fachkräften nicht mehr abdecken können, bemängelte Dieter Wollenberg von der Awo. Hinzu komme eine hohe Abwanderungsquote junger qualifizierter Fachkräfte in die alten Bundesländer.

Angaben des Landesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zufolge arbeiten rund 22 000 Beschäftigte in Brandenburg im Pflegebereich. Knapp 32 Prozent davon sind immerhin mehr als 50, aber nur gut drei Prozent mehr als 60 Jahre alt. „Aufgrund der starken körperlichen Belastung sind viele ältere Kollegen nicht mehr in der Lage, weiter zu arbeiten“, soKaczynski. Rückenprobleme etwa seien ein häufiges Problem.

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