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Von Matthias Matern: Geschäftsführer dringend gesucht

Viele Firmenchefs stehen vor der Rente. 2011 werden einer Studie zufolge in Brandenburg etwa 30 Prozent Führungskräfte fehlen

Von Matthias Matern

Gransee - Michay Pietzsch sorgt vor: Vor rund zwei Jahren gründete der Geschäftsmann aus dem Landkreis Oberhavel die Gransee Stahlbau GmbH. Der Metallverarbeitungsbetrieb, der vor allem Teile für die Schienenfahrzeugindustrie herstellt, hat sich seitdem gut entwickelt. „Mittlerweile spüren zwar auch wir die Krise, doch die Firma ist gesund“, sagt Pietzsch. Um knapp elf Prozent wuchs der Umsatz im vergangenen Jahr, 40 Mitarbeiter und zwei Auszubildende beschäftigt das Unternehmen. Obwohl Geschäftsführer Pietzsch selbst erst 45 Jahre alt ist, hat er seine Nachfolge bereits geregelt. Zwei Mitarbeiter will er ab August durch zusätzlich Qualifizierungskurse auf ihre künftigen Führungsaufgaben vorbereiten lassen.

„Was kleine und mittelständische Betriebe in Brandenburg betrifft, ist Michay Pietzsch wirklich eine Ausnahme. Er denkt sehr weit voraus“, meint Uwe Gluntz, Geschäftsführer der Gesellschaft für Personalentwicklung Nord. Gemeinsam mit mehreren Hochschulen des Landes unter Federführung der Universität Potsdam hat Gluntz das Projekt „Der Mittelstand führt“ entwickelt. Aufbauend auf eine erste Bedarfanalyse soll durch Kursangebote und Vermittlungshilfen der sich immer stärker abzeichnende Mangel an Führungskräften im Land bekämpft werden. Gefördert wir die Maßnahme durch das Arbeitsministerium Brandenburg und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds der EU.

In einigen Betrieben sei die Lage bereits dramatisch, berichtet Gluntz aus eigener Erfahrung. Rund 600 Firmen umfasst die Datenbank der Personalentwicklungsgesellschaft. Viele davon hat er in den vergangenen Monaten persönlich besucht. „Der Altersdurchschnitt der Geschäftsführer und Mitarbeiter in leitenden Funktionen liegt derzeit wischen 50 und 55 Jahren. Manche sind sogar bereits Anfang 60“, berichtet der Personalentwickler. In einigen Fällen hätte die Frage der Nachfolgeregelung die Geschäftsleitung regelrecht „erschreckt“.

Einen wesentlichen Grund sieht Uwe Gluntz in der Geschichte der Betriebe in Brandenburg. „Viele kleine und mittelständische Firmen wurden nach der Wende von führenden Mitarbeitern ehemaliger Kombinate oder volkseigener Betriebe gegründet.“ Diese seien zwar in der Regel technisch hervorragend ausgebildet, hätten aber nur wenig Managementerfahrung. Zudem habe das alltägliche Geschäft lange die Frage der Nachfolge überlagert. „Jetzt steht der Generationswechsel an.“ Je mehr die Zeit drängt, desto schwieriger sei es einen Nachfolger zu finden.

Einer Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle zufolge werden 2011 rund 30 Prozent Führungskräfte in der Region fehlen. Doch geeigneter Nachwuchs ist rar, glaubt der Personalentwickler. „Die wenigen hoch qualifizierten Kandidaten werden entweder von großen Firmen direkt von der Hochschule abgeworben, oder wandern Richtung Westen ab“, sagt Gluntz.

„Die Situation ist katastrophal“, findet auch Geschäftsführer Michay Pietzsch. 99 Prozent der Bewerbungen müsse er wieder zurückschicken. „Bevor ich 30 Jahre warten muss, bis einmal ein geeigneter Bewerber vorbeischneit, bereite ich lieber zwei meiner eigenen Mitarbeiter auf die Geschäftsübernahme vor.“ Ab August werden deshalb die 28-jährige Manuela Brei und der 31-jährige Rico Ramolla in das Kursprogramm „Mittelstand führt“ einsteigen. Insgesamt 120 Stunden umfassen die Schulungen. Angeboten werden Kurse zur Führungskompetenz, Organisation, innerbetriebliche Kommunikation und Betriebswirtschaft. „Der Vorteil ist, dass die Schulungen immer freitags und samstags stattfinden. So sind die beiden unter der Woche im Betrieb“, meint Pietzsch.

Die Perspektive, später die Firma zu übernehmen, habe sie sehr gefreut, versichert Manuela Brei. „So eine Chance bekommt man nicht oft.“ Gerne nehme sie dafür in Kauf, einen Teil ihrer Freizeit zu opfern. Von den Kursen erhoffe sie sich etwas mehr Selbstvertrauen im Auftreten. Wann sie und Ramolla die Verantwortung übernehmen sollen, steht nicht fest. Im Vergleich zu einigen anderen Geschäftsführern hat Pietzsch Zeit. „Ich merke, wenn die beiden soweit sind.“

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