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Bäume des Anstoßes. Die Ahorne auf dem Gendarmenmarkt sollen weg  für eine Umgestaltung des Areals. 

© Georg Moritz

Von Lothar Heinke und Stefan Jacobs: Ahorn-Zorn

Der Gendarmenmarkt soll umgebaut werden – es regt sich Widerstand

Berlin - Wie wohltuend diese Bäume sind! Fürs Klima in Berlins Mitte. Als Schattenspender an heißen Sommertagen. Die Touristen suchen Schutz unter den Kugelahorngewächsen rund um den Französischen Dom am Gendarmenmarkt. Sie genießen im Frischluft-„Refugium“ ihren Eiscafé – und ahnen nicht, dass dies die letzte Saison im Schatten des Ahorn sein könnte. Denn die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung plant, einen der schönsten Plätze Europas umzugestalten. Drei Jahre soll das dauern, mehrere Millionen Euro kosten – und einen regelrechten Kahlschlag hinterlassen. Denn die 140 Kugelbäume sollen fallen, weil sie nach Meinung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Blick auf den Französischen Dom behindern und verstellen. Zudem soll das kleinteilige Pflaster des Platzes herausgerissen und durch Platten ersetzt werden.

Und die Gegener der sechs Millionen Euro teuren radikalen Umgestaltung des Gendarmenmarktes haben den Kampf aufgenommen. Am Donnerstag startete eine Bürgerinitiative ihre Unterschriftenaktion. Am Schillerdenkmal erhielten die Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes als Initiatoren viel Zuspruch, die Planungen für die auf drei Jahre angesetzte Umgestaltung zu stoppen. Vor allem die Idee, sämtliche Kugelahornbäume zu opfern, stößt auf massiven Widerspruch. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus  spricht von unnötiger Luxussanierung eines intakten Stadtplatzes und die Grünen sagen, eine Musealisierung des Platzes sei falsch, „denn die Schönheit des Gebäudeensembles am Gendarmenmarkt gewinnt ihren Charme gerade im Zusammenwirken mit der alltäglichen urbanen Nutzung des Platzes“. Das Abhacken der über hundert kleinen Ahornbäume sei absurd, sagen die Grünen-Politikerinnen Franziska Eichstädt-Bohlig und Alice Ströver. Notwendig sei nicht die Geldverschwendung durch den geplanten Umbau, sondern die solide Instandsetzung und Ausbesserung der Pflasterung und der Platzmöblierung sowie die überfällige Baumpflege. Auch Lea Rosh, erfahren im Streit der Meinungen und Argumente, war gekommen, um die Beseitigung von Schattenspendern samt Chlorophyll „unmöglich“ zu finden: „Für mich ist dies inzwischen wirklich der schönste Platz in Europa. Er wird von den Gästen angenommen, wie er ist – die Argumente, den Platz umzumodeln, sind an den Haaren herbeigezogen. Die DDR hat hier mit viel Sorgfalt und Akribie etwas Schönes geschaffen. Das muss man achten und pflegen, aber nicht beseitigen.“

Rigorose Umgestaltung oder behutsame Instandsetzung – das ist die Frage, um die es in Berlins Mitte in den nächsten Monaten geht. In mehreren Foren wurde die Senatsplanung (bei der das Bezirksamt Mitte als kommunaler Bauherr auftritt) erläutert und diskutiert, die Sympathie der Senatsbaudirektorin „für das Sichtbarmachen der historischen Gebäude“ war unverkennbar. Natürlich klingt das ungleich harmloser als die brutale Wahrheit vom Fällen von 140 gerade mal 26 Jahre alten Bäumen. Die heutigen Senatsplaner könnten sich ein Beispiel an den geistigen Vätern der Neuordnung des Gendarmenmarktes von 1984 nehmen. Landschaftsarchitekt Hubert Matthes und Schauspielhaus-Architekt Manfred Prasser hatten damals große Achtung vor den anno 1895 gepflanzten Bäumen, die rings um den Deutschen Dom den Krieg überstanden hatten. „Wir lassen sie stehen, damit sie in Würde sterben“, sagten sich die DDR-Planer damals. „Sollten wir nicht junge Bäume, die gut und gern ihr Leben noch vor sich haben, nicht auch pflegen, hegen und in Würde altern lassen?“ fragt Landschaftsplaner Axel Zutz heute.

Zusammen mit Landschaftsarchitekt Joerg Th. Coqui formulierte der 44-jährige Gartenhistoriker ein Plädoyer dafür, dass Denkmalpflege „nicht die Zerstörung vorhandener konzeptionell hochwertigster, zeitgenössischer Anlagen zugunsten des Neubaus verlorener Zeitschichten“ bedeuten kann. Junge, von ideologischen Scheuklappen befreite Gartengestalter erkennen plötzlich die inhaltlichen Vorzüge der jüngsten Platzraumgestaltung aus den achtziger Jahren: Die damalige Arbeit am „Platz der Akademie“ sei „ein vortreffliches Beispiel moderner Landschaftsarchitektur, wie zu Zeiten der DDR mit Geschichte als Ressource Gegenwartsaufgaben gelöst worden sind“.

Wenn man heute nach einer denkmalpflegerischen Leitschicht sucht, kann man diese nur in den achtziger Jahren zur Zeit der Fertigstellung von Schauspielhaus, Französischer Kirche, Platzfläche und Platzwänden finden, sagen die beiden jungen Architekten. Damals stand Schinkel bei der Gestaltung Pate, sagt Manfred Prasser. Sein Kollege, Landschaftsarchitekt Hubert Matthes, wollte nach dem Vorbild der Brühlschen Terrassen in Dresden „Baumsäle“ anlegen und hatte Linden im Sinn. Da jedoch 1984 der Pflegeaufwand als zu hoch eingestuft wurde, nahm man stattdessen Acer platanoides Globosum, den Kugelahorn. „Er müsste eigentlich nur ab und zu ordentlich verschnitten werden“, sagt Ada Withake-Scholz als Anliegerin, „und das ist wahrhaft billiger als die Variante Kleinholz“.

Gegen die Argumente der Demonstranten stemmt sich am Donnerstag Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe. Er ist ganz anderer Meinung, voll auf einer Linie mit der (abwesenden) Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Gothe meint, dass die Bäume den Blick auf den Französischen Dom versperren, dass das kleinteilige Pflaster unschön ist und der Platz überhaupt nicht erhöht sein sollte. „Hier ist überhaupt keine Aufenthaltsqualität“, sagt der Stadtrat und verschränkt die Arme vor der Brust – empörter Widerspruch: „Wer da unter dem Schatten sitzt, ist doch kein Penner“, ruft Lea Rosh. Die Gegensätze sind unversöhnlich. Am Stand vor dem „Refugium“ kann jeder unterschreiben, dass die Bäume bitte weiter rascheln mögen.

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