zum Hauptinhalt
Internet durchs Dachfenster: Thomas Jansen aus Blumenthal bei Wittstock ist Teilnehmer an einem Pilotprojekt zur Übertragung von Internet auf Rundfunkfrequenzen. Noch allerdings stehen Empfangsgeräte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung.

© Thilo Rückeis

Von Johann Legner und Matthias Matern: Lagerkämpfe um schnelles Internet

Staatskanzlei feiert Gutscheine von Satellitenbetreiber Eutelsat. CDU schaltet Verbraucherzentrale ein

Von

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) läuft die Zeit davon. Sein Versprechen, bis zum Jahresende landesweit schnelles Internet zur Verfügung zu stellen, ist nicht zu halten, sagen Kritiker. Nach Angaben des Branchenverbandes Bitkom verfügen derzeit knapp 70 Prozent der rund 1,2 Millionen brandenburgischen Haushalte über die Möglichkeit, einen Breitbandanschluss zu nutzen. Mindestens 95 Prozent sollen es aber werden.

„Der Ministerpräsident hat den Mund sehr voll genommen“, ätzt etwa der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Axel Vogel. Eine überzeugende Strategie fehle. Selbst der Koalitionspartner CDU will von der gemeinsamen Regierungserklärung nichts mehr wissen. „Diese Vorgabe halten wir nicht für zielführend“, erklärt Generalsekretär Dieter Dombrowski.

Clemens Appel, Chef der Staatskanzlei, verteidigt dagegen das Versprechen. „Es wird keine Abstriche beim Konzept geben.“ Das Land setze weiter auf die drei Säulen Richtfunk, freie Rundfunkfrequenzen und für „kleine weiße Flecken“ auf das Internet via Satellit. Bei der Frage, ob das gesteckte Ziel zu erreichen sei, verweist Appel auf eine Hintertür in der Regierungserklärung. Es heiße explizit, „weitestgehend“ werde die Versorgung gewährleistet.

Dennoch steht Platzeck mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen unter Druck. Deshalb wird jetzt auf die Tube gedrückt. Am Montag etwa nahm Appel 2000 Gutscheine der Firma Eutelsat entgegen. Beim Abschluss eines Zweijahresvertrages will das Unternehmen zum Vorzugspreis von knapp 40 Euro Landwirte und Handwerksbetriebe in unversorgten Regionen per Satellit ins Netz holen. Die nötige Schüssel und das Modem gibts gratis dazu. Verteilt werden sollen die Gutscheine durch die Kammern und den Städte- und Gemeindebund.

Kritik an der Vereinbarung kommt ausgerechnet vom Koalitionspartner CDU. „Das ist Teil einer Wahlkampfstrategie“, schimpft Dombrowski. Außerdem könne sich jeder diesen Gutschein aus dem Internet herunterladen, ob er nun in Brandenburg wohne oder nicht. „Damit wurde das Land zum Werbeträger für Eutelsat gemacht.“ Sollten alle 2000 Gutscheine eingelöst werden, bedeute dies für das Unternehmen einen zusätzlichen Erlös von mehr als zwei Millionen Euro, meint der CDU-Generalsekretär. Einen Gutschein habe er mittlerweile an die Landesverbraucherzentrale weitergeleitet.

Vergrätzt dürfte die CDU aber auch sein, weil sie nicht das erste Mal ausgebootet wurde. Laut einer von der Staatskanzlei jüngst betriebenen Ausschreibung soll in 26 Ortsteilen des Landes mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm II jeweils ein Richtfunkmast aufgestellt werden. Letzte Woche wurden Gemeindevertreter in die Staatskanzlei eingeladen, wo ihnen das Programm erläuterte wurde. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium, in dem gleich mehrere Fachreferate solche Fragen bearbeiten sollen, ist nach Aussagen von Abteilungsleiter Michael Richter, „erst später einbezogen worden“. Der Vorstoß der Staatskanzlei erfolgte, nachdem sich abzeichnete, dass die Versuche, großflächige Internet-Versorgung durch Rundfunkfrequenzen zu ermöglichen, nicht den erhofften schnellen Erfolg brachten. Vor allem mangelt es noch an einer ausreichenden Zahl von Empfangsgeräten. Das Wirtschaftsministerium und die CDU waren von Anfang an skeptisch.

Hinter der Auseinandersetzung um die Verantwortlichkeiten steckt auch ein konzeptioneller Streit. Die Staatskanzlei hat bislang eng mit dem früheren Monopolisten Telekom zusammengearbeitet. Der aber wird von der mittelständischen Konkurrenz beschuldigt, keinen fairen Wettbewerb zuzulassen. Wirtschaftsminister Ulrich Junghans bemühte sich, diesen Klagen gerecht zu werden. Die jetzt erfolgte Ausschreibung ist allerdings so ausgerichtet, dass sie vom Umfang her jeden der heimischen Betriebe überfordern könnte, gleichzeitig allerdings die dominierende Telekom absichert. Viele der mittelständischen Unternehmen zeigen sich tief enttäuscht – halten sich allerdings mit öffentlicher Kritik zurück. „Wir fragen uns allerdings, wem das alles nützen soll“, sagt Holger Matho, von complus, einem in Brandenburg (Havel) ansässigen Betrieb. „Diese Ausschreibung hilft uns genau so wenig wie denen, die sehnsüchtig auf einen schnellen Internet-Zugang warten.“

Die Gemeinden, die jetzt ins Richtfunk-Boot sollen, wurden ebenfalls überrascht. In der Lausitzstadt Spremberg soll etwa der Ortsteil Lieskau eine Funkstrecke erhalten. Im Rathaus ist man darüber wenig erfreut und hat ganz andere Prioritäten. „Wir müssen dies erst noch genauer durchsprechen“, heißt es. In Karstädt (Prignitz), wo laut Ausschreibung alle Ortsteile infrage kommen, wird demnächst die Gemeindevertretung beraten. „Wir müssen dann prüfen, ob wir dieses Angebot annehmen wollen“, wird mitgeteilt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false