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Von Andreas Wilhelm: Pharmaunternehmen baut ein Clubhotel

Das Unternehmen stellt keine Medikamente her, investiert aber sieben Millionen Euro in die Immobilie

Neuruppin - Was die Leute von dem Grundstück und dessen Zukunft wissen haben sie lediglich auf dem Baustellenschild gelesen. „Und wir haben gehört, dass es Russen sind, die da bauen“, sagt die Angestellte des Gasthauses Boltenmühle. Mehr ist im Umkreis der winzigen Siedlung Steinberge, im Verwaltungsbereich Neuruppin, erstmal nicht zu erfahren. Bekannt ist nur: Dort soll jetzt ein Clubhotel für sieben Millionen Euro errichtet werden. Von einem Investor, über den niemand etwas weiß.

Vergebliche Anläufe, das romantische Grundstück zu bebauen, gab es schon einige, heißt es aus dem Neuruppiner Rathaus. Bis zur Wende hatten die Elektrophysikalischen Werke (EPW) Neuruppin versucht, eine Ferienanlage zu errichten. Mit der Planwirtschaft ging auch der sozialistische Großbetrieb zugrunde. Nur Kellergeschoss ragte aus dem Boden und das Grundstück verwaiste. Seitdem gab es immer mal wieder unfruchtbare Bemühungen für den Wiederaufbau, sagt Arne Krohn, Baudezernent der Stadt Neuruppin.

Aus dem ehemaligen VEB-Betrieb wurde eine Immobiliengesellschaft namens EPW-AG später -GmbH. Diese vermarktet seit dem Niedergang der DDR die Betriebs-Grundstücke des ehemals größten Arbeitgebers in Neuruppin und hat laut Grundbuchamt der Berlin Pharma GmbH (BPG) das Grundstück und den See verkauft. Eine Internetseite hat das Unternehmen, das die Millioneninvestition vornehmen will, nicht. Lediglich in Online-Firmen-Verzeichnissen wird BPG erwähnt. Mit unterschiedlichen Adressen. Der dort angegebene Geschäftsführer heißt Dimitri Chevtchenko. Der meldet sich auch unter der angegebenen Nummer, verweist aber für alle weiteren Informationen auf Nico Erbe.

Der Neuruppiner leitet nach eigenen Angaben für Herrn Chevtchenko als Generalunternehmer die Baustelle am Giehmsee. Inhaber des Bauunternehmens, das ebenfalls auf einen Internetauftritt verzichtet, sei seine Freundin. Schon im kommenden Jahr, sagt Erbe, soll in Steinberge, „der erste Bauabschnitt mit rund 30 Betten“ stehen. Außerdem geplant sind Restaurant, Bistro, Wintergarten, Sommerterrasse, Festsaal sowie Konferenzräume. Nicht für eine auserwählte Klientel soll das Hotel sein, wie Erbe erklärt, sondern „für jedermann zu erschwinglichen Preisen“. Ihn selbst verbinde mit dem BPG-Chef ein enges Bekanntschaftsverhältnis, sagt Nico Erbe, deswegen sei er als Baumanager eingesetzt worden.

Aber warum baut ein Pharmaunternehmen ein Clubhotel? Ein Investmentprojekt, sagt Erbe. Man habe sich entschieden, überschüssiges Geld in eine Immobilie zu stecken. „Um mehrere Standbeine zu haben.“ Dass so wenig im Internet über den Investor zu erfahren ist, begründete Erbe mit der Tatsache, dass „man nicht großartig Werbung machen wolle“. Außerdem handele es sich bei der BPG um eine Vorratsgesellschaft. Das ist eine Kapitalgesellschaft, die bereits im Handelsregister eingetragen ist, jedoch nach der Gründung zunächst nicht wirtschaftet, sondern als leere Hülle existiert. Sinn des ganzen ist der spätere Verkauf der GmbH ohne Gründungsrisiko. Langfristig wolle BPG in Deutschland unter anderem Antibiotika auf Filmtablettenbasis herstellen, sagte Erbe.

Bei der BPG scheint Geld kein Problem zu sein. Verwunderlich ist, warum das Unternehmen solche bombastischen Überschüsse macht, wenn noch keine einzige Pille verkauft ist. Die Gewinne, sagt der Neuruppiner Erbe, stammen aus anderen Tochterfirmen. BPG nämlich sei, so wie andere Ableger in Russland, Weißrussland und der Ukraine, eine Tochter des amerikanischen Mutterkonzerns Alex Pharm. Über dieses Mutterunternehmen gibt es ebenfalls kaum Einträge im Internet. Erwähnt wird lediglich eine Firma namens Alex Pharm Ltd. in der ukrainischen Hauptstadt Kiew – ebenfalls ohne eigene Internetseite.

Unter deutschen Branchenkennern ist die Firma gänzlich unbekannt. Beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) ist sie nicht gelistet. Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI), Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA), Bundesverband Medizintechnik und Medizintechnologie (BVMed) - überall Fehlanzeige. Beim Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) wird man erst erfasst, wenn man ein Medikament zulassen möchte – und das gibt es noch nicht von BPG. Auch das Wirtschaftsministerium kennt weder Unternehmen noch Vorhaben. Fördergeld sei nicht beantragt worden.

Für die Stadt Neuruppin gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. Im Flächennutzungsplan ist das Gebiet als Hotelstandort vorgesehen, sagt Rathaussprecher Andreas van Hooven. „Die Pläne, die uns vorgestellt wurden, sind vereinbar mit den Rechtsgrundlagen.“

Andreas Wilhelm

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