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Filmreif. Den vier Gefangenen gelang die Flucht durch einen Belüftungsschacht – mit Hilfe eines Hammers und eines Trennschleifers.

© Paul Zinken/dpa

Brandenburg: Vier Ausbrecher aus der Haftanstalt Plötzensee

Die Männer entkamen über eine Autowerkstatt. Die Überwachung hat versagt

Berlin - Hammerschläge, Trennschleifer, unbeobachtete Überwachungsmonitore: In Berlin sind am Donnerstagmorgen vier Gefangene aus der Haftanstalt Plötzensee ausgebrochen. Die Männer, unter ihnen Gewalttäter und Seriendiebe, sind mit Hilfe schwerer Werkzeuge aus der Anstalt geflohen. Das bestätigten Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Anstaltsleiter Uwe Meyer-Odewald.

Die vier Häftlinge arbeiteten ab 6.30 Uhr mit anderen Gefangenen in der Autowerkstatt der Anstalt, wo sie von drei Justizangestellten bewacht wurden. Die Ausbrecher öffneten zunächst eine mit einem Sicherheitsschloss versehene Tür. Möglicherweise, so ein Verdacht, war die Tür nicht korrekt abgeschlossen. Die Werkstatt, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), sei in einem Altbau untergebracht, unübersichtlich und verwinkelt. Die niedrige Zahl von drei Bediensteten, die an diesem Morgen die arbeitenden Häftlinge bewachten, bezeichnete Behrendt als „nicht unüblich“.

Im Heizungsraum hinter der Werkstatt brachen die Ausbrecher mit einem Hammer den Betonpfosten zwischen den Lüftungsschlitzen aus der Verankerung. Mehrere in den Pfosten eingegossene Stahlarmierungen durchtrennten sie mit einem Trennschleifer. Die Werkzeuge gehören zur Ausstattung der Werkstatt, der elektrische Schleifer wurde an einen Gefangenen gegen Quittung ausgegeben – nicht aber an einen der vier Flüchtigen. In der Werkstatt herrscht viel Lärm. Die Hammerschläge und der Trennschleifer, mit denen die Männer nebenan einen Lüftungsschacht nach draußen freibrachen, dürften so nicht gehört worden sein.

Binnen drei Minuten zwängten sich die Männer kurz vor 9 Uhr durch die Öffnung von rund 60 mal 30 Zentimetern. Auf dem Rasen vor dem Haus überwanden sie einen mit Stacheldraht gesicherten Zaun. Sie hoben das Drahtgeflecht an, um untendurch zu entweichen. Die Flucht wurde von einer Kamera am Gefängnistor gefilmt, die Bilder lösten aber keinen Alarm aus. Die Justizangestellten in der Alarmzentrale sahen den Ausbruch nicht. Die Flucht wurde erst gegen 9.30 Uhr bemerkt. Die Beamten in der Zentrale müssen 30 Monitore im Blick behalten, auf denen abwechselnd 60 Kameras zugeschaltet werden. Auf den Bildern seien keine Helfer zu erkennen. Die Anstalt habe einen mittleren Sicherheitsstandard, sagte Behrendt. Höher ist er in Gefängnissen in Tegel, wo Schwerkriminelle einsitzen.

Nach den zwischen 27 und 38 Jahre alten Männern wird gefahndet. Zwei sind deutsche Staatsbürger, zwei stammen aus Nahost und werden unter „ungeklärte Staatsangehörigkeit“ geführt. Ihre Haftzeit hätte zwischen 2018 und 2020 enden sollen. Ob sich die vier Flüchtigen schon vor der Haft kannten, sei unklar. Zwei von ihnen haben zuvor schon im Gefängnis gesessen. Drei waren gemeinsam in einer Teilanstalt untergebracht. Wie üblich werden nun Familie, Freunde und Ex-Komplizen überprüft. Die meisten Gefangenen werden nach Ausbrüchen gefasst. In Deutschland ist die Flucht straffrei – sie wird als natürlicher Freiheitstrieb eingestuft. Das gilt nicht für die Hilfe zur Flucht: Wer einen Ausbrecher abholt, versteckt und versorgt, macht sich der Gefangenenbefreiung strafbar.

Die CDU gibt dem rot-rot-grünen Senat die Schuld für den Ausbruch. Die Flucht sei ein „Super-GAU“ für Justizsenator Behrendt, erklärte die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „In früheren Zeiten haben Justizsenatoren bei solchen Ereignissen ihr Amt zur Verfügung gestellt.“

Jörn Hasselmann, Hannes Heine

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