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Redner: Ex-Regierungschef Stolpe am Freitag neben Nachfolger Platzeck.

© dapd

Vergangenheits-Debatte in Brandneburg: Stolpe räumt Fehler ein und spricht von Hetze

Ex-Regierungschef verteidigt seine Politik der Nachwendezeit und auch die ungleiche Praxis bei den Stasi-Überprüfungen in den einzelnen Ministerien, greift aber offen die Landtags-Opposition und BStU an. Stolpe spricht von Hetze.

Potsdam - Brandenburgs Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hat Fehler beim Umgang mit dem DDR-Erbe in Brandenburg eingeräumt, aber auch vor „Missbrauch der Enquete-Kommission“ des Landtages gewarnt und Medien vorgeworfen, Unsicherheit ins Land zu tragen. Kritikern am Umgang der von ihm geführten Landesregierungen mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern unterstellte er, sie bekämpften in Wahrheit die aktuelle SPD/Linke-Regierung: Ziel sei es, Rot-Rot zu stürzen, so Stolpe. In Brandenburg tobe ein „Kampf um die Meinungshoheit“.

Stolpe sprach am Freitagabend auf dem Sommerfest der Landes-SPD in Potsdam ausdrücklich von „Hetze“, die betrieben werde, wenn es um die Nachwendezeit und den Umgang etwa mit einstigen Mitarbeitern der DDR-Staatssicherheit in Landtag und im Landesdienst geht. In Bezug auf die Arbeit der Enquete-Kommission und die Reaktionen darauf sagte er, er habe wenig Verständnis, wenn einige „sich hysterisch auf die Vergangenheit stürzen, wenn von einigen Hetze betrieben wird“. Er habe in seiner Regierungszeit damals nichts vertuscht, er habe auch nichts gegen Überprüfungen gehabt. Die Feststellung von Gutachtern der Enquete-Kommission, dass in Brandenburg die Stasi-Aufarbeitung mangelhaft gewesen ist, nannte er „Hetze“ und „Lüge“.

Zugleich verteidigte er die uneinheitliche Übernahmepraxis Stasi-belasteter Mitarbeiter in den Landesdienst. So stellte er sich sowohl hinter die harte Linie der ersten Bildungsministerin des Landes, der späteren Chefin der Stasiunterlagenbehörde Marianne Birthler (Bündnis90), die dann wegen Stolpes Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit die Regierung verließ: „Die Bildungsministerin ging streng vor – dafür hatte ich Verständnis.“ Ihm seien „viele, viele Fälle bekannt geworden“ von einzelnen Lehrern, die in „einer üblen Weise gegen Kinder und Familien vorgegangen“ seien.

Andererseits stellte er sich auch hinter das deutlich andere Vorgehen anderer Minister. In Bezug auf Justizminister Hans-Otto Bräutigam (parteilos) sagte Stolpe: „Unser Justizminister hat sich bemüht – und nach meiner Ansicht erfolgreich bemüht –, sich jeden Einzelfall bei Richtern und Staatsanwälten anzusehen.“ Bräutigam sei ein „Vorbild an Recht und Gerechtigkeit“. Innenminister Alwin Ziel (SPD), unter dem mehr als 1000 Stasi-belastete Polizisten übernommen wurden, sei „von seinen westlichen Berater gedrängt worden: Schickt bloß nicht alle Fachleute weg.“

Stolpe bestätigte damit ein am Freitag in der Enquete-Kommission vorgestelltes Gutachten, das zu dem Schluss kam, dass es in Brandenburg keine systematische und keine einheitliche Stasi-Überprüfung gegeben hat. Dies, so Stolpe, sei ausdrücklich so gewollt gewesen: „Wir haben uns entschieden, dass die Ministerien jedes für sich entscheiden, wie sie eine Überprüfung vornehmen.“ Im Rückblick auf die Zeit unmittelbar nach der Wende sagte er: „Ich habe darauf vertraut, dass es möglich sein wird, eine ehrliche Sichtung der Geschichte vorzunehmen.“ Er habe geglaubt, dass das Thema Vergangenheit nach fünf Jahren vorbei sei. Er habe aber verkannt, dass sich „in der Bundesrepublik“ die Darstellung der DDR „mehr und mehr darauf konzentriert, die Staatsicherheit zu benennen“ – als Synonym für die DDR.

Er räumte ein, dass es ein Fehler war, anders als die anderen neuen Bundesländer keinen „Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur“ einzusetzen. Hätte er die heutigen Debatten damals schon geahnt, hätte er darauf gedrängt, „dass wir sehr intensiv und mit besten Leuten eine Beauftragung vornehmen“, die Geschichte der DDR aufzuarbeiten und „dafür Sorge zu tragen, für klare Verhältnisse zu sorgen“, um „nicht die Getriebenen zu werden“. In Brandenburg wurde die Stelle erst im Jahr 2010 eingerichtet.

In Bezug auf die in den 1990er Jahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe, als Kirchenjurist als Inoffizieller Mitarbeiter „Sekretär“ für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet zu haben, erhob Stolpe – wie schon früher – Vorwürfe gegen die Stasiunterlagenbehörde BStU: Es gebe „eindeutig“ eine „Linie“, die „seit 1991 gegen mich“ aus „der BStU heraus geführt wird“ und die nun in die „Enquete-Kommission“ fortgeführt werden solle.

Stolpe soll selbst noch als Zeitzeuge von der Kommission gehört werden. Teilen der Opposition warf er einen „Missbrauch der Kommission“ vor. Die Angriffe zielten auf seinen Nachfolger: „Man schlägt Stolpe und hofft, dass es Platzeck trifft“, sagte Stolpe mit Sicht auf das Enquete-Gutachten zu seinem Nachfolger als Regierungschef Matthias Platzeck (SPD). In dem Enquete-Papier heißt es, Stolpe hätte – aus damaliger Sicht und nach den damals in Brandenburg selbst aufgestellten Kriterien – wegen seiner Stasi-Kontakte sein Abgeordnetenmandat zurückgeben müssen. Im Gutachten wird er auf zwei von 129 Seiten passagenweise erwähnt.

Stolpe bezichtigte „Medien, Missbrauch und Attacken durch Herausziehen von Akten von der BStU“ zu betreiben und so „Unsicherheit ins Land“ zu tragen. Die jüngsten Debatten hätten „den Nebeneffekt, dass Vorurteile bedient und Zugezogene in Brandenburg verunsichert werden“. thm/pet

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