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Fanal. Die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs nach dem Anschlag.

© dpa

Brandenburg: Verfassungsschutz schon lange unter Verdacht NSU-Ausschuss soll Verstrickungen bei „Nationaler Bewegung“ und bei Anschlag in Potsdam prüfen

Potsdam - Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht, aber nicht ganz neu: Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages wird der Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem nie aufgeklärten Anschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofes in Potsdam im Jahr 2001 und anderen Straftaten der mysteriösen „Nationalen Bewegung“ nachgehen. Das haben Vertreter von Linke, Grünen, CDU und AfD am Dienstag im Landtag erklärt, nachdem Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg den Verdacht möglicher Verwicklungen und Verstrickungen des Inlandgeheimdienstes öffentlich formuliert hat.

Potsdam - Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht, aber nicht ganz neu: Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages wird der Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem nie aufgeklärten Anschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofes in Potsdam im Jahr 2001 und anderen Straftaten der mysteriösen „Nationalen Bewegung“ nachgehen. Das haben Vertreter von Linke, Grünen, CDU und AfD am Dienstag im Landtag erklärt, nachdem Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg den Verdacht möglicher Verwicklungen und Verstrickungen des Inlandgeheimdienstes öffentlich formuliert hat. Mit seiner Aussage hatte Rautenberg vergangene Woche im Landtag viele überrascht und hinter den Kulissen der rot-roten Koalition Verstimmungen provoziert.

Kritik an Rautenberg kam am Dienstag von der CDU. Jan Redmann, der parlamentarische Geschäftsführer, fragte, warum der Generalstaatsanwalt gerade jetzt mit diesem Verdacht komme. Gleichwohl versicherte CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben, dass auch für die Union Aufklärung Vorrang habe. Der Vorgang betrifft die Amtszeit des früheren CDU-Innenministers Jörg Schönbohm, in der der Verfassungsschutz in den Jahren 2000 bis 2004 von Heiner Wegesin geführt worden war, bis der von Schönbohm gefeuert wurde.

Für Zeitzeugen ist der Rautenberg-Verdacht gar nicht abwegig. Denn der Verfassungsschutz hatte schon damals im Zusammenhang mit der „Nationalen Bewegung“ für Schlagzeilen gesorgt, Regierung, Parlament und Parlamentarische Kontrollkommission in Aufregung versetzt. Die Liste der bekannten, von vielen inzwischen vergessenen Merkwürdigkeiten im Agieren des Verfassungsschutzes ist länger als von Rautenberg aufgelistet.

Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin versuchte zu verhindern, dass der Brandanschlag dem Generalbundesanwalt zur Übernahme angeboten wurde.

Wegesin ließ das Bekennerschreiben der „Nationalen Bewegung“ während des laufenden Ermittlungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft im Internet veröffentlichen – unabgestimmt. Die Generalbundesanwaltschaft wertete dies als Behinderung der Ermittlungen.

2001 verriet mitten in den Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft ein V-Mann des Verfassungsschutzes den Neonazis eine bevorstehende Razzia in der rechtsextremen Szene, mit der Aktivisten der „Nationalen Bewegung“ gefasst werden sollten. Die Razzia war erfolglos, der V-Mann wurde später wegen Geheimnisverrates verurteilt.

Die Täter der „Nationalen Bewegung“ konnten nie gefasst werden. Vor dem Brandanschlag hatten sie ein Jahr rechtsextreme Straftaten verübt, ob Drohbriefe, ein Anschlag auf einen türkischen Imbiss oder Rudolf-Heß-Transparente an Autobahnen. Nach dem Brandanschlag, seit der Generalbundesanwalt ermittelte, verschwand die „Nationale Bewegung“ plötzlich komplett von der Bildfläche.

Der Verrat der Razzia durch den V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes wurde 2003 publik – und sorgte für ein politisches Beben. Zu einem Zeitpunkt, als der Verfassungsschutz und Schönbohm bereits unter Druck waren in einem anderen Skandal: Der V-Mann Toni S. hatte mit Wissen des Verfassungsschutzes eine Hasslieder-CD mit Mordaufrufen gegen Künstler, Linke, Andersdenkende, auch gegen Rautenberg, in einer Auflage von 2000 Exemplaren produziert und vertrieben. Wenn sich damals auch noch eine Verwicklung in den Brandanschlag und die „Nationale Bewegung“ bestätigt hätte, wäre Schönbohm nicht zu halten gewesen. Zwar gab es damals Sondersitzungen der Geheimdienst-Kontrollkommission im Landtag – aber nie eine Aufklärung. Die wäre jetzt erstmals mit dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages möglich.

Am vehementesten drängen die Grünen. Sie fordern, den Komplex „Nationale Bewegung“ vorzuziehen. Ein Sprecher des Innenministeriums versicherte: „Wir werden uns sehr aktiv daran beteiligen, diese Vorgänge aufzuhellen. Wir werden alles tun, um gemeinsam mit dem Ausschuss die Vorwürfe aufzuklären. Daran haben wir ein sehr hohes Interesse.“ Thorsten Metzner

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