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Brandenburg: Stille Wasser sind schön

Im „Spreewald“-Magazin des Tagesspiegels stehen die schönsten Ausflugstipps und eine Liebeserklärung

Von Sandra Dassler

Potsdam - Was ist das, dieser Spreewald? Wie oft sollte ich diese Frage schon beantworten. 1995 wurde sie mir am häufigsten gestellt: Verwandte und Bekannte kamen zur Bundesgartenschau nach Cottbus, wo ich seit 30 Jahren lebe. Und alle wollten die lange Reise in den wilden Osten Deutschlands mit einem Besuch im Spreewald verbinden. Sogar Freunde aus Seattle hatten dort, an der US-Westküste, vom Spree Forest erfahren.

Das ist fast ein Vierteljahrhundert her. Und immer noch höre ich, wie kürzlich im badischen Freiburg: „Spreewald? Ist das nicht dort, wo der Kommissar in einem Boot zum Tatort fährt? Und wo die Gurken herkommen. Wohnen da nicht die Sorben? Gibt es die wirklich? Ich dachte immer, die seien eine Erfindung von Erich Honecker.“ Selbst viele Berliner haben die einzigartige Landschaft im Süden Brandenburgs noch nie erkundet. Dabei verbindet sie der gleiche Fluss.

Doch welch ein Kontrast! Der schlesische Schriftsteller Paul Keller hat ihn schon vor mehr als 100 Jahren in seinem Roman „Die alte Krone“ beschrieben: „Die Spree ist ein Heidekind Frühzeitig – als halberwachsen Ding – muss sie in den Dienst nach der anspruchsvollsten Stadt der Welt, nach Berlin... Aber auch sie hat eine grüne Heimat und eine grüne Jugend. Gar nicht fern von dem schreienden, lärmenden, gellenden Berlin wohnt die große Stille in hohen Föhrenwäldern, ist eine andere Welt, wohnt ein anderes Volk, ist eine andere Zeit...“

Tatsächlich kann man, nur gut eine Zug- oder Autostunde vom Kurfürstendamm entfernt, mit dem Rad oder Boot durch eine ständig wechselnde Landschaft fahren, ohne einem Menschen zu begegnen. Bei einer Wanderung weitet sich der Blick noch mehr. Wer im Winter den Weg von Leipe nach Lübbenau über Lehde nimmt, kommt sich schon etwas aus der Zeit gefallen vor. Wer in einer nebligen Herbstnacht mit dem Auto seine Unterkunft im Spreewald gesucht hat, weiß, warum Regisseure hier gruselige Spreewald-Krimis drehen. Und wer einmal erlebt hat, wie ein ganzer Saal, von den 16- bis zu den 80-Jährigen, begeistert die Annemarie-Polka tanzt, wird nicht mehr fragen, ob die Sorben eine Erfindung Erich Honeckers sind.

Als sich Landes- und Kommunalpolitiker Anfang der 90er-Jahre nach heftigen Debatten für die sanfte touristische Nutzung des Spreewalds entschieden, schufen sie den Grundstein für die Entdeckung der Langsamkeit und Stille vor den Toren der Hauptstadt.

„In Berlin kann man so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben“ singt Liedermacher Rainald Grebe. Ja genau: Wölfe und Waschbären gibt es im Spreewald, ebenso Biber, Bisams, Kormorane und Klapperstörche. Und Naturlandschaft – bis zur Verwilderung. Sie macht manchmal kleine Wunder wahr. Ich habe erlebt, wie gestresste Manager nach einer halben Stunde auf dem Kahn ihre Handys ausschalteten und die Augen schlossen. Oder wie sich mehrere „Problemkids“ aus Neukölln flüsternd gegenseitig ermahnten, die Paddel leise ins Wasser zu tauchen, weil vor ihnen gerade ein Biber oder eine Schlange auftauchte.

Wellness wird inzwischen zu jeder Jahreszeit angeboten: in kleinen Hotels ebenso wie in der bekannten Spreewaldtherme in Burg oder in den Spreewelten Lübbenau, wo man nicht nur mit Pinguinen schwimmen, sondern auch in der Heu- oder Gurkensauna relaxen kann. Gesundheitsbewussten werden die vielen kleinen Hofläden mit Bioprodukten gefallen. Zu den Wassersportlern und Radlern haben sich Skater oder Rollerski-Fahrer gesellt, Kletterern empfiehlt sich der Hochseilgarten in Lübben oder der Kletterfelsen im Freizeitpark Teichland, wo man sich auch mit den slawischen Göttern und der Sagenwelt der Sorben mit dem tollpatschigen Wassermann, den Lutkis, dem Schlangenkönig oder der Mittagsfrau vertraut machen kann.

Die kürzeste Antwort auf die mir so oft gestellte Frage habe ich übrigens 1995 von meinen Freunden aus Seattle übernommen. Vor ihrem Rückflug hatten sie am Flughafen in Berlin Landsleute getroffen und ihnen vom Spree Forest vorgeschwärmt. Auf die Frage, was der Spreewald sei, antworteten sie pragmatisch: „Der Spreewald ist eine Lagunenlandschaft. Wie Venedig. Nur größer und grüner. Und ohne Dreck, Gestank und Lärm. Also eigentlich gar nicht wie Venedig.“ Sandra Dassler

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