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Sondersitzung zum Arzneiskandal: Experten fordern bessere Kontrollen der Branche

Vor der Sondersitzung im Potsdamer Landtag zum Medikamenteskandal fordern Experten strengere Kontrollen für die Pharmabranche und eine Weisung von Bundesinnenminister Horst Seehofer.

Potsdam - Vor der Pharmaskandal-Sondersitzung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch im Brandenburger Landtag haben Patientenschützer den Bund zu schärferen Maßnahmen gegen Kriminalität in der Pharmabranche aufgefordert. Der Fall in Brandenburg, bei dem es um den Weiterverkauf gestohlener Krebsarznei geht, zeige, dass die organisierte Kriminalität „weitestgehend ungestört mit Medikamenten“ handeln könne, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Evangelischen Pressedienst.

Das Bundeskriminalamt (BKA) müsse deshalb „den Kampf gegen international organisierte Kriminelle in der Pharmabranche endlich aufnehmen“. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse dazu eine „eindeutige Weisung zur Pharmakriminalität geben“, forderte Brysch: „Es geht um einen Milliardenmarkt.“ Das BKA ermittelt auch bei Rauschgiftkriminalität, Rockerbanden und Menschenhandel. Die Kriminellen würden zudem über die Ländergrenzen hinweg arbeiten. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei gefordert, staatliche Kontrollen auszubauen. In dem Fall in Brandenburg hätten die staatlichen Kontrollen offensichtlich versagt, kritisierte Brysch. Es sei unerträglich, dass deshalb zahlreiche Patienten, die auf eine Heilung hoffen könnten, Opfer geworden seien.

„Das ist ein Versagen auf der ganzen Linie“

Wie berichtet soll der Pharmahändler Lunapharm aus Mahlow (Teltow-Fläming) in Griechenland gestohlene, möglicherweise unwirksame Krebsmedikamente vertrieben haben. Die Staatsanwaltschaft führt ein Verfahren wegen Hehlerei gegen Lunapharm und prüft Ermittlungen gegen zwei Mitarbeiter der Brandenburger Arzneimittelüberwachung, die Informationen über den Fall unterschlagen haben könnten.

„Das ist ein Versagen auf der ganzen Linie“, sagte auch Professor Walter Thimme, Berliner Mediziner und früherer Mitherausgeber des „Arzneimittelbrief“, den PNN. Der „Arzneimittelbrief“ ist eine unabhängige, kritische Branchenzeitschrift. Der Fall müsse nicht nur zum Anlass genommen werden, die offenbar schlechten Informations- und Prüfmechanismen in Brandenburg unter die Lupe zu nehmen, sondern auch das Reimport-System, bei dem in Deutschland produzierte und in andere EU-Länder exportierte Medikamente zurückgekauft und dann günstiger angeboten werden.

Das Potsdamer Landtagspräsidium stimmte im Eilverfahren dem Antrag von CDU und Grünen zu, die für den heutigen Mittwoch eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses während der sitzungsfreien Zeit beantragt hatten. Ministerin Diana Golze (Linke) kündigte an, umfassend Auskunft über den Skandal zu geben. Die am Freitag vom Ministerium eingerichtete Hotline für Patienten wird derweil stark genutzt: Bislang gingen bereits mehr als 600 Anrufe ein. Darunter waren laut einer Sprecherin auch 84 Nachfragen zum Rückruf des verunreinigten Blutdrucksenkers Valsartan gewesen, ein bundesweiter Fall. (mit epd)

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