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Schlechte Straßen: Urlaub auf der Buckelpiste

Das Wetter ist nicht immer schuld. Aber Brandenburgs Tourismusanbieter sind unzufrieden wie nie – wegen schlechter Straßen und Radwege

Von Matthias Matern

Potsdam - Bei Hoteliers und Restaurantbesitzern in Westbrandenburg ist die Stimmung so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Neben dem langen Winter und dem damit ausgefallenen Ostergeschäft trübt auch der schlechte Zustand der Straßen und Radwege sowie das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) die Laune der Tourismusanbieter. Das geht aus der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrtie- und Handelskammer Potsdam (IHK) bei 230 touristischen Anbietern im Kammerbezirk hervor. Demnach sehen 62 Prozent aller befragten Betriebe Handlungsbedarf beim Pkw-Verkehr, 67 Prozent wünschen eine verbesserte Rad-Infrastruktur und sogar 69 Prozent sind mit dem Angebot im Nahverkehr unzufrieden. Davon 41 Prozent sehen sogar akuten Handlungsbedarf im Nahverkehr.

Wie schlecht die Stimmung insgesamt ist, lässt sich am Geschäftsklimaindex ablesen. Ermittelt wird der Index aus den positiven und negativen Einschätzungen der aktuellen und der künftig Geschäftslage. Der IHK-Konjunkturumfrage zufolge ist der Index regelrecht abgestürzt und liegt derzeit mit 102 Punkten 24 Punkte unter dem Ergebnis vom Frühjahr 2012 und sieben Punkte unter dem Wert von 2010. „Das hat sich nicht so entwickelt, wie wir uns das erhofft haben“, räumte IHK-Hauptgeschäftsführer René Kohl am gestrigen Donnerstag in Potsdam ein. Vor allem der lange und kalte Winter habe vielen Hotelbesitzern und Gastronomen zu schaffen gemacht. Zumal Ostern dieses Jahr recht früh gelegen habe und wegen des schlechten Wetters die Einnahmen von Ausflüglern weitgehend ausgblieben sein, so Kohl. Insgesamt seien die Umsätze um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Eine Rolle bei der Beurteilung der Zufriedenheit spiele aber auch die Infrastrukturfrage, sagte der IHK-Chef. „Kein Mensch fährt gerne durch ein Schlagloch.“ Die Sicherung der Infrastruktur sei eine große Herausforderung. Da müsse noch einiges passieren, so Kohl. Es sei wichtig, den Bestand zu sichern und die Infrastruktur, ob Wasser- oder Radwege, Straßen, Schienen oder Wanderwege so zu erhalten, dass aktiver Tourismus in der Natur auch in Zukunft möglich ist, heißt es im IHK-Konjunkturbericht. „Vielleicht hätte man das Geld, das für die Tempobegrenzung an Alleen von 100 auf 70 Kilometer pro Stunde ausgegeben hat, lieber in den Straßenbelag investieren sollen“, meinte Kohl mit Verweis auf die rot-rote Landesregierung.

Auch seitens der regionalen Bauwirtschaft und der Opposition im brandenburgischen Landtag wird die SPD/Linke-Koalition wie berichtet bereits seit Langem für ihre rückläufigen Investitionen ins Straßennetz kritisiert. Landesweit seien manche Straßen kaum noch befahrbar, hatte erst vor Kurzem Reinhold Dellmann, Chef der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, geklagt. „Die falsche Prioritätensetzung im Haushalt ist ein Kardinalproblem der rot-roten Landesregierung. Das Thema Investitionen ist absolut unterbeleuchtet“, hatte auch der infrastrukturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion und Landeschef der Liberalen, Gregor Beyer, moniert.

Dem ADAC Berlin-Brandenburg zufolge beläuft sich der Investitionsstau bei der Straßeninstandhaltung in Brandenburg auf rund 500 Millionen Euro. Auch beim Radwegenetz ist das Land im Rückstand. Zwar beurteilen einer Studie zufolge 80 Prozent der Radtouristen die Qualität der Radwege in Brandenburg als gut bis sehr gut. Doch viele der Strecken wurden in den späten 90er Jahren angelegt und bedürfen einer Sanierung. Bei Neuruppin musste kürzlich ein Radweg wegen schwerer Schäden komplett gesperrt werden. Beim brandenburgischen Infrastrukturministerium geht man von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 15 Jahren aus. Bereits vor knapp vier Jahren bezifferte das Ministerium die notwendigen Mittel auf Radwege entlang Bundesstraßen auf etwa 6,1 Millionen Euro und entlang Landestraßen auf etwa 6,7 Millionen Euro. Dazu kommen die Erhaltungsmaßnahmen an Radwegen in kommunaler Trägerschaft. Eine aktuelle Schätzung des Investitionsbedarf gibt es nicht. Der öffentliche Nahverkehr leidet ebenfalls seit Jahren an einer chronischen Unterfinanziereung. Erst Ende vergangenen Jahres hatte Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) trotz Protests die Mittel für einige regionale Bahnstrecken mit Verweis auf gesunkene Zuwendungen des Bundes gekürzt.

Der aktuellen IHK-Umfrage zufolge fühlen sich 35 Prozent der Betriebe nur schlecht durch den ÖPNV angebunden. „Die Ergebnisse sind durchaus landesweit übertragbar“, meint Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga). „Auf der einen Seite werden zwar immer die Erfolge im Tourismus gefeiert, auf der anderen Seite aber nur die Schüler und Pendler gezählt, wenn es um die Wirtschaftlichkeit von Verbindungen geht“, so Lücke.

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