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Bürokrankheit. Wer im Job viel in schlechter Haltung sitzt und sich wenig bewegt, bekommt es schnell mal mit Rückenproblemen zu tun. Laut DAK-Studie leiden in Brandenburg mehr als 900 000 Erwerbstätige unter Rückenschmerzen, 100 000 sogar chronisch. Das führt zu vielen Fehltagen in der Arbeitsstatistik.

© Inga Kjer/dpa

Rückenschmerzen in Brandenburg: Das Kreuz mit dem Kreuz

Laut eines DAK-Reports fehlen Brandenburger Arbeitnehmer 1,5 Millionen Tage im Jahr wegen Rückenschmerzen. Risikofaktoren sind unter anderem Übergewicht, Stress und keine Freude bei der Arbeit - Training kann helfen.

Potsdam - Brandenburger Arbeitnehmer haben viele Krankentage auf dem Buckel. Im Vorjahr kamen alle Erwerbstätigen im Land auf zusammen 1,5 Millionen Ausfalltage – allein wegen Rückenschmerzen. Der Volkswirtschaftliche Schaden durch nicht geleistete Arbeit: 148 Millionen Euro. Zu diesem schmerzhaften Ergebnis kommt die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) Brandenburg in ihrem am Mittwoch in Potsdam vorgestellten Gesundheitsreport. Rückenleiden sind demnach in Brandenburg die zweithäufigste Diagnose bei Krankschreibungen, gleich hinter akuten Atemwegsinfektionen wie Erkältungen oder Grippe. Brandenburger fallen zudem deutlich häufiger wegen Kreuzschmerzen in Büro oder Fabrik aus als Arbeitnehmer in anderen Regionen. Je 100 Beschäftigte kamen märkische Arbeitnehmer 2017 auf 125 rückenbedingte Fehltage, im Bundesschnitt waren es nur 87. Und das, obwohl sich laut der Studie nur 84 Prozent der unter Rückenschmerzen Leidenden tatsächlich krankmelden.

Insgesamt klagen 73 Prozent der brandenburgischen Arbeitnehmer mindestens einmal im Jahr über Rückenschmerzen. Mehr als jeder zwölfte Berufstätige leidet sogar chronisch, das heißt drei Monate oder länger. Das bedeutet, in Brandenburg sind rund 100.000 Menschen dauerhaft von Rückenleiden betroffen.

Immer mehr Betroffene gehen direkt ins Krankenhaus

„Das gesundheitspolitische Ziel, das Problem Rücken in den Griff zu bekommen, wurde nicht erreicht“, erklärte Anke Grubitz, Leitern der DAK-Landesvertretung bei der Vorstellung der Studie, für die nicht nur Daten der 252 000 Brandenburger DAK-Versicherten ausgewertet wurden, sondern auch Krankenhausdaten. Diese wurden ergänzt durch eine repräsentative Forsa-Umfrage unter Erwerbstätigen.

Angebote sowohl in der Prävention als auch in der Versorgung von Schmerzpatienten müssten überprüft werden, forderte Grubitz. Denn auffällig ist: Immer mehr Betroffene gehen mit ihren Rückenschmerzen direkt ins Krankenhaus. 2016 wurde mehr als 8500 Klinikaufenthalte wegen Rückenschmerzen verzeichnet – ein Anstieg um fast 70 Prozent in den vergangenen neun Jahren. In anderen Bundesländern mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt wird deutlich seltener wegen Kreuzproblemen ein Krankenhaus in Anspruch genommen, in Berlin beispielsweise nur etwa halb so oft. Das könne damit zusammenhängen, dass in einigen Brandenburger Regionen Ärzte fehlen, so Grubitz. Um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern, aber auch um die Notfallambulanzen der Kliniken zu entlasten, schlägt sie mehrere Maßnahmen vor: Neben einem verbesserten Terminservice bei den niedergelassenen Ärzten könnten medizinische Versorgungszentren und teilstationäre Angebote für Abhilfe sorgen.

Weitere Idee: sogenannte Portalpraxen nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins. In dem Bundesland gibt es derzeit 33 allgemeinmedizinsche, meist in Krankenhäusern angesiedelte, Arztpraxen, die eine ambulante Versorgung außerhalb der üblichen Sprechzeiten anbieten und so Patienten abfangen, die bislang die Notaufnahme aufsuchten, obwohl sie gar keine Notfälle waren. Denn danach gefragt, wie schlimm ihre Schmerzen sind, gaben in der Beschäftigtenumfrage 40 Prozent an, dass eher ein leichtes Ziehen im Rücken spüren. Elf Prozent klagen aber über starke bis sehr starke, fast schon unerträgliche Schmerzen.

Trainieren hilft

Für die Betroffenen hat Professor Frank Mayer, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Sportmedizin an der Universität Potsdam, vor allem einen Rat: Bewegung. „80 Prozent der Patienten, die unter Rückenschmerzen leiden, bleibt nichts anderes übrig als zu trainieren“, sagt Mayer. Sich schonen – was laut DAK-Studie sechs Prozent der Brandenburger Betroffenen bevorzugen – empfehle sich hingegen nicht. Am meisten setzen die Kranken der Umfrage zufolge auf Wärme. Heizkissen, Bäder, Sauna stehen bei der Selbsttherapie hoch im Kurs. 41 Prozent nehmen Schmerzmittel, deutlich weniger setzen auf Physiotherapie, Massagen oder Entspannungsübungen wie Yoga.

Um Linderung zu erreichen oder präventiv dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter erst gar nicht zum Arzt gehen oder zu Tabletten greifen müssen, fordert Grubitz auch ein Umdenken in den Unternehmen. Nicht nur bequeme Sitzmöbel seien ein Muss. „Betriebe sollten akzeptieren, dass sich ihre Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit auch einmal bewegen müssen.“ Betriebliche Gesundheitsprogramme – Rückenschule am Arbeitsplatz – sollten ausgebaut werden. Die Krankenkasse selbst will mit einem digitalen Präventionsangebot gegensteuern. Bei einem Online-Coaching erfahren Kreuzgeplagte, was sie gegen akute und chronische Schmerzen tun können.

Risikofaktoren: Stress und keine Freude bei der Arbeit

Nicht nur Bewegungsmangel und häufiges Arbeiten in unbequemer Haltung begünstigen das Auftreten von Rückenschmerzen. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, Stress und keine Freude bei der Arbeit. Warum nun aber genau Brandenburg gemessen an den Fehlzeiten nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt das Land der Rückenleider ist, beantwortet die Studie nicht im Detail. In Ländern, in denen viel verarbeitendes Gewerbe vorzufinden sei, sei die Krankmeldungsrate möglicherweise höher, so Grubitz. Aber auch wer in einem Pflegeberuf arbeitet, muss sich wegen eines Rückenleidens womöglich eher eine Krankschreibung holen, weil er nicht arbeitsfähig ist, als ein Büroarbeiter.

Fakt ist, dass andere Bundesländer deutlich bessere Zahlen aufweisen als die 125 Rücken-Fehltage in Brandenburg. Die Hamburger kommen gerechnet auf 100 Personen auf nur 56 verpasste Arbeitstage wegen Rückenschmerzen. In Bayern sind es 66, in Nordrhein-Westfalen 85.

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