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Retter gesucht: Extreme Waldbrandgefahr: Brandenburg braucht mehr Feuerwehrleute

Den Freiwilligen Feuerwehren im Land Brandenburg fehlt Personal. Nun will die Politik mit Prämien und flexiblen Ausbildungen gegensteuern.

Potsdam - Heinz Rudolph klingt besorgt. „Noch können wir den flächendeckenden Grundschutz gewähren“, sagt er. Seine Betonung liegt auf „noch“. Rudolph ist Landesbranddirektor und Leiter der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt. Dass sich etwas bei den Feuerwehren in Brandenburg verändern muss, steht für Rudolph mit Blick auf die Zahlen fest. Waren vor 15 Jahren noch mehr als 50 000 Menschen in den Freiwilligen Feuerwehren in der Mark engagiert, ist die Zahl im vergangenen Jahr auf 38 000 gesunken. Für Rudolph alarmierend: „Die Schmerzgrenze ist fast erreicht.“

Ausgerechnet jetzt, da Berlin und Brandenburg seit Monaten Hitze und Dürre erleben und landesweit die höchsten Waldbrandstufen gelten, wird das Personal bei den Feuerwehren knapp. Neben den Ehrenamtlichen gibt es noch knapp 700 Einsatzkräfte der Berufswehren der Städte Brandenburg/Havel, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Potsdam. Doch die Entwicklung scheint nur eine Richtung zu kennen. Das hat offenbar auch die Politik erkannt. Im Innenministerium in Potsdam wird derzeit an einem neuen Brand- und Katastrophenkonzept gearbeitet, im September sollen Vorschläge ins Kabinett überstellt werden. Konkret geht es um Möglichkeiten, die Berufsbedingungen attraktiver zu gestalten und Nachwuchs zu rekrutieren. Sorgen machen müsse man sich wegen der aktuellen Personalnot aber nicht, beschwichtigt der Sprecher des Ministeriums, Ingo Decker: „Für Waldbrände sind wir sehr gut aufgestellt.“

Gute Ausstattung aber wenig Freiwillige

Das findet auch der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel. „Eigentlich ist Brandenburg gut aufgestellt“, sagt er. Das Land habe viel in Technik und Ausrüstung investiert und auch die Umstellung von Überwachungstürmen auf Kameras zahle sich aus. Doch auf „eigentlich“ folgt eben auch immer ein „aber“. Engel sagt: „Unser System basiert zu 98 Prozent auf Freiwilligkeit. Es wird aber immer schwerer, Ehrenamtliche zu finden, die sich in den Feuerwehren engagieren.“ Für Engel hat das demografische Gründe. Zwar stieg die Zahl der Neugeborenen zuletzt auf einen Nachwendehöchststand, doch bis aus den Babys von heute Feuerwehrkräfte werden könnten, dauere es eben. Für Engel liegt das Problem aber auch an der gestiegenen Mobilität im ländlichen Raum. „Viele Menschen arbeiten in den großen Städten und sind tagsüber überhaupt nicht für die Feuerwehren verfügbar“, sagt Engel. Ein Teufelskreis, denn gerade auf dem Land befinden sich der Großteil der gut 800 Millionen Bäume, die das Agrarministerium in der Mark gezählt haben will. Teil des neuen Konzepts müsse daher auch ein Ausbau der hauptamtlichen Mitarbeiter sein, findet er. Präventiv Schneisen in die Wälder zu schlagen, lehnt Engel dagegen ab: „Damit vernichten wir auch Vermögen und Biotope.“

Heinz Rudolph, der Chef der Feuerwehrschule, will den Fokus auf einen anderen Aspekt legen. Die Anerkennung in der Gesellschaft müsse wieder steigen, sagt er und erinnert an Attacken gegen Rettungskräfte in der jüngeren Vergangenheit. „Es muss uns gelingen, Anreize für diesen Beruf zu schaffen“, sagt er und schlägt beispielsweise Treueprämien für langjährige Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr vor. Eine Idee, die auch die Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) unterstützt. Ein „nennenswerter Betrag“, solle es werden. „Ehrenamt soll belohnt werden“, sagt sie den PNN, ohne genaue Zahlen zu nennen. Derzeit sei man noch in internen Abstimmungen.

„Es kann eben nicht jeder zu Fortbildungen nach Eisenhüttenstadt fahren“

Allein über finanzielle Anreize werde es jedoch nicht funktionieren, sind sich Rudolph und Lange einig. Die Feuerwehr-Ausbildung müsse dezentraler und flexibler werden. „Es kann eben nicht jeder zu Fortbildungen nach Eisenhüttenstadt fahren“, sagt Lange. Dort werden Spezial- und Fachkräfte der Berufswehren und Freiwilligen Feuerwehren ausgebildet. Geht es nach Lange, könnte dies teils auch über Online-Schulungen geregelt werden. Für Rudolph geht das in die richtige Richtung. „Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt müssen wir wieder verbessern“, sagt er. Da habe die Gesellschaft einigen Nachholbedarf.

Davon berichtet auch Kai Seekings. Vor sieben Jahren zog er von Berlin in ein Prignitzer Dorf im Norden Brandenburgs. „Ich befinde mich im Spannungsfeld, dass ich die Freiwillige Feuerwehr als Institution bewundere und wichtig finde, aber sie noch nicht an meine Berufsrealität angepasst wurde“, sagt er. Seekings arbeitet als Freiberufler, auch in Berlin. Vor allem die ständigen Fortbildungen der Feuerwehr am Wochenende kann er zeitlich nicht leisten. Er bedauert, dass es keine flexiblen Einsatzmöglichkeiten für Menschen wie ihn gibt. „Bei Sturmschäden beispielsweise braucht es ja weniger eine lange Ausbildung als Manpower“, sagt er. Straßen, Gebäude und Autos von Bäumen zu befreien, das traue er sich zu: „Ich wäre gerne eine Art Hilfsfeuerwehrmann. Dann würde ich mitmachen.“

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