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Brandenburg: Prophetische Worte

Im Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum Debakel spielt die aktuelle Krise nur eine indirekte Rolle

Berlin - Langwierige Bauarbeiten und eine Vervielfachung der Kosten gehörten bereits seit den frühen 1990er Jahren zu den möglichen Szenarien für den künftigen Hauptstadtflughafen BER. Wie schwierig und teuer das kürzlich erneut verschobene Projekt tatsächlich werden sollte, war aus Sicht der damals Verantwortlichen in der Anfangsphase aber nicht abzusehen. Das ist eines der Ergebnisse der fünften Sitzung des BER-Untersuchungsausschusses am Freitag im Abgeordnetenhaus.

Nach der fast sechsstündigen Befragung von damaligen Akteuren wie dem einstigen SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der als Senator auch mehrere Jahre lang im BER-Aufsichtsrat saß, zeichnete sich ab, dass es zwar einige Einschätzungen aus jenen Jahren gibt, die im Licht des aktuellen Fiaskos teilweise prophetisch klingen, etwa ein Vermerk des damaligen Referatsleiters für Großinvestitionen, des heutigen Justiz-Staatssekretärs Alexander Straßmeir aus dem Mai 1995, in dem er von einer zu befürchtenden Verdoppelung oder gar Vervierfachung der Baukosten sprach. Oder die damals von Böger schriftlich festgehaltene Einschätzung, dass der Flughafen wohl nicht vor dem Jahr 2015 öffnen werde.

Bei der Befragung der Akteure zeigte sich jedoch, dass diese Szenarien damals nur eine von vielen Perspektiven festhielten, die nach Ansicht ihrer Urheber nicht so interpretiert werden kann, dass die heutigen Probleme bereits in der Frühphase des Projekts angelegt worden waren.

Das führte zu einem parteipolitisch aufgeladenen Hin und Her im Ausschuss, bei dem die Opposition im Kern versuchte, den damals wie heute regierenden Parteien SPD und CDU nachzuweisen, von Anfang an Fehler gemacht zu haben. Die Regierungskoalition wiederum bemühte sich, in der Befragung von Zeugen Belege dafür zu finden, dass die politische Führung sich damals wie heute lediglich auf Expertisen gestützt habe und keine Entscheidungen getroffen habe, die wegen etwaiger politischer Motive zu den heute bekannten Problemen geführt hätten. So bei der Anhörung des damaligen Gutachters Herbert Märtin, der den sogenannten Konsensbeschluss für den Standort Schönefeld 1996 fachlich an zentraler Stelle mit vorbereitet hat.

„Ich warne davor, die Aussagen von vor 20 Jahren unter dem Eindruck der desaströsen aktuellen Vorgänge zu sehen“, sagte Ex-Senator Böger, als der politisch besonders kämpferische Grünen-Vertreter im Ausschuss, Andreas Otto, Bögers Aussagen auf der Suche nach politischen Erkenntnissen für die Gegenwart abklopfte. „Ich bin nicht der Ansicht, dass die Missgeburt 1993 schon vorherzusehen war“, sagte Böger.

Bezüglich der jetzt wieder in der Kritik stehenden Geschäftsführung der Flughafengesellschaft wurde allerdings deutlich, dass die Zusammenarbeit der politisch Verantwortlichen mit den Managern bereits damals schwierig war. So vermerkte Senatskanzlei-Referent Straßmeir bereits Mitte der 90er Jahre, dass die Geschäftsführung „nicht sehr mitteilungsfreudig“ sei und empfahl die Privatisierung des Unternehmens, sofern sich die Missstände nicht ändern sollten. Bezüglich seiner Prognose, die Kosten könnten sich vervielfachen, wies er allerdings darauf hin, dass er diese Einschätzung damals aufgeschrieben habe, bevor überhaupt klar war, an welchem Standort der künftige Flughafen entstehen soll.

Die aktuelle Flughafen-Krise, die seit einer Woche weit über Berlin und Deutschland hinaus diskutiert wird, tauchte im BER-Ausschuss nur zwischen den Zeilen auf. Das begründen die Abgeordneten damit, dass es eben ihr parlamentarischer Auftrag sei, vor allem die Vorgeschichte und Entwicklung bis zum Ausschussbeginn im vergangenen Herbst aufzuarbeiten. Lars von Törne

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