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Position: BER: Beyond Economic Repair

Der Flughafenneubau und die Aufsicht nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip

Inzwischen steht das Kürzel „BER“ für vieles: Als Kfz-Kennzeichen für den ehemaligen Kreis Bernau, für die Brunsterkennungsrate in der Milchviehhaltung, für einen Flughafen, der noch immer keiner ist und eben auch für eine Sache, die mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht mehr zu retten ist – beyond economic repair.

Nach ursprünglich geplanten Kosten von 2,5 Milliarden Euro könnten wir inzwischen froh sein, wenn es zumindest nicht das Doppelte wird, nach zwei verschobenen Eröffnungen gilt inzwischen auch der März 2013 als äußerst ambitioniert, nach versprochenem bestmöglichen Lärmschutz wären wir schon froh, wenn Herr Platzeck als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender den Flughafen nicht ermächtigen würde, mit allen Mitteln gegen den Lärmschutz vorzugehen, den das von ihm als Ministerpräsident vertretene Land Brandenburg durchzusetzen hat.

Am meisten überrascht bei all dem die offizielle Überraschung, die manch Verantwortlicher wie eine Monstranz vor sich herträgt. Dabei war doch eigentlich schon Mitte der 90er Jahre alles klar: Sperenberg war der beste Standort, in Schönefeld würden sich massive Nachteile für Tausende Anwohner und durch notwendige Rücksichtnahmen auch für den Flughafen ergeben. Möglich war ein regionaler Flughafen mit deutlich beschränktem Wachstum. Trotzdem agierten Aufsichtsrat und Geschäftsführung jahrelang nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Alles sollte noch viel größer und schöner werden. Dann kostet ein Terminal auch statt 600 Millionen Euro mal eben 1,2 Milliarden. Auch deshalb sind spitz rechnende private Investoren schon vor zehn Jahren ausgestiegen. Und die öffentliche Hand stieg ein mit der Erklärung, alles selbst und besser zu können. Am Ende wurde der ursprünglich geplante Flughafen nicht gebaut und der jetzt im Bau befindliche Flughafen war ursprünglich so nicht geplant. Das wird teuer.

Dabei geht dann fast unter, dass der Flughafen (egal, wann er nun eröffnet) die ersten zehn bis zwanzig Jahre Verluste machen wird und das Geld für dessen Anschubfinanzierung im Grunde schon ausgegeben ist. Die schwarze Null ist in weiter Ferne.

Wer dafür zahlen wird, ist jetzt schon klar: wir alle. Von einer Milliarde Mehrkosten kommen 370 Millionen aus dem Vermögen des Landes Brandenburg, und zwar unabhängig davon, ob das Geld direkt aus dem Landeshaushalt überwiesen oder anders beschafft wird. Bei zwei Milliarden sind es dann schon 740 Millionen. Da fällt es schwer, Eltern und Schülern zu erklären, dass bei zwölf Schuljahren bis zum Abitur ein ganzes Schuljahr ausfällt oder immer mehr Autos auch deshalb geklaut werden, weil unsere Polizei sparen muss.

Hinzu kommen massive Erschütterungen des Vertrauens in unseren Rechtsstaat:

Nachdem Tausenden Flughafennachbarn zuerst gesagt wurde, dass sie am Planungsverfahren nicht beteiligt würden, weil sie nicht betroffen seien, wird ihnen jetzt gesagt, dass sie nicht beteiligt würden, weil das Verfahren schon abgeschlossen ist. Dumm gelaufen.

Flugroutenverläufe wurden gezielt falsch dargestellt, Lärmbetroffene werden verunsichert und Bürgerinitiativen werden vom Flughafen, der voll und ganz der öffentlichen Hand gehört, selbst dann noch hingehalten, wenn sie sich ihr Recht auf Akteneinsicht vor Gericht erstritten haben.

Die Flughafengesellschaft täuscht zunächst den Willen zu umfassendem Lärmschutz gemäß der Planfeststellung vor, um dann mitzuteilen, dass deutlich weniger auch noch genug sei und auch die jüngsten Hinweise des Bundesverwaltungsgerichtes aus Leipzig überraschen: Bürger müssen klüger sein als die fachlich zuständigen Behörden.

In der Summe ergäbe sich geradezu ein Misstrauensgebot gegen den demokratisch legitimierten Rechtsstaat. Es entsteht der Eindruck organisierter Verantwortungslosigkeit. Wenn bei Eröffnungen Bänder durchzuschneiden sind, ist jeder gern dabei, wenn Fehler nicht mehr zu verheimlichen sind, ist man „stocksauer“ und es wird ein Bauer geopfert. Tatsächlich jedoch liegt die Verantwortung eben nicht nur bei der überforderten Flughafen-Geschäftsführung, sondern gerade auch bei denen, die diese Überforderung im Aufsichtsrat erkennen mussten.

Wer zwangsläufig halbherzig agiert, weil er als Aufsichtsratsmitglied und als Ministerpräsident jeweils widerstreitende Interessen zu vertreten hat, der sollte eines der beiden Ämter abgeben. Es muss ja nicht gleich das des Ministerpräsidenten sein.

Besser werden kann es erst, wenn Aufsichtsrat und Geschäftsführung des Flughafens ebenso wie die Landesregierung eines verinnerlichen: Man kann nicht einen Flughafen in Schönefeld errichten und ihn dann betreiben wollen, als liege er in Sperenberg. Sicherheit vor Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit.

Keine Tricks mehr, keine Täuschungen. Das wird das viele verlorene Geld nicht retten. Aber es ist der einzige Weg, Schritt für Schritt verlorenes Vertrauen zurück- und für den Flughafen in seinem Umfeld mehr Akzeptanz zu gewinnen. Vielleicht wird er dann, in ferner Zukunft, doch noch zu einem Erfolg.

Hans-Peter Goetz ist innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion

Hans-Peter Goetz

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