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Improvisiertes Gedenken. Am vergangenen Freitag gedachten am Ort des ehemaligen Übergangsheims in Bad Freienwalde gemeinsam mit den Opfern um Initiativen-Chef Roland Hermann (1.v.l.) die Landespolitiker Jutta Lieske (SPD, 3.v.r.), Dieter Dombrowski (CDU, 2.v.r.) und Clemens Rostock (Grüne, r.).

© Ideengrün

Pläne für Mahnmal in Bad Freienwalde: Wo DDR-Heimkinder wie Häftlinge behandelt wurden

Seit mehr als zwei Jahrzehnten kämpfen frühere DDR-Heimkinder vergebens für ihre Rehabilitierung. Nun könnte in Bad Freienwalde ein Denkmal entstehen – für die Betroffenen ein Durchbruch.

Bad Freienwalde - Es gibt sie noch, die fast vergessenen Opfer des DDR-Unrechts. Damals waren sie noch Kinder, heute als Erwachsene müssen sie dafür kämpfen, dass ihr Leid anerkannt wird. Es ist ein mühsamer Kampf. Zum Beispiel in Bad Freienwalde. In der DDR gab es dort in den Jahren 1968 bis 1987 ein sogenanntes Durchgangswohnheim. Die damaligen Insassen nennen es Kindergefängnis. Unter den Nazis war es Knast, später war es ein Kreisgerichtsgefängnis, dann ein Heim. Der Bau blieb, wie er war: Gitter vor den Fenstern, eine hohe Mauer mit Glasscherben, Stacheldraht und Einzelzellen. Hier wurden Kinder eingesperrt, weil sie ungewollt, ungeliebt, unangepasst waren. Er herrschte Schikane, Zwangsarbeit. Schulische Bildung: Fehlanzeige.

Seit Jahren kämpfen frühere Insassen um Anerkennung als Opfer. Auch wenn es reine Symbolik ist: Erstmals überhaupt, 27 Jahre nach der Wende, 26 Jahre nach der Wiedervereinigung, soll für sie so etwas wie ein Gedenkort entstehen. Für das Gedenken daran, was die Diktatur ihnen angetan hat.

"Kindergefängnis. Wir werden es nie vergessen"

Vergangenen Freitag in Bad Freienwalde: Eine Menschentraube auf dem Gehweg, an einem Zaun ein selbst gebasteltes Plakat mit der Aufschrift: „Kindergefängnis. Wir werden es nie vergessen. Die ehemaligen Insassen“. Hinter dem Zaun steht das frühere Übergangsheim. Es werden Reden gehalten, eine Liedermacherin singt. Als alles vorbei ist, wird das Plakat wieder vom Zaun genommen.

Immerhin besteht Hoffnung: Gernot Schmidt, Sozialdemokrat und Landrat in Oder-Spree, will die Pläne des Vereins „Kindergefängnis Bad Freienwalde“ für ein steinernes Mahnmal unterstützen. Roland Herrmann, der Vorsitzende, stellt sich eine Stele vor, zwei Meter hoch, die Inschrift: die gleiche wie auf dem Plakat. Der Landrat will nun selbst einen Bauantrag für die Stele einreichen, auch die Kosten will der Kreis tragen. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Heide Chinowsky, die den Verein seit Jahren begleitet, findet, die Zusage sei ein Meilenstein.

Dombrowski (CDU): Land Brandenburg müsse mehr zur Aufarbeitung beitragen

Und wo bleibt das Land Brandenburg? Immerhin haben es am Freitag auch ein paar Landespolitiker nach Bad Freienwalde geschafft. Landtags-Vizepräsident Dieter Dombrowski (CDU) etwa. Er ist auch Vorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Herrschaft. Er sagt, das Land Brandenburg müsse mehr zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur beitragen. Es wäre zu begrüßen, wenn die Landesregierung das Projekt unterstützen würde. Der Grünen-Landeschef Clemens Rostock sagt: „Die gesellschaftliche Auseinandersetzung und Anerkennung des Leids der Betroffenen fand bislang kaum statt.“ Die Landtagsabgeordnete Jutta Lieske (SPD) versprach, sie wolle die Diskussion um die Aufarbeitung auch in Bad Freienwalde vorantreiben. Jede Stadt habe „dunkle Flecken“ in der Vergangenheit, dem müsse man sich stellen.

Tatsächlich stehen die DDR-Heimkinder in der Erinnerungskultur in der Schmuddelecke. Das Rathaus von Bad Freienwalde fremdelt mit dem, was dort im Heim geschah. Ein Stadtvertreter fehlte bei der Veranstaltung. Und auch die Landesregierung in Potsdam tut sich schwer: Eingeladen war auch Justizminister Stefan Ludwig (Linke). Doch er kam nicht. „Wir haben noch nicht einmal eine Absage bekommen“, sagt Herrmann, der im Alter von 14 Jahren erst im Heim in Bad Freienwalde, mit 15 im Gefängnis und jahrelang in anderen Heimen war.

Brandenburger Justiz behandelte Opfer jahrelang rechtswidrig

Dabei ist es gerade die Justiz in Brandenburg, die die Rechte der Betroffenen nicht nur nicht ernst nimmt, sondern die Opfer über Jahre rechtsstaatswidrig behandelt hat. Festgestellt hat das das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Doch geändert hat sich seither bei den hiesigen Staatsanwaltschaften und Landgerichten nur teilweise etwas, wie aus dem Büro von Ulrike Poppe, der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, zu hören ist. Manche Stellen hielten sich an den Spruch des Bundesverfassungsgerichts, manche nicht.

Die Richter in Karlsruhe hatten im Dezember 2014 in einem Fall von Norda Krauel geurteilt. Sie war als Jugendliche mehrere Monate in dem Heim von Bad Freienwalde und dann mehr als ein Jahr im Jugendwerkhof in Burg. Mehr als zwei Jahrzehnte hatten es Brandenburger Gerichte abgelehnt, sie und andere frühere DDR-Heimkinder strafrechtlich zu rehabilitieren. Und sie lehnten es ab, das Leid anzuerkennen – die Zustände in den DDR-Kinderheimen, die systematischen Menschenrechtsverletzungen. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts waren die mit dem Fall Norda Krauel befassten Gerichte – das Landgericht Frankfurt (Oder) und das Oberlandesgericht in Brandenburg/Havel – schlicht ihrer Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen. Konkret seien die Richter den Hinweisen auf eine „mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtstaatlichen Ordnung unvereinbare Anordnung“ zur Unterbringung in dem Durchgangsheim „nicht nachgegangen“. Die „von Rechtsstaats wegen geforderte Überprüfung“ sei ihr verweigert worden.

Die Opfer wurden wieder Opfer

Norda Krauel ist nur ein Beispiel dafür, wie die Brandenburger Gerichte, genauer die Kammern für Rehabilitierungsverfahren an den Landgerichten, Anträge von DDR-Heimkindern restriktiv behandelt haben. Bei Norda Krauel und vielen anderen wollten die Gerichte keine politischen oder sachfremden Gründe für die Heimunterbringung anerkennen, die für eine Rehabilitierung nötig sind. Sie hörten die Betroffenen nicht einmal mündlich an. Stattdessen hielten sich die Richter oftmals an die Akten der DDR-Jugendbehörden. Die Opfer wurden abermals Opfer, sie fanden kein Gehör, die Täter – durch die Akten aus der DDR – aber schon, ohne dass Sachverständige einordnen, was dort steht, worum es in den DDR-Heimen ging. Nämlich darum: Wer nicht dem Ideal des sozialistischen Bürgers entsprach, „sollte mit besonderem Drill, mit Isolationen hingebogen werden, damit er zumindest funktioniert und Hilfsarbeiter werden kann“, wie es das Büro der Aufarbeitungs-Beauftragten formuliert. Im Klartext: Die Persönlichkeit sollte gebrochen werden. Zentral gesteuert und politisch gewollt.

Inzwischen ist das von Norda Krauel erkämpfte Urteil aus Karlsruhe fast zwei Jahre alt. Vorangekommen ist sie mit ihrem Verfahren am Oberlandesgericht, das die Prüfung neu aufrollen muss, fast nicht. Krauel sagt, alle halbe Jahre bestätigte das Gericht einen Zeugen, der ihre Haft in dem Heim bestätigen kann. Rehabilitiert ist sie immer noch nicht.

Jetzt entsteht dort ein Polizeirevier

Aber vielleicht kann das Land doch etwas tun für die früheren Heimkinder. Derzeit wird das Gebäude, in dem sie in Bad Freienwalde inhaftiert waren, saniert und umgebaut. Ein Polizeirevier entsteht dort. Der CDU-Politiker Dombrowski stellte nach seinem Besuch gleich eine Anfrage an die Landesregierung: Was sie denn wisse von der Geschichte des Hauses? Und ob sie sich vorstellen könne, „wie sonst auch üblich“, dort an die Geschichte zu erinnern?

Die alten Zellenwände in dem Haus wurden herausgerissen, sagt Roland Herrmann. Aber an den Runddecken seien sie noch zu erkennen. Dort, wo die DDR-Kinder wie Häftlinge behandelt wurden.

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